Es war die wohl ausführlichste Presserunde der vergangenen beiden Wochen in Wimbledon. In 26 Fragen gab Serena Williams am Donnerstagnachmittag Auskunft über den Zustand ihres Lebens. Die Amerikanerin sprach unter anderem über die Komplikationen bei der Geburt ihrer Tochter Alexis Olympia Ohanian Jr. Fast wäre untergegangen, dass für Williams noch das Tennisfinale von London gegen Angelique Kerber (15 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE; TV: ZDF uns Sky) ansteht.
Dabei ist sich die 36-jährige der Schwierigkeit ihrer Aufgabe durchaus bewusst. "Glaubt mir, ich weiß, dass sie gewinnen will," sagte Williams über Kerber und fügte an: "Aber das will ich auch. Ich gehe davon aus, dass es genau wie unser letztes Finale ein richtig Gutes wird."
Das Match vor zwei Jahren, das Williams 7:5 6:3 gewann, bot strategisch wie technisch hochklassiges Tennis. Viel spricht dafür, dass es in diesem Jahr eine Fortsetzung auf ähnlichem Niveau geben wird. Denn die Amerikanerin ist nicht nur die beste Spielerin der Geschichte. Sie wird vor allem bestens vorbereitet sein. Williams hat den gefährlichsten Aufschlag, sie schlägt mit Wucht. Aber Williams ist auch das, was im Tennis als Problemlöserin bezeichnet wird. Es gibt kaum eine Situation, auf die sie sich im Laufe eines Matches nicht einstellen kann.
Genau hier hat ihre Gegnerin Kerber in den vergangenen Monaten zugelegt. Die zurückhaltende 30-Jährige gibt selbst auf hartnäckige Nachfragen nicht viel Spezifisches zu ihrem Spiel preis. Trotzdem wird immer offensichtlicher, dass sie und ihr Coach Wim Fissette versuchen, Kerber auf dem Platz so facettenreich wie möglich aufzustellen.
Fitness als Vorteil
Schon am Anfang der Zusammenarbeit berichteten beide von einem Fokus auf die Fitness. Kerbers instinktive Beinarbeit ist immer eine ihrer großen Stärken gewesen. In der Saison 2016 war sie eine der fittesten Spielerinnen auf der Tour. So konnte Kerber zum Beispiel bei ihrem damaligen Australian-Open-Finalsieg gegen Serena Williams auch noch spät im dritten Satz vermeintlich verlorene Bälle nicht nur zurückspielen, sondern auch Richtung und Drall ändern.
Die Bedingungen der vergangenen beiden Wochen haben den Centre Court in Wimbledon langsam werden lassen. Das könnte ein Vorteil für die Deutsche sein. Lange Ballwechsel werden ihr wahrscheinlich weniger weh tun als Serena Williams. Die US-Amerikanerin weiß von Kerbers Stärken - und um ihre eigene fehlende Matchhärte im Vergleich zu vor zwei Jahren.
Deshalb wird Williams versuchen, das Match über den ersten Aufschlag zu entscheiden. Der machte im Halbfinale gegen Julia Görges den Unterschied zum Sieg - genau wie vor zwei Jahren gegen Kerber. Williams ist eine Meisterin darin, das Serve zu variieren und perfekt zu platzieren. Doch in Kerber trifft Williams auf die beste Returnspielerin des Turniers. Die Deutsche bekommt 88 Prozent der Returns ins Feld (bei Williams sind es 71 Prozent). Zudem hält sie ihre Rückschläge tief.
Kerber hat in ihren letzten Matches gezeigt, woran sie mit Fissette arbeitet: Sie tritt beim zweiten Aufschlag ihrer Gegnerin näher an die Grundlinie heran. Bisher hat Williams genau 50 Prozent der Punkte hinter dem zweiten Aufschlag gewonnen. Kerber hingegen holte sich 61 Prozent der Punkte gegen das zweite Serve ihrer Gegnerinnen. Gelingt ihr das auch gegen Williams, und nutzt sie weiter konsequent ihre Breakchancen, ist ein Sieg möglich.
Für ihren ersten Wimbledon-Sieg muss Kerber jedoch auch der Aufschlag gelingen. Auch hier hat sie sich technisch verbessert. Aber noch viel wichtiger: Kerber hat begonnen, zu variieren und gewinnt auf diese Weise noch mehr kurze Ballwechsel.
Ein Sieg gegen Williams in deren Königreich Wimbledon, dort wo die Amerikanerin bisher sieben Titel gewann, wäre immer noch eine Überraschung. Aber Dank der feinen Unterscheide ist er wahrscheinlicher als vor zwei Jahren.
spiegel
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