Elfmeterschießen, Englands sechster Schütze legt sich den Ball zurecht. Elf kleine, hastige Schritte geht er rückwärts. Beim Pfiff des Schiedsrichters läuft er sofort los. Kein Durchatmen, kein Innehalten, keine Konzentrationsphase. Er wollte es hinter sich bringen. Dann der Fehlschuss, wenig später ist der Traum geplatzt: England scheitert wieder einmal in einer K.-o.-Runde, wieder mal im Elfmeterschießen.
Niemals wird Gareth Southgate diese halbe Minute seines Lebens vergessen.
Viel länger dauert die Szene nicht, und dennoch hat sie eigentlich nie geendet. Die rund 50 Meter von der Mittellinie zum Elfmeterpunkt, die kurze, hektische Vorbereitung und der Schuss. Etwa 60 weitere Sekunden später hat Andreas Möller bereits verwandelt. Deutschland gewinnt und zieht ins EM-Finale ein, wird dort den Titel gewinnen. "Das wird nie vergehen. Das ist etwas, womit ich für immer leben muss", sagt Southgate heute.
Jetzt aber, mit Southgate als Trainer, hat die englische Nationalmannschaft zum zweiten Mal in ihrer Geschichte ein Elfmeterschießen bei einem großen Turnier gewonnen, zum ersten Mal bei einer Weltmeisterschaft. Und viele der Aussagen Southgates zeigen, wie sehr dieser Erfolg auf diese halbe Minute in London zurückzuführen ist.
"Wir haben lange und intensiv über den Ablauf eines Elfmeterschießens geredet", sagte Southgate. "Wir hatten all ihre Elfmeterschützen analysiert. Du kriegst im Leben nicht immer das, was du verdienst, aber heute haben wir es bekommen." Alles war vorbereitet, fast einstudiert. Unter keinen Umständen sollte es ablaufen wie vor 22 Jahren.
Southgate hat sich diesem entscheidenden Moment seiner Karriere auch in einem Buch über seine aktive Karriere gewidmet. Erst nach dem Schlusspfiff habe Trainer Terry Venables ihn gefragt, ob Southgate schießen könne, sollte es zu einem sechsten Versuch kommen. Die Frage habe den Verteidiger "wie ein Blitz aus heiterem Himmel" getroffen, schreibt er.
Dem damaligen Co-Trainer Bryan Robson musste Southgate noch schnell versichern, dass er in seinem Leben schon mal einen Elfmeter geschossen hatte. Er verschwieg, dass es ein einziger Strafstoß war: ein vergebener Versuch drei Saisons zuvor für Crystal Palace. Und Minuten später war Southgate das Gesicht des englischen Scheiterns.
Seine Gedanken auf dem Weg zum Punkt ("Der Gang schien ewig zu dauern"), seine Nervosität, seine Unerfahrenheit - all das legt der heutige Coach in dem Buch eindrucksvoll dar. Er beschreibt, wie er sich sicher war, dass der deutsche Torwart Andreas Köpke seine Gedanken erraten konnte. Auch die fehlende Vorbereitung auf diese Situation und Southgates fehlende Erfahrung führten nach seinen Angaben zu dem Fehlschuss.
Niemals hätte Gareth Southgate zugelassen, dass sich eine solche Geschichte wiederholt.
spiegel
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