Trotz intensiver Suche nach einem Ausweg aus dem verfahrenen Asylstreit ist ein Kompromiss zwischen CDU und CSU nicht in Sicht. Wenige Stunden vor einem neuen Spitzentreffen sahen beide Seiten zwar weiter Spielraum für eine Lösung - wie diese aussehen könnte, war aber nicht erkennbar. "Wir wünschen uns eine Einigung auf ein gemeinsames Vorgehen", hieß es nach einer CDU-Vorstandssitzung in Berlin. "In der Migrationspolitik verfolgen wir dieselben Ziele. Wir wollen die Zuwanderung nach Deutschland ordnen, steuern und begrenzen."
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder warnte vor einem Bruch der Unionsfraktion. "Die Stabilität der Regierung steht für uns nicht infrage, auch ein Aufkündigen einer Fraktionsgemeinschaft ist nicht der richtige Weg. Man kann in einer Regierung viel erreichen, aber nicht außerhalb", sagte er am Rande eines Termins in Passau. Ein Austritt aus der Bundesregierung würde die CSU schwächen.
Der Streit zwischen CSU und CDU war in der Nacht auch durch eine später relativierte Rücktrittsankündigung von Innenminister Horst Seehofer weiter eskaliert. Am Nachmittag kommen die Spitzen beider Parteien erneut zu Beratungen zusammen. Auch eine gemeinsame Fraktionssitzung soll es entgegen ersten Berichten am Montagnachmittag geben.
SPD steht noch zur GroKo
Angesichts der Zuspitzung zwischen CDU und CSU fordert die SPD noch für den heutigen Tag einen Koalitionsgipfel bei Kanzlerin Angela Merkel. "Die Zukunft der Regierung wird da besprochen", sagte SPD-Chefin Andrea Nahles nach einer Sitzung des Vorstands in Berlin. Es gebe keinen Automatismus, dass die SPD einen Kompromiss im Asylstreit zwischen CDU und CSU mittrage. "Die Union führt ein rücksichtsloses Drama auf". Gerade die CSU sei auf einem beispiellosen Ego-Trip. "So geht es nicht weiter." Noch stehe die SPD aber zu der Großen Koalition.
Auf der Sitzung der gemeinsamen Unionsfraktion am Nachmittag dürfte Merkel die Abgeordneten über den letzten Stand im Streit mit Seehofer informieren. Beide Seiten haben wiederholt betont, dass sie an der seit fast 70 Jahren bestehenden Fraktionsgemeinschaft festhalten wollen. Mit Spannung wird erwartet, ob auch Seehofer zu den Bundestagsabgeordneten kommt - und ob eine Abstimmung über den Migrationskurs Merkels beantragt wird. Dies wäre möglich, wenn etwa die CSU-Seite und Merkel-Kritiker in der CDU erwarten würden, dass sie eine Mehrheit gegen die Kanzlerin organisieren könnten. Dies galt aber als sehr unwahrscheinlich.
CSU: Merkel lehnte Kompromiss ab
Nach Angaben aus CSU-Kreisen hatte Seehofer am Samstag ein Kompromissangebot gemacht, dass Merkel aber abgelehnt hatte. Demnach schlug er vor, nicht alle Migranten zurückzuweisen, die bereits in anderen EU-Ländern registriert sind, sondern nur solche, bei denen das Asylverfahren bereits läuft. Ebenfalls war Seehofer demnach bereit, Migranten, die in Griechenland oder Spanien registriert wurden, nicht zurückzuweisen. Mit diesen beiden Ländern ist bilateral vereinbart, dass sie solche Flüchtlinge zurücknehmen. Von beiden Parteien gab es eindringliche Appelle zum Kompromiss, aus der CDU auch an Merkel.
"In einer Demokratie muss man aufeinander zugehen. Das bedeutet für Frau Merkel, sie muss auf Herrn Seehofer zugehen, und für Herrn Seehofer, er muss auf Frau Merkel zugehen. Das erwarten die Abgeordneten von der Führungsspitze", sagte Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann bei n-tv. Der frühere CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich kann sich "selbstverständlich einen Kompromiss vorstellen". Im Deutschlandfunk wies er auf Seehofers Kompromissvorschlag hin. Nach Ansicht des früheren CSU-Parteichefs Erwin Huber gibt es für Seehofer keine Alternative zu einem Rücktritt. Dies sei "unausweichlich", sagte Huber dem Bayerischer Rundfunk. Ein Rücktritt Seehofers gefährde nicht die Koalition in Berlin.
Die Grünen zeigen sich für den Fall eines Bruchs zwischen CDU und CSU gesprächsbereit, aber skeptisch mit Blick auf eine Regierungsbeteiligung. "Falls wir in eine Situation geraten, wo diese Regierung nicht unsere Regierung ist, dann werden wir sehr verantwortungsvoll damit umgehen", sagte Parteichef Robert Habeck. Gesprächen würden die Grünen sich stellen, seien aber "extrem skeptisch", ob eine Regierung daraus werden könne, die einen Neustart verkörpere.
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Quelle: n-tv.de
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