Neymar polarisiert, die Schweiz politisiert

  22 Juni 2018    Gelesen: 1741
Neymar polarisiert, die Schweiz politisiert

Sportlich brisant, politisch heikel: Die Schweiz und Serbien tanzen in Gruppe E auf dem Vulkan. Brasiliens Superstar Neymar steht in der Kritik, aber immerhin auf dem Platz - und Island erwartet ein echter Kampf.

 

Dieses Spiel dürfen Sie nicht verpassen

Freitag ab Eins macht jeder seins, Sie können sich also gern für Brasilien gegen Costa Rica um 14 Uhr entscheiden, da wollen wir mal nicht so sein. Aber die andere Partie in Gruppe E in Kaliningrad um 20 Uhr (ZDF/n-tv.de-Liveticker) verspricht wirklich beste Abendunterhaltung: Die Schweiz fordert Serbien in einem Schlüsselspiel - die Eidgenossen wollen ihren Punkt gegen Brasilien vergolden, für die "Weißen Adler" vom Balkan geht es um eine gute Ausgangssituation vor dem Gruppenfinale gegen den Rekordweltmeister. Es dürfte ein harter Kampf werden zwischen den Schweizern um den 1,69-Meter-"Zauberzwerg" Xherdan Shaqiri und den wuchtigen Serben, mit 1,86 Metern im Durchschnitt das größte Team des Turniers. Kontrollierte Gewalt, das war das Erfolgsrezept der "Nati" gegen Neymar und Brasilien, Serbiens Dusko Tadic schreckt das nicht: "Wir sind ruppige Spiele gewohnt, und wir werden darauf mit dem gleichen Maß an Einsatz antworten."

Zur sportlichen Brisanz gesellt sich die politische Dimension: Vier Spieler im Schweizer Kader haben albanisch-kosovarische Wurzeln, sie tragen den Balkan-Konflikt mit auf den Rasen - vielleicht sogar auf den Schuhen. Shaqiri postete vor einem Monat ein Foto seiner Töppen mit den Flaggen der Schweiz und des Kosovo. Eine Provokation für die Serben. "Wenn sie so große Patrioten sind, warum spielen sie dann nicht für dieses Land?", spottete Luka Milivojevic. "Aber wir werden nicht auf diese Ebene hinabsteigen. Wir wären sehr naiv, wenn wir ihnen erlauben würden, uns aus der Ruhe zu bringen." Shaqiri selbst beschwichtigte ebenfalls: "Viele Leute denken, dass es hier um Politik geht und erwarten viel, vor allem weil ich aus dem Kosovo stamme - aber das ist jetzt nur ein Fußballspiel und nicht mehr." Hoffentlich.

Zeit für ein WM-Päuschen

Nichts gegen die Isländer. Auch wenn wir so langsam keine Videos mehr sehen können, in denen mal wieder rund 12 Prozent der Gesamtbevölkerung in irgendeinem Hotelfoyer das "Hu" brüllen - die Wikinger-Version des Haka klingt im Stadion immer noch wie ein Fanal zum Brandschatzen. Nicht nur die Fans zeigen ihre Klasse in Russland, vor dem Duell mit Nigeria heute um 17 Uhr (ZDF/n-tv.de-Liveticker) im Mückennest von Wolgograd posierten die Spieler für ein Foto mit dem Trikot von Nigerias Keeper Carl Ikeme, der die WM wegen seiner Leukämieerkrankung verpasst. Und ja, auch das gehört zum Hype um die Inselkicker: Sandhausens Rúrik Gíslason schlägt unter dem Hashtag #sexyrurik eine Zweitkarriere als It-Boy ein, sein Instagram-Account hat seit dem WM-Auftakt rund 700.000 Follower(innen) gewonnen.

Wenn doch nur der Fußball auch so sexy wäre. Gegen Argentinien bauten die Isländer ihre Version der Eismauer aus "Game of Thrones" und verteidigten sie wie verbissen wie die Nachtwache. "Nigeria wird ein anderes Spiel", sagte Augsburgs Alfred Finnbogasson. "Sie kommen über ihre Physis." Die feine Klinge werden also beide Teams stecken lassen. Die "Super Eagles" waren ihrerseits gegen Kroatien alles, nur nicht super. "Naiv", urteilte ihr erfahrener Trainer Gernot Rohr. Eine Niederlage gegen Island würde schon das Aus bedeuten, seine Marschroute deswegen: Fehler vermeiden. Das könnte zäh werden …

Was verursacht WM-Herzrasen?

