Canberra (dpa) - In Australien steht schon wieder ein Premierminister vor dem politischen Aus. Der liberale Regierungschef Malcolm Turnbull hat nach einer Revolte innerhalb seiner eigenen Partei kaum noch Chancen, sein Amt zu behalten. Die Entscheidung fällt möglicherweise an diesem Freitag in einer neuen Kampfabstimmung. In den vergangenen zehn Jahren hat kein einziger australischer Premierminister mehr eine volle Amtszeit durchgehalten.
Turnbull regiert das Land seit September 2015. Angesichts von schlechten Umfragewerten und einer verlorenen Nachwahl hat der 63-Jährige intern immer weniger Rückhalt. Den möglicherweise entscheidenden Schlag versetzten ihm am Donnerstag drei prominente Minister, die gemeinsam ihren Abschied aus dem Kabinett bekanntgaben. Damit hat Turnbull in seiner Fraktion offenbar keine Mehrheit mehr.
Auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz lehnte der ehemalige Anwalt und Investmentbanker einen sofortigen Rücktritt ab. Turnbull erklärte sich jedoch bereit, am Freitag eine Sondersitzung der Fraktion einzuberufen. Dann könnte es zu einer neuen Kampfabstimmung um den Posten des Partei- und Regierungschefs kommen. Zur Voraussetzung machte Turnbull jedoch, dass eine Mehrheit der Abgeordneten seiner Partei eine solche Sondersitzung verlangt.
Die meisten Beobachter sehen für den Premier inzwischen kaum noch eine Chance, dass er seinen Posten behält. Falls es eine Kampfabstimmung gibt, will Turnbull gar nicht mehr antreten. Ziel ist offensichtlich nur noch, seinen parteiinternen Gegenspieler Peter Dutton zu verhindern. Am Dienstag hatte Turnbull gegen seinen bisherigen Innenminister eine Kampfabstimmung noch gewonnen. Der Sieg fiel mit 48 zu 35 Stimmen aber zu knapp aus, um die Revolte beenden zu können.
Dutton ist der Mann des konservativen Flügels. Er gilt auch als Gesicht von Australiens harter Linie gegenüber Flüchtlingen und anderen unwillkommenen Einwanderern. Der Ex-Polizist lässt keinen Zweifel daran, dass er Regierungschef werden will.
Als möglicher Gegenkandidat gilt Partei-Schatzmeister Scott Morrison. Der 50-Jährige wird im liberaleren Flügel der Partei verortet. Nach Medienberichten denkt aber auch Außenministerin Julie Bishop (62) darüber nach, ins Rennen zu gehen.
In Australien wird der Premierminister nicht direkt durchs Volk gewählt. Das Amt hat traditionell der Vorsitzende der Partei inne, die die Regierung führt. Der Regierungschef kann seinen Posten deshalb auch durch eine parteiinterne Vertrauensabstimmung verlieren.
Die Liberalen regieren in der Hauptstadt Canberra zusammen mit der Nationalen Partei. Das Bündnis hat nur eine Stimme Mehrheit. In allen Umfragen liegt derzeit die Labor-Opposition vorn. Oppositionsführer Bill Shorten macht sich Hoffnungen, in nicht allzu ferner Zeit die Regierung übernehmen zu können. Spätestens im Mai 2019 muss gewählt werden. Shorten sagte am Donnerstag, das Land habe «keine funktionsfähige Regierung mehr».
Für Turnbull bedeutete der Rücktritt von drei weiteren Ministern auch eine persönliche Enttäuschung. Darunter ist auch Finanzminister Mathias Cormann, der aus einer Familie mit deutschen Wurzeln kommt. Cormann sagte, Turnbull habe «nicht mehr die Unterstützung der Mehrheit seiner Fraktion». Der Premier selbst von einem «gezielten Versuch, die Liberale Partei nach rechts zu rücken».
Als Hintermann der Revolte gilt der frühere Premierminister Tony Abbott, den Turnbull vor drei Jahren selbst aus dem Amt gedrängt hatte. Seit 2007 wurden Regierungschefs - egal ob von links oder rechts - durch parteiinterne Revolten gestürzt.
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