Der ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt wird nicht zur Fußball-Weltmeisterschaft nach Russland reisen, teilt der Sender mit. Grundlage der Entscheidung waren Gefährdungsanalysen von Bundessicherheitsbehörden, darunter das Bundeskriminalamt (BKA), das Landeskriminalamt Berlin (LKA) und der Bundesnachrichtendienst, deren Einschätzungen dem Sender vorliegen. "Die Sicherheit von Hajo Seppelt steht bei uns an erster Stelle", teilte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky mit. "Aus diesem Grund haben wir uns nach intensiver Prüfung der Sachlage und unter Berücksichtigung aller Informationen, die uns vorliegen, für diesen Weg entschieden."
Vorausgegangen war ein Gespräch zwischen ARD-Vertretern mit Außenminister Heiko Maas. Dabei ging es nur um eine Frage: Besteht ein Risiko für Seppelt, wenn er zur WM nach Moskau fährt? Die Antwort war eindeutig und lautete: Ja. Schriftlich heißt es dazu, "dass das Auswärtige Amt die Analysen auch der zuständigen Innenbehörden ernst nehmen müsse und mit Blick auf Sicherheitsfragen zu keiner andersgelagerten Einschätzung gelangen könne." In einer LKA-Analyse hieß es demnach schon Mitte Mai, dass "dringend von einer Reise Seppelts nach Russland abgeraten" werde.
Seppelt will sich "nicht einschüchtern" lassen
"Ich bedaure die Entwicklung, aber trage die Entscheidung mit", sagte Seppelt. "Den Sicherheitswarnungen des Bundeskriminalamtes kann ich mich nicht verschließen. Insgesamt ist es eine besorgniserregende Entwicklung für den Sportjournalismus, wenn die Ausübung des Jobs bei der Fußball-WM mit kaum kalkulierbaren Risiken und womöglich folgenschweren Konsequenzen verbunden ist." Der Deutschen Presse-Agentur sagte Seppelt darüber hinaus, er lasse sich "nicht einschüchtern. Die ARD wird auch während der Fußball-WM über Doping im Fußball berichten. Man kann unsere Arbeit einschränken und behindern - aber verhindern kann man sie nicht."
Am 11. Mai hatte Russland ein vom SWR beantragtes Visum für Hajo Seppelt mit dem Hinweis für ungültig erklärt, der Investigativ-Journalist stehe auf einer Liste der in Russland "unerwünschten Personen" und könne daher nicht einreisen. Hintergrund hierfür war offenbar die durch Seppelts Film "Geheimsache Doping: Wie Russland seine Sieger macht" ins Rollen gebrachte Aufdeckung des russischen Staatsdopingsystems. Er gilt seither als Staatsfeind.
Russlands Vorgehen hatte Wellen bis in die oberste politische Etage geschlagen. Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte den WM-Gastgeber mit Blick auf die Pressefreiheit aufgefordert, die Einreise des Journalisten zu ermöglichen. Mit Erfolg. Einen Tag nach dem Appell von Merkel bestätigte das Auswärtige Amt am 15. Mai, dass der 55-Jährige doch ein WM-Visum erhalte. Der Berliner sollte im Falle einer Einreise aber zu den laufenden russischen Ermittlungen gegen den Doping-Kronzeugen Grigori Rodschenkow vernommen werden.
Grüne und DJV kritisieren Fifa
Die Grünen fordern als Konsequenz einen WM-Verzicht deutscher Politiker: "So sehr ich mich auf die Spiele der deutschen Mannschaft freue: Wenn es für deutsche Journalisten zu gefährlich ist, zur WM zu reisen, weil ihnen durch staatliche Behörden die Festsetzung droht, sollten auch deutsche Politiker aus Solidarität nicht fahren", erklärte die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock. "Der Fall verdeutlicht, wie dramatisch es um die Pressefreiheit insgesamt in Russland steht." Für den Weltfußballverband Fifa müsse das ein Nachspiel haben. "Pressefreiheit ist bei der Vergabe ein Fifa-eigenes Kriterium. Länder, die das nicht garantieren, dürfen zukünftig nicht mehr für solche internationalen Veranstaltungen infrage kommen."
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sieht ebenfalls die Fifa in der Verantwortung: "Der Weltfußballverband muss dafür sorgen, dass Journalistinnen und Journalisten die Möglichkeit haben, frei und ungehindert über die Spiele, aber auch über Land und Leute berichten können", sagte der Bundesvorsitzende Frank Überall. Das gelte nicht nur für Russland, sondern auch für künftige Austragungsländer der Weltmeisterschaft. "Wenn ein renommierter Sportjournalist, der viele Dopingfälle aufgedeckt hat, aus Sicherheitsgründen auf die Reise nach Russland verzichten muss, ist etwas faul an der Auswahl der Gastgeber durch die Fifa." Die Fifa müsse ernsthaft darüber nachdenken, ob autokratische Regime oder Diktaturen, die die Pressefreiheit mit Füßen treten, die Fußball-WM durchführen dürften. Das gelte auch für Katar, wo die nächste Weltmeisterschaft stattfinden soll.
Quelle: n-tv.de
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