Katastrophe über dem Golf: Warum schossen USA iranischen Airbus ab?

  03 Juli 2018    Gelesen: 1059
Katastrophe über dem Golf: Warum schossen USA iranischen Airbus ab?

Es ist eines der schlimmsten Unglücke in der Geschichte der Luftfahrt: Vor genau 30 Jahren, am 3. Juli 1988, schießt die US-Navy eine iranische Verkehrsmaschine über dem Persischen Golf ab. 290 Menschen sterben, darunter 66 Kinder. Die US-Regierung weist bis heute jede Schuld von sich.

Ein Airbus A300 der Fluggesellschaft Iran Air folgte am 3. Juli 1988 seiner vorgegebenen Route innerhalb eines internationalen Luftkorridors. Der von Teheran kommende Flug 688 sollte nach einer Zwischenlandung in Bandar Abbas – einem Flugplatz, den auch das iranische Militär nutzte – innerhalb von 30 Minuten den Persischen Golf überqueren und in Dubai landen.

In circa 4000 Metern Höhe schlugen zwei Flugabwehrraketen in den Passagierjet ein. Die Explosionen rissen das Flugzeug in Stücke, keiner der Menschen an Bord hatte eine Chance. Abgefeuert wurden die Abfangraketen von der „USS Vincennes“, einem im Persischen Golf stationierten US-Kreuzer. Laut einem Bericht, den die US-Regierung später verfassen wird, hatte die Schiffsbesatzung das ankommende Flugzeug als eine angreifende F-14 Tomcat der iranischen Armee identifiziert.

Die Flugzeugcrew habe auf die vielfache Aufforderung, den Kurs zu ändern, nicht reagiert, rechtfertigen sich die Marinesoldaten. Dass sie den iranischen Airbus, der übrigens über einen zivilen Transponder verfügte, auf einer Militärfrequenz anfunkten, die die Zivilmaschine nicht empfangen konnte, wird dabei gern verschwiegen.

Einschüchterungsaktion

Zu jenem Zeitpunkt standen der Iran und die USA am Rande eines Krieges:

„Die Lage in der Region war sehr angespannt. Die Schiffe der US-Navy patrouillierten in ständiger Gefechtsbereitschaft“, erklärt der Militärexperte Juri Ljamin. „In den letzten Monaten des Iran-Irak-Konflikts griffen amerikanische Schiffe häufig die iranische Marine an, versenkten mehrere Schnellboote und eine Ölplattform, beschädigten einen Zerstörer.“

Der Abschuss des iranischen Airbus sei deshalb eine bewusste Aktion gewesen. Die Amerikaner „wollten dem Iran zeigen, dass sie jedes Flugzeug, auch zivile Maschinen, abschießen werden, wenn sie sie für eine Bedrohung ihrer Schiffe halten. Das war ein zusätzliches Mittel, Druck auf die iranische Führung auszuüben“, sagt der Experte. „Nach der Katastrophe fürchtete Teheran einen massiven Konflikt mit den USA, was für die Entscheidung, den Krieg gegen den Irak zu beenden, maßgeblich war. Einen Krieg an zwei Fronten hätte der Iran nicht ausgehalten.“

Das Flugzeugunglück über dem Persischen Golf gilt als eine der blutigsten Episoden im langandauernden Konflikt zwischen Iran und Irak. Acht Jahre schon hatte der Krieg bis dato gedauert – mit schweren Verlusten auf beiden Seiten.

Der Raketenkreuzer „USS Vincennes“ war Teil eines US-Marineverbands, der ab Mitte 1988 im Persischen Golf patrouillierte, um Handelsrouten und Öltanker vor iranischen Angriffen zu schützen. Bewaffnet ist der Kreuzer mit Tomahawk-Raketen, schwerer Artillerie, Torpedos und den Flugabwehrraketen SM-2MR. Als Ortungs- und Feuerleitsystem dient das rechnergestützte Aegis-System.

Fehler sind nur schwer möglich

Ganz und gar ausschließen kann man es nicht, dass den US-amerikanischen Marinesoldaten damals ein Fehler unterlief. Es herrschte schließlich große Nervosität im Persischen Golf. Doch eigentlich ist es für einen erfahrenen Radaroffizier ein Leichtes, ein Flugzeug zu identifizieren, auch wenn weitere Informationen darüber nur unvollständig vorliegen.

„Gänzlich vermeiden lassen sich Fehler nicht, zumal im Kriegsgebiet. Trotzdem: Ein Passagierflugzeug mit einer Militärmaschine zu verwechseln – da machen sich die Amerikaner schon schuldig“, sagt der Militärexperte und Flugabwehrveteran Michail Chodarenok. „Ein wichtiges Detail in dieser Gemengelage ist, auf welcher Grundlage die Entscheidung getroffen wurde, das Flugzeug abzuschießen. Ein erfahrener Radaroffizier kann schon mittels eines 2D-Radars den Typ eines Luftfahrzeugs bestimmen und anhand der Höhe und Geschwindigkeit eindeutig erkennen, dass es kein Jagd-, sondern ein Passagierflugzeug ist.“

Außerdem hätten zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden können, um ganz sicher zu gehen, um welches Flugzeug es sich handelt: Es hätte ein Jagdflugzeug alarmiert werden können, dessen Pilot die unbekannte Maschine in der Luft hätte sichten können, erklärt der Experte. Der Kampfpilot hätte über eine internationale Frequenz Kontakt zur Flugzeugcrew aufnehmen können. „Nichts dergleichen passierte, obwohl den Amerikanern alle notwendigen Mittel zur Verfügung standen“, so der Fachmann.

Ehrenmedaillen für die Navy-Soldaten

Ein Verschulden der Besatzung der „USS Vincennes“ streitet die US-Führung bis heute ab. Keiner der Seeleute ist für den Abschuss des Passagierflugzeugs zur Rechenschaft gezogen worden. Mehr noch: Die Kreuzer-Besatzung wurde für die richtige und exakte Ausführung ihres Kampfauftrags mit Medaillen geehrt.

Den Angehörigen der verunglückten Airbus-Passagiere sprach das Weiße Haus sein Beileid aus. Jedoch rechtfertigte der damalige US-Präsident die Tötung von 300 Menschen als einen „notwendigen Verteidigungsschritt“. 1996 zahlten die USA den Hinterbliebenen dann doch eine Entschädigung in Höhe von rund 62 Millionen Dollar – im Gegenzug dafür, dass der Iran seine Klage gegen die Vereinigten Staaten beim Internationalen Gerichtshof zurücknimmt.

sputnik.de


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