Deutscher Experte: Südkaukasus wird Teil der chinesischen Strategie ``Ein Gürtel, eine Straße`` 

  01 September 2018    Gelesen: 2126
Deutscher Experte: Südkaukasus wird Teil der chinesischen Strategie ``Ein Gürtel, eine Straße`` 

Die US-Sanktionen gegen Russland, China, die Türkei und den Iran haben nicht nur diesen Ländern, sondern auch ihren Handelspartnern, insbesondere der Europäischen Union, Schaden zugefügt. Viele Kräfte in der EU sind mit der derzeitigen Situation unzufrieden. So rief Deutschland Europa auf, auf die Sanktionspolitik der USA zu reagieren, und der französische Präsident befürwortete eine strategische Partnerschaft der Europäischen Union mit der Türkei und Russland. Kurzfristig wird es für Europa jedoch schwierig werden, von den US-Abhängigkeit loszukommen. Sie kann sich ihren Sanktionen nicht offen widersetzen, sagt Stefan Meister, Leiter des Zentrums für Studium Mittel- und Osteuropas, Russlands und Zentralasiens der Deutschen Gesellschaft für Außenpolitik (DGAP). In einem Interview mit Eurasia.Expert berichtete der Analyst über die Wahrscheinlichkeit der Vereinigung der EU und anderer Länder gegen die USA, welche Konsequenzen die Sanktionen für die Nord Stream-2-Gaspipeline haben werden und welche Bedeutung der Südkaukasus und Zentralasien für die EU haben, teilt AzVision mit.

- Herr Meister, der deutsche Außenminister Heiko Maas sagte, die US-Sanktionspolitik zwinge die EU dazu, auf Washingtons Handlungen zu reagieren. Warum hat Deutschland eine solche Erklärung abgegeben?

Dies ist eine Reaktion auf die zunehmend kontraproduktive US-Politik gegenüber Russland, der Türkei und China, die wichtige Handelspartner Deutschlands sind. Deutsche Eliten glauben, dass die neuen Sanktionen ihre Beziehungen zu diesen Ländern verschlechtern werden. Darüber hinaus wurden die jüngsten Sanktionen der USA ohne Vereinbarung mit der Europäischen Union angenommen. Sie wirken sich zunehmend auf den Handel Deutschlands und der Europäischen Union insgesamt aus und können sich auch auf die Durchführung von Energieprojekten wie Nord Stream 2 auswirken. Ihr Ergebnis ist kein Kompromiss mit Russland, stattdessen machen Sanktionen die Positionen jener Länder, gegen die sie gerichtet sind, härter und noch aggressiver.

Ich denke, die Aussage von Heiko Maas bestand im Wesentlichen darin, dass wir selbst entscheiden müssen, was in unserem Interesse liegt, und dass wir unabhängig von US-Entscheidungen sowohl im Bereich des Handels als auch in Zukunft im Bereich der Sicherheit sind.

"Maas sagte auch, dass er eine neue Strategie für die Außenpolitik gegenüber den Vereinigten Staaten vorstellen wird und dass es an der Zeit ist, die transatlantische Partnerschaft neu zu bewerten. Wie werden sich die Beziehungen zwischen den Staaten und der Europäischen Union entwickeln? Werden sich die deutsch-amerikanischen Beziehungen verschlechtern?

Wir müssen verstehen, dass die Abhängigkeit von den USA im Bereich der Wirtschaft und Sicherheit sehr hoch ist, und dies wird kurz- und mittelfristig bleiben. Diese Abhängigkeit verringert den Handlungsspielraum für Deutschland und die Europäische Union. Aber in Bezug auf Werte und Prinzipien sind wir immer noch viel näher an den Vereinigten Staaten als an Russland und der Türkei, aber bei Trump kann sich das auch ändern. Kurzfristig wird es extrem schwierig sein, von den US-Abhängigkeit loszukommen.

Amerikas Ziel ist es, weniger für die Sicherheit Europas zu zahlen. Darüber hinaus werden die USA nach und nach ihre außenpolitischen Prioritäten auf China und Asien verlagern.Ich denke, Deutschland und Europa brauchen eine Politik, die unabhängiger wäre. Wir müssen unseren Handel diversifizieren, in unsere eigene Sicherheit investieren, in die Energieunabhängigkeit. Und die Verschlechterung der amerikanisch-deutschen Beziehungen ist eine Tatsache. Der Trumps Aussage muss eine Änderung der Politik folgen. Deutschland und die Europäische Union brauchen große Ressourcen, um souveräner und unabhängiger von den USA zu werden. 

-Wird Europa der Trumps Erklärung über die Notwendigkeit, auf die Sanktionen der USA zu reagieren, zuhören?

- Europa und Deutschland werden die amerikanischen Sanktionen nicht unterstützen. Da wir aber vom Handel mit den USA abhängig sind, werden wir diese Sanktionen nicht ablehnen.

Daher denke ich, dass dies eher eine verbale, rhetorische Reaktion ist. Ich glaube nicht, dass sich unsere Politik radikal ändern wird. Es wird mehr Verhandlungen mit Russland darüber geben, wie auf diese Sanktionen reagiert werden und wie der Handel verbessert werden kann. Wir werden uns an unsere eigene Sanktionen halten, aber keine amerikanischen.

- Wie werden die amerikanischen Sanktionen gegen Russland, China und die Türkei diese Länder und Europa beeinflussen?

- Ich denke, im Moment geht es hauptsächlich um China und Russland. Besonders Sanktionen werden sich auf Russland, auf die Finanzierung von Geschäftsprojekten, Investitionen und Handel. auswirken. In China werden sie die Wirtschaft beeinflussen und auch den Handel Deutschlands mit den USA und China beeinflussen. Aber das Geschäft wird einen Ausweg finden, Unternehmen werden in der Lage sein, ihre Verluste auf Kosten des Welthandels auszugleichen.
In einigen Bereichen ist es sogar möglich, die Beziehungen der EU zu China und Russland zu verbessern.

- Glauben Sie, dass Deutschland, die Türkei, Russland, Iran und China sich vereinigen und irgendwelche wirtschaftlichen Maßnahmen gegen die USA ergreifen werden?

- Nein, ich denke nicht. Wie gesagt, Deutschlands Handel mit den USA ist so wichtig, dass kein Unternehmen ihn wegen Iran oder Russland gefährden wird. Und China ist auf einer ganz anderen Ebene als die Türkei, Russland, Iran und sogar Deutschland. Ich denke, dies ist ein wechselseitiger Konflikt zwischen zwei Hauptkräften - den USA und China, und letzterer hat genug Gründe, die USA herauszufordern.Die USA schulden China viel, so dass die Abhängigkeit sehr groß ist. Die Türkei, Russland und der Iran sind alle auf völlig unterschiedlichen Ebenen und ich denke, dass sie sich nicht gegen die USA vereinigen können, weil sie in anderen Bereichen gegensätzliche Interessen haben. Meiner Meinung nach sind gemeinsame Interessen nicht stark genug, um gemeinsam gegen die