Er trainiert. Nicht nur das, er zwirbelt auch noch Freistöße in den Winkel wie ein gewisser CR7. Neymar da Silva Santos Júnior ist also fit, eine wichtigere Nachricht gibt es derzeit nicht in Brasilien. Am Dienstag hatte er noch das Training abbrechen müssten, offensichtlich nur eine Vorsichtsmaßnahme. "Ich habe gut trainiert, der Fuß hat nicht reagiert", sagte Neymar, den das ganze Land natürlich in der Startaufstellung gegen Costa Rica (14 Uhr in St. Petersburg/ZDF, Sky und im n-tv.de-Liveticker) sehen will. Aber es darf ruhig ein etwas anderer Neymar sein. Einer, der nicht alle Angriffe an sich reißt, einer, der seine Nebenmänner auch als würdige Mitspieler betrachtet, einer, der auch mal abspielt. "Brasiliens Star schadet dem Team mit seinen übertriebenen Dribblings", kommentierte "Zero Hora" nach dem enttäuschenden 1:1 gegen die Schweiz. Die Diskussion um die Egotrips des Megastars führte die Journalisten auch mit dem Trainer, dem allerdings kein kritisches Wort über Neymar entwich. Nein, er habe seine Nummer 10 nicht angewiesen, sein Spiel zu ändern, sagte Tite. "Wir werden ihm sein Wesen nicht nehmen." Verändert hat sich Neymar seit dem Schweiz-Spiel allerdings schon - zumindest auf dem Kopf. Die Spaghetti-Tolle musste einer Kurzhaarvariante weichen. Die zweitwichtigste Nachricht in Brasilien.

Ras, dwa, tri - die Zahl des Tages: 34


Wenn nicht bei dieser WM in Russland, wann dann? Noch nie hat die Schweiz bei einer Weltmeisterschaft einen Elfmeter zugesprochen bekommen, 34 Spiele haben die Eidgenossen mittlerweile ohne einen eigenen Strafstoß absolviert, das ist Rekord. In den 23 Spielen dieses Turniers haben die Schiedsrichter schon satte elfmal auf den Punkt gezeigt (in Brasilien insgesamt 13 mal) - da wird doch irgendwann einmal ein Pfiff für die Schweizer dabei sein.

Angeberwissen für's Public Viewing

"Wir konnten heute viel lernen", sagte Österreichs Marko Arnautovic vor zwei Wochen nach dem 0:3 im Test gegen Brasilien. "Außer das Wehleidige vielleicht." Superstar Neymar hatte mal wieder eifrig an seinem Ruf als Schauspieler gearbeitet, ein ums andere Mal hob er ab, als sei er gerade auf eine Schlange getreten. Bei allem Unmut über die Theatralik Neymars geht aber eins unter: Kaum jemand bekommt so viel auf die Socken wie er. 10 Fouls zählten die Statistiker im Auftaktspiel, die meisten, seit Tunesien 1998 Alan Shearer elfmal fällte. Der lapidare Kommentar des Schweizer Torhüters Yann Sommer: "Ich glaube, Neymar hatte heute nicht ganz so viel Spaß."

Redelings WM-Zeitreise


Der 22. Juni 1986 brachte Neapels Tifosi dermaßen um den Verstand, dass sie den Toten erzählen wollten, was da im Atztekenstadion vor sich ging: Ein kleiner Argentinier hatte einen der schönsten Treffer der Fußballgeschichte auf den Rasen gezaubert - und nur ein paar Minuten davor einen der berühmtesten ergaunert. Ben Redelings erinnert in seiner WM-Zeitreise an den Tag, an dem Maradona und Gott ein unschlagbares Sturmduo formten. Oh schnöder VAR, der Du uns solche Momente nimmst …

Der Spruch zum Spieltag


"Wir denken, Fußball sei ein Kriegsplatz. Aber das alles ist doch nur inszeniert. Wir sind Fußballer. Und Vorbilder für die Kinder."

Denkt denn hier niemand an die Kinder? Doch, der Schweizer Valon Behrami, Spitzname: "Der Krieger".

Quelle: n-tv.de


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