Unter ihrem Druck beginne ein Teil der europäischen Unternehmen, ihre Iran-Projekte stillzulegen, und erkläre, sich von dort zurückziehen zu wollen, sagte er im Interview mit dem Sputnik-Korrespondenten Nikolaj Jolkin. Dies wurde zu einer wirtschaftlichen und finanziellen Blokade des Iran führen. „Nun wurde als Gegengewicht dazu eine Art der Verfassung der Kaspiregion verabschiedet, mit der die regionale Zusammenarbeit von Russland, dem Iran, Kasachstan, Aserbaidschan und Turkmenistan gefestigt wird.“
Dies sei ein Signal für die ganze westliche Welt, urteilt der Experte, dass Russland und andere Anrainerstaaten des Kaspisees trotz beliebiger amerikanischer Sanktionen sich vom Iran nicht wegwenden. „Er bleibt ein wichtiger regionaler Akteur und wirtschaftlicher Partner für Russland und andere Länder der Region. Die Konvention bündelt alle Verträge, die von den fünf Anrainerstaaten vor 22 Jahren abgeschlossen worden sind.“
Kaspisee: Gemeinsames Gewässer, Boden vertraglich regeln
Die Konvention lege aber die Aufteilung der Erdöl- und Erdgasvorkommen nicht fest, so Pritschin. „Darüber muss sich jeder mit dem Nachbarn extra einigen. Doch die Konvention ermöglicht den Staaten, den optimalen Mechanismus der Aufteilung des Kaspischen Meers zu wählen. In ihr ist der Grundsatz des Kompromisses verankert, der bei der Lösung aller Territorialfragen prioritär ist. So können die Länder Gas- und Ölvorkommen auch gemeinsam erschließen.“
In der Konvention würden grenzübergreifende Projekte aufgezählt, fügt der Experte hinzu, „die in einem genau bestimmten und transparenten Verfahren unter allen fünf Staaten zu vereinbaren sind, um eine Beeinträchtigung der Umwelt zu verhindern. Dies gilt für den Fall, wenn das eine oder andere Land diese Projekte im Gewässer des Kaspisees bzw. in den anliegenden Flüssen umsetzen möchte und betrifft also etwa küstennahe Erdölraffinerien oder Talsperren an Flüssen, die in den Kaspisee einmünden, insbesondere auch beliebige Erdöl- und Erdgasrohrleitungsprojekte.“
Allerdings sei dafür wirtschaftlich und politisch gesehen der aktuelle Zeitpunkt nicht der günstigste, so die Einschätzung von Pritschin. „Im Moment kann man aber der russischen Diplomatie den maximalen ökologischen Schutz ähnlicher Projekte als Sieg anrechnen.“
Turkmenisches Gas für Europa?
Der Wirtschaftsexperte sehe auch kein ernsthaftes Projekt, welches von den Investoren mit ausreichenden finanziellen Ressourcen vorbereitet würde. Heutzutage hält er das turkmenische Gas-Projekt für Europa für zweifelhaft. „Es gibt natürlich die Ost-West-Pipeline auf dem Territorium Turkmenistans, die einen Teil seiner Vorkommen mit der Küste vom Kaspischen Meer verbindet. Man muss aber noch eine 300 Kilometer lange und recht teure Unterwassergasleitung im tiefen Teil des Meeres bauen sowie die Infrastruktur des südlichen Gaskorridors, also die Baku-Tiflis-Erzurum-Gaspipeline und weitere TANAP-TAP erweitern, die nicht für turkmenisches Gas bestimmt sind, sondern nur für das aus Aserbaidschan. Es sind große Kapitalinvestitionen erforderlich, die im Gaspreis enthalten werden.“
Vorläufig habe aber keiner die ökonomische Dimension des Projekts beleuchtet, so der Experte. Weder den Preis, zu dem Turkmenistan das Gas an seiner Grenze abzusetzen gedenke, noch seinen Endpreis an der Gasverteilstation im österreichischen Baumgarten. Auch sonst hat Turkmenistan nur bescheidene Reserven für eine Vergrößerung der Gasfördermengen, die nach den Lieferungen nach China übrigbleiben.“
Der Wirtschaftswissenschaftler fährt fort: „Diese Reserven würden aber nicht ausreichen, um das Land zu einem bedeutenden Akteur am europäischen Gasmarkt zu machen und die Kosten der Kaspi-Pipeline zu decken. Letztere muss sowieso mit einer ziemlich hohen Kapazität von bis 30 Milliarden Kubikmeter gebaut werden. Dazu sind aber neue Kapitalanlagen in der turkmenischen Gaswirtschaft notwendig. Dabei handelt es sich ebenfalls um langfristige Investitionen. Aber die Kaspi-Pipeline kann nicht einmal mittelfristig umgesetzt werden“, ist der Experte sicher.
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