Freitag, der 13. war für Flüchtlinge und Migranten ein Glückstag. Zumindest, wenn man den neuen UN-Migrationsvertrag als Chance sieht, ihren oft beschwerlichen Weg von A nach B global besser zu regeln. Mit dem Papier, auf dessen Text sich die Vollversammlung der Vereinten Nationen am vergangenen Freitag geeinigt hatte, will die Weltgemeinschaft eines der drängendsten politischen Themen dieser Zeit anpacken. Unterzeichnet werden soll der "Global Compact for Migration" im Dezember in Marokko.
Die Frage ist nur: Was bringt der völkerrechtlich nicht bindende Vertrag wirklich? Wie viel Aufmerksamkeit wird ihm eine EU schenken, die sich erst vor Wochen auf eine verschärfte Migrationspolitik einigte? Oder eine Bundeskanzlerin Angela Merkel, deren Regierung im Asylstreit fast zerbrach und deren Innenminister Horst Seehofer wieder laut über nationale Alleingänge nachdenkt? Anderthalb Jahre brüteten Diplomaten über Details, der wohl größte Rückschlag dabei kam im Dezember: Die USA stiegen aus - wie zuvor aus manch anderen internationalen Verhandlungen. "Unsere Entscheidungen über Einwanderungspolitik müssen immer von Amerikanern und von Amerikanern allein getroffen werden", stellte deren UN-Botschafterin Nikki Haley klar. "Wir werden am besten entscheiden, wie wir unsere Grenzen kontrollieren und wem erlaubt wird, unser Land zu betreten."
Es wirkte, als habe jemand in einer Gruppendiskussion plötzlich den Raum verlassen und laut die Zimmertür zugeschlagen. Auch aus Ungarn, dessen Ministerpräsident Viktor Orban sein Land gegenüber Flüchtlingen und Migranten strikt abschotten will, waren kritische Töne zu hören. Das EU-Land will an diesem Mittwoch in einer Regierungssitzung entscheiden, ob es im Vertrag bleibt. Scheidet es aus, wären immer noch 191 von insgesamt 193 UN-Staaten vertreten.
Mexikos UN-Botschafter Juan José Gómez Camacho will sich von ein oder zwei Gegenspielern nicht aus der Bahn werfen lassen. Stärkster Punkt des Vertrages sei die Tatsache, dass er überhaupt existiert, sagt er. Zum ersten Mal in der Geschichte der UN werde das Thema Migration im Rundumblick erfasst, mit einem "360-Grad-Ansatz", wie Gómez Camacho sagt. "Es ist unmöglich, es nur aus nationaler Sicht zu behandeln." Mexiko und die Schweiz hatten die Vertragsgespräche geleitet und den Entwurf vorgelegt. Ohne völkerrechtliche Bindung kommt der 34 Seiten lange Vertrag jedoch zahnlos daher. Aber Gespräche für ein rechtlich bindendes Abkommen hätten viel länger gedauert, erklärt Gómez Camacho.
Bedenken bei "geteilter Verantwortung"
So war es etwa bei der UN-Konvention von 1990, die Rechte von Wanderarbeitnehmern und deren Familien schützen soll. Die Diskussionen liefen ab den 1970ern mit Entwürfen in den 80ern, unterzeichnet wurde 1990, in Kraft trat die Konvention 2003 (ratifiziert haben sie bis heute erst 52 Länder). Mit Blick auf diesen jahrelangen diplomatischen Dauerlauf waren die Gespräche zum Migrationspakt ein Kurzstreckensprint. Von den 23 Zielen, die der Vertrag festlegt, sind einige sehr allgemein gehalten: "Schwachstellen der Migration" sollen "angegangen und verringert", die "grenzüberschreitende Antwort auf Migrantenschmuggel" soll gestärkt werden.
Andere Punkte sind konkreter, etwa das Ziel, politische Richtlinien auf Grundlage "genauer und aufgeschlüsselter Daten" zu entwickeln. So auch die Absicht, "Sozialversicherungsansprüche und erworbene Versorgungsleistungen" von Land zu Land übertragbar zu machen. "Es ist kein Regelwerk, eher eine Reihe an Standards und ein Menü für positives Handeln", sagt Kathleen Newland vom Migration Policy Institute in Washington. Deutschland, das sich für die Rückführung bestimmter Migranten stark macht, könnte in Verhandlungen etwa der Punkt zur "Kooperation, um eine sichere und würdevolle Rückkehr und Wiederaufnahme" in Herkunftsländer nutzen, vermutet Newland.
Genau darin sieht Marta Foresti vom Overseas Development Institute in London ein Problem. Aus dieser "Einkaufsliste" würde sich jeder Staat das greifen, was ihm passt, anstatt über konkrete Vorschläge zu verhandeln. "So eine lange Liste zu haben, ist fast so schlimm, wie gar keine zu haben", schrieb Foresti im Februar.
Fast 260 Millionen Migranten gibt es nach UN-Angaben vom Dezember 2017 auf der Erde - rund 3,4 Prozent der Weltbevölkerung. Deutschland und andere EU-Länder hätten in der Migrationskrise 2016 eingesehen, dass sie bei dem Thema mit anderen Staaten kooperieren müssen, sagt Newland. Das spiegle der Text auch wieder, darin ist von "geteilter Verantwortung" sowie "gegenseitigem Vertrauen" die Rede. Dass er trotz der Bedenken von Ländern wie Großbritannien, Polen und Australien, die Migration kritisch bewerten, nun bereit zur Unterzeichnung ist, nennt Newland "bemerkenswert".
Quelle: n-tv.de
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