Porsche 911 GT2 RS vs. Mclaren 720 S

  19 Auqust 2018    Gelesen: 1080
Porsche 911 GT2 RS vs. Mclaren 720 S

Mehr Supersportwagen als McLaren 720 S und Porsche 911 GT2 RS geht fast nicht. Aber kann man mit ihnen auch im Alltagsbetrieb fahren? Hier eine Annäherung an die beiden Athleten jenseits von Zehntelsekunden und Rennstrecken.

Der exotische Brite McLaren 720 S und der fast bodenständige Schwabe Porsche 911 GT2 RS (in dieser Ausführung fast noch exotischer) sind vermutlich das diesjährige Traumpaar sämtlicher Sportwagen-Fachmagazine. Über Renntracks gescheucht, zig Male aus hohen Geschwindigkeiten brutal heruntergebremst und über Slalomparcours gejagt, mussten sie beweisen, welche Performance ihnen die versiertesten Ingenieure eingeimpft haben. Doch ein bisschen wie beim Geländewagen gilt ja auch für den Supersportler: Vielen Kunden dürfte es reichen, sich erstens auf einsamen Autobahnen oder Landstraßen auszutoben und zweitens auf der Flaniermeile die Blicke der Passanten auf ihrer Seite zu haben.


Im Vergleich wurde die Rennstrecke gemieden, vielmehr sollte den beiden Performern dahingehend auf den Zahn gefühlt werden, ob man mit ihnen auch jenseits von Kurs und Messwerten klarkommen kann – und vor allem: Ob sie auch dann noch Spaß machen. Doch zunächst ein paar Eckdaten. Die Ingenieure des McLaren-Teams installieren ihren eigens entwickelten Vierliter-Flatplane-V8 in der Fahrzeugmitte. Flatplane bedeutet, dass die Kurbelwelle einen 180 Grad-Versatz aufweist – und das hat zur Folge, dass der Achtender nicht bollert, wie es viele Autofans von dieser Motorenart gewöhnt sind, sondern eher kehlig schreit, wenn man das Drehzahlband fleißig nutzt.

Zwei Turbolader helfen dabei, 720 PS aus dem hochgezüchteten Powerpack zu quetschen, die auf gerade mal 1,4 Tonnen Leergewicht treffen. Der GT2 RS schießt ähnlich scharf, aber auf eine völlig andere Art. Man nehme das klassische Elfer-Konzept mit Sechszylinder-Boxer im Heck und Hinterradantrieb, breche das Gewicht mit drastischen Leichtbau-Maßnahmen (hoher CFK-Anteil, Türschlaufen statt konventionelle Öffner sowie Verzicht auf Allrad) von 1,6 auf 1,5 Tonnen herunter und erhöhe die Leistung von den 580 Pferdchen eines etwaigen Turbo S auf 700 PS.

Porsche 911 GT2 RS


Starten wir mit dem Schwaben, der hier und heute ohne Weissach-Paket mit nochmaliger Gewichtsersparnis auskommen muss. Zum Listenpreis von schlappen 285.220 Euro (das Modell dürfte allerdings inzwischen vergriffen sein) gibt es einen raren Sammler-911 mit statischem Spoiler und vielen markanten Lufteinlässen. Damit dieser besondere Elfer auch ja erkannt wird bei nicht ganz so versierten Autofans, schreibt Porsche die Modellbezeichnung gut erkennbar auf die Tür-Unterseiten. Der Einstieg gelingt ohne akrobatischen Anspruch, man kommt selbst dann recht einfach in den Porsche, wenn die Vollschalensitze montiert sind. Es gibt auch die "aktiven Sportsitze" – dabei handelt es sich um recht konventionelle Stühle mit elektrischer 18-Wege-Verstellung. Daran merkt man: Nicht jeder Kunde möchte den ultimativen Track-Einsatz.

Motor mit Schlüsseldreh (auf der linken Seite) anlassen, Fahrstufe des obligatorischen Siebengang-Doppelkupplers in "D", und der Super-Elfer rollt auf leichtem Gaspedal-Druck an. Fährt bei zurückhaltendem Stil ziemlich gewöhnlich (abgesehen vom markanten Quietschen der Keramikscheiben), damit geht gefühlt auch einkaufen beim nächsten Supermarkt. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere: Man merkt schon akustisch, dass hier kein 911 von der Stange herumschnorchelt.

Den Motor mal kurz laufen lassen, während man draußen einen Plausch hält? Nee, sollte man unterlassen. Die Auspuffklappen-Taste in der Mittelkonsole braucht es eigentlich nicht, sie erzeugt nur eine eher störende Brummfrequenz im unteren Drehzahlbereich – ein GT2 mit laufendem Motor hält eine permanent massive Geräuschkulisse aufrecht. Er schnaubt lautstark im Leerlauf, sägt in der Teillast, schreit jenseits von 6000 Touren und sprotzelt herrlich, wenn man das Gaspedal lupft.

Doch pass’ bloß auf, wie Du mit dem rechten Pedal umgehst! Fahr’ am besten überhaupt nicht bei Nässe. Denn während beim gewöhnlichen Turbo vier Räder zupacken, muss es hier die Hinterachse alleine richten. Bei griffigem Asphalt schlagen sich die 325er-Walzen an der Hinterachse wacker, wenn die brachiale Gewalt des Boxers über sie herfällt. Einen Heckschwenk bei vollem Grip muss man schon provozieren, indem man bei geringen Geschwindigkeiten ordentlich Leistung einsetzt.

Stichwort Leistung: Wer sich ein bisschen an den GT2 RS gewöhnt hat, kann damit ballistisch schnell unterwegs sein – und das ohne den Anspruch zu erheben, sich den Nordschleifen-Rekorden namhafter Rennfahrer zu nähern. Die ausgeprägten Sitzwangen der Schalen sind schon ganz gut, um die menschliche Fracht in der Mittelbahn zu halten, wenn man etwas ambitionierter durch die Kehre witscht. Als klebe der Porsche auf der Fahrbahn, so sicher und problemlos durchläuft er Kurven aller Art. Danach geht es im brutalen Stil wieder auf Tempo. Wer es darauf anlegt, erreicht in unter neun Sekunden 200 Sachen – das ist schon ziemlich gutes Training für die Nackenmuskeln.

Umstieg in den McLaren

Man kann die Flügeltüren ja finden, wie man will – für den Showeffekt ist jedenfalls gesorgt. Ansonsten ist der 720 S, wenn man ihn mal als ziviles Topmodell bezeichnen möchte, eigentlich kein stilistischer Aufreißer. Er strahlt sogar ein bisschen Eleganz aus durch sein ruhiges, eher technisches Design. Dadurch wirkt er überdies kompakter, als er eigentlich ist – geradezu schmal, was de facto gar nicht zutrifft. Mit Außenspiegel misst er fast 2,20 Meter.

Einsteigen gelingt hier besser als bei manch anderen Supersportlern, die aus einem Karbon-Monocoque bestehen und den Weg ins Innenleben mit betont breiten Schwellern behindern. Man fühlt sich so ein bisschen wie in einer Lotus Elise, allerdings mit dem wohligen Gedanken bereits vor dem Losfahren, so richtig schön Hubraum im Rücken zu haben. Das Triebwerk sitzt ja tatsächlich im Rücken, es ist, als fahre man einen Motor mit etwas Wetterschutz drumherum. Machen wir uns also nichts vor, der 720 S ist ein Renntool, ein Spaßinstrument, ein Genussmittel – nicht unbedingt für den Alltag gebaut – aber eine Zeit lang im Alltag gut verdaulich. Schließlich erlaubt das Mittelmotor-Package 360 Liter Kofferraumvolumen, beim Porsche mit Heckmotor dürfen lediglich 150 Liter an Bord.

Start your Engine, der Vierliter erwacht mit einem Säuseln, gibt sich dezent, verbreitet seine Schallwellen mit Maß. Die Fahrstufe "D" legt man per Knopfdruck ein, für die Kraftübertragung sorgt ebenfalls ein Doppelkuppler. Schon auf den ersten Metern wird der konzeptionelle Unterschied der beiden Athleten sichtbar: Während der GT2 RS viel Brimborium um seine unfassbar schnelle Fortbewegung macht, liegen die Dinge beim 720 S anders. Er zoomt sich so brutal und schnell auf jedes gewünschte Tempo, aber legt dabei eine frappierende Lässigkeit an den Tag. Er beschleunigt quasi beiläufig.

Keine Effekthascherei


Richtig laut wird der Vierliter lediglich, wenn man das Drehzahlband voll ausreizt. Der Brite pfeift auf Effekt, verrichtet einfach seine Arbeit. Und die kann man mit den treffendsten Worten nur schwer beschreiben: In weniger als acht Sekunden meldet der Tempomesser 200 Sachen, wie renommierte Fachmagazine unlängst ermittelt haben – puh. Das sind handfeste Hypercar-Werte zum fast schon bodenständigen Grundpreis von 247.350 Euro. So teuer kann bei tiefem Griff in die Optionsliste auch ein wesentlich profaner daherrollendes S-Klasse Coupé werden.

Freilich kann der Über-Sportler auch quer in allen Facetten. Die unzähligen Verstellmöglichkeiten des Fahrwerks ignorieren wir an dieser Stelle und überlassen das den Track-Profis. Der englische Biturbo übertrumpft auf dem Rundkurs fast alles und pirscht sich an die performantesten Weltklasse-Athleten heran, feilscht mit ihnen um Bruchteile von Sekunden. Doch wir genießen die Landstraße, lassen den perfekt austarierten 720er durch Kehren wischen, bremsen mit der Keramikanlage wirkungsvoll herunter (der dann ausfahrende Airbrake-Flügel hilft mit) und beschleunigen anschließend, als seien die Gesetze der Physik kurzzeitig außer Kraft gesetzt. Macht riesige Freude – auch ohne Stoppuhr und Renndress.

Spannend und heftig


Damit keine Missverständnisse entstehen: Der 720 S wäre als Erstwagen eine Spur zu heftig. Schlicht zu unkomfortabel, auch wenn man ihn einen Tick einfacher entert als Konsorten wie Lotus Elise oder Alfa Romeo 4C. Und das Infotainment? Funktioniert klasse, inklusive schnell rechnendem Navi sowie intuitiv bedienbarer Klimaautomatik. Außerdem freut man sich über einen Tempomat, wenn man doch einmal in die Verlegenheit kommen sollte, längere Strecken zurückzulegen. Britische Eigner würden vermutlich keine Sekunde zögern, eine lange Reise mit dem Boliden zu unternehmen.

Und der Porsche? Der ist als GT2 RS alltagstauglich im Renngewand, ähnlich spannend und wohl noch exotischer als der 720 S – sofern man die Modellvariante berücksichtigt. Welchen Ausnahmesportler man am Ende nimmt, ist eine Charakter- und durchaus auch eine Geldfrage. Denn die Realpreise beim stärksten Elfer kratzen locker an der 400.000 Euro-Grenze. Da grinst der Mittelmotor-Fahrer und fährt winkend am GT2 RS vorbei.

Quelle: n-tv.de


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