Der Geburtsort eines Scheinheiligen

  25 Dezember 2015    Gelesen: 1112
Der Geburtsort eines Scheinheiligen
Die Welt hat den Stab über Ex-Fifa-Chef Joseph Blatter längst gebrochen. Doch an einem Ort ist Freundschaft stärker als alle Skandale. Ein Rundgang durch Visp, wo Blatter geboren wurde. Wo er einfach der Sepp ist.
VispIn der Fußgängerzone plärrt „Let it snow“ aus den Lautsprechern, die Schaufenster sind mit Krippen geschmückt. Viele Gebäude der Innenstadt scheinen aus den frühen 80er Jahren zu stammen und versprühen wenig Charme. Wer die Straßen Richtung des historischen Dorfkerns folgt, kommt auf dem Weg am kleinen Kaufplatz vorbei.

Dort steht ein blassgrün getünchtes Appertmenthaus, die Lamellen-Jalouise im ersten Stock ist herunter gelassen. Hier hat der wohl bekannteste Einwohner seine Privatwohnung: Sepp Blatter. Willkommen in Visp im Oberwallis, dem Geburtsort und Heimat des Fifa-Präsidenten. Hier wird er eher traurige Weihnachten bei seiner Tochter verbringen, die immer noch im Ort wohnt.

Denn 2015 war für Blatter ein Horror-Jahr. Seine Fifa ist in das Visier der US-Justiz geraten. In zwei Wellen verhaftete die Polizei in Zürich ranghohe Fifa-Funktionäre. Zunächst ließ sich Blatter im Frühjahr unbeirrt zum fünften Mal zum Fifa-Präsidenten wählen. Doch der Druck wurde zu groß und er stellte sein Amt im Juni zur Verfügung.

Doch es kam noch schlimmer: Seit September ermittelt offiziell die Schweizer Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue gegen Blatter. Daraufhin sperrte ihn die Fifa-Ethik-Kommission vorläufig für 90 Tage. Kurz vor dem Fest erfolgte der finale Knockout: Blatter bleibt für alle Aktivitäten im Fußball gesperrt – für acht Jahre – und darf daher nicht seinen Abschiedskongress Ende Februar leiten.

Die Welt hat den Stab über Blatter längst gebrochen. Doch hier in Visp ist Freundschaft stärker als Skandale. Ein Rundgang durch Blatters wohl letzte Bastion.

Der erste Lokaltermin führt zum Gemeindepräsidenten – dem Schweizer Pendant zum Bürgermeister - von Visp. Niklaus Furger hat sein Büro in einem schlichten Bau am St. Martiniplatz. Haben die Skandale Blatter in Visp zu einer persona non grata gemacht? Der joviale Lokalpolitiker winkt ab. „Hier ist er einfach der Sepp“, erzählt Furger, der allein von Amtswegen mit Blatter zu tun hat.

Denn der Gemeindepräsident Visps ist automatisch Präsident der Sepp-Blatter-Stiftung, die sowohl karitative wie sportliche Einrichtungen in der Region fördert. Was die Fifa im Großen unternimmt, macht Blatter mit seiner Stiftung quasi im Kleinen. In einer Ecke Furgers Büro hängt eine kleine blaue Fahne, auf der Blatter Furger zur Wiederwahl gratuliert.


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