Als die AfD am Wochenende mit Tausenden Anhängern in Berlin demonstrierte, versetzte ein Name die Menge in Unruhe. Unter Anhängern der Partei steht er derzeit für Meinungstotalitarismus, für ein Europa, in dem man nicht mehr sagen darf, was man denkt, ohne dafür ins Gefängnis zu müssen. Der "Journalist" und "Aktivist" Tommy Robinson sei in England zu 13 Monaten Haft verurteilt worden, weil er vor einem Gerichtsgebäude gefilmt habe, nichts weiter. Der britische Staat habe sich eines unbequemen politischen Gegners entledigen wollen, verkündete einer der Redner. Robinson habe als Journalist von einem Prozess berichtet und sei inhaftiert worden mit der Begründung, er habe den "öffentlichen Frieden gestört". Die Menge rief "Free Tommy!"
Nicht nur bei der AfD-Demo ist man in Aufregung. Der Fall Tommy Robinson wird zum Phänomen in den sozialen Medien, Tausende fordern seine Freilassung. Nicht nur in Großbritannien gehen Menschen für seine Freilassung auf die Straße, auch etwa in Dresden demonstrierte am Montag die Pegida-Bewegung für ein Ende seiner Haft. Eine Online-Petition hat inzwischen fast eine halbe Million Unterstützer gefunden. Der Fall ist für nicht wenige ein neues Indiz dafür, dass die Presse nur noch gewünschte Wahrheiten liefern darf und Berichterstatter, die unbequeme Wahrheiten aussprechen, inzwischen durch eine politische Willkürjustiz beseitigt werden. Doch ist das wirklich die Geschichte? Wer ist Tommy Robinson und warum wurde er tatsächlich verhaftet?
Breivik ein "Monster" mit der richtigen Ideologie?
Tommy Robinson ist 35 Jahre alt, heißt eigentlich Stephen Christopher Yaxley-Lunnon. Er stieg 2009 zur Führungsfigur der English Defence League (EDL) auf, einer Organisation, die sich aus der britischen Hooligan-Szene entwickelt hat. Die EDL wolle die Ausbreitung von "Islamismus, Scharia und islamischen Extremismus" verhindern, beschreibt die Organisation ihre Ziele, weist jedoch Rassismusvorwürfe zurück. Demgegenüber stehen Zeitungsberichte, Studien, Einschätzungen der Polizei und Gerichtsurteile, die der EDL eine klar rechtsextreme und rassistische Gesinnung vorwerfen.
2010 sollen sechs EDL-Mitglieder einen Sprengstoffanschlag auf eine Moschee vorbereitet haben. Ein Jahr später behauptete der norwegische Terrorist Anders Breivik, der bei zwei Attentaten in Oslo und Utøya 77 Menschen ermordet hat, umfangreiche Kontakte zur EDL zu haben. Robinson, damals noch Chef der EDL, wies die Behauptungen zurück und bezeichnete Breivik als "Monster". Er räumte jedoch ein, seine Ideologien zu teilen.
2013 forderte Robinson die EDL-Mitglieder auf, die rechtspopulistische UKIP-Partei von Nigel Farage zu wählen. UKIP jedoch distanzierte sich in einem öffentlichen Statement von der EDL. "Wir finden die EDL nicht bloß verabscheuungswürdig, wir finden sie dumm. Denn sie betrachten Menschen bloß in Gruppen, nicht als Individuen. Wir lehnen ihre Ziele ab", sagte der damalige Parteichef Farage. Parteipolitisch wird der EDL außerdem vorgeworfen, Kontakte zur British National Party, einer rechtsextremen Partei vergleichbar der deutschen NPD, zu haben.
Vom Aktivisten zum rechten Journalisten
Robinson selbst war bereits wegen Gewaltvergehen und Betrugs inhaftiert, außerdem versuchte er, mit gefälschten Ausweisdokumenten in die Vereinigten Staaten einzureisen. 2017 wurde er beim Pferderennen in Ascot dabei gefilmt, wie er einem Mann mehrfach gegen den Kopf schlägt. Es existieren eine Vielzahl von Aufnahmen, die auch dokumentieren, wie Robinson von politischen Gegnern angegriffen wird.
Robinson verließ 2013 die EDL und knüpfte Verbindungen zur fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung in Dresden. Er hielt dort Reden und versuchte 2015, einen britischen Pegida-Ableger zu etablieren. 2017 wurde er als Journalist für das rechte Nachrichtenportal "The Rebel Media" aktiv, das in ähnlicher Machart wie einschlägige deutsche Seiten Stimmung gegen Muslime, Zuwanderer, das politische "Establishment" oder die "Mainstreammedien" macht. Und in der Funktion als Korrespondent für "Rebel Media" wurde er am 25. Mai vor dem Canterbury Crown Court, einem Gerichtshof in Leeds, verhaftet.
Robinson berichtete dort von einem Prozess, in dem ein Fall von Kindesmissbrauch verhandelt wurde. Angeklagt sind dabei muslimische Einwanderer. Bereits Anfang Mai filmte Robinson während der Verhandlung im Gerichtssaal, was in England, wie in vielen westlichen Staaten, verboten ist. Robinson kassierte dafür eine dreimonatige Bewährungsstrafe. Der zuständige Richter warnte ihn bereits damals, dass er eine Gefängnisstrafe bekommen könne, wenn er ein weiteres Mal unzulässige Details über den Prozess veröffentliche.
Robinson wusste genau, was ihm droht
Da in England Fälle von Raub, Mord und Sexualdelikte an einem Crown Court verhandelt werden, an denen eine Jury ein Urteil spricht, sind die Regeln besonders streng, wenn es um eine mögliche Vorverurteilung von Verdächtigen geht. Details wie Namen, auch von Anklägern und Anwälten dürfen nicht genannt, Fotos der Angeklagten - insbesondere von Minderjährigen - nicht gezeigt werden.
Und gegen genau diese Vorschriften hat Robinson mehrfach verstoßen: Er filmte im Gerichtssaal minderjährige Angeklagte. Am 25. Mai dann streamte er bei Facebook ein Live-Video der Angeklagten beim Betreten des Gerichts, trotz der Bewährungsstrafe. Nach etwa einer Stunde wurde er von Polizisten festgenommen und im Schnellverfahren zu 13 Monaten Gefängnis verurteilt.
Die zuständige Richterin begründete das Urteil mit den Worten: "Es geht hier weder um freie Meinungsäußerung, Pressefreiheit, legitime Berichterstattung oder politische Korrektheit. Es geht darum, dass ein Gerichtsprozess fair und gerecht verhandelt werden kann und darum, dass die Angeklagten als unschuldig gelten, bis das Gegenteil bewiesen werden kann. Es geht darum, die Integrität der Jury zu wahren, ohne dass ihre Mitglieder von unverantwortlicher und vorverurteilender Berichterstattung beeinflusst werden."
Tommy Robinson kannte seine Bewährungsauflagen und wurde entsprechend vorgewarnt. Er wusste, dass ihm eine lange Gefängnisstrafe droht, wenn er ein weiteres Mal in unzulässiger Weise über den Prozess berichtet. Die britische Justiz setzt in seinem Fall konsequent den Rechtsstaat durch. Ein Vorgehen, das sich Anhänger rechter Bewegungen, auch der AfD, an anderer Stelle wünschen.
Quelle: n-tv.de
Tags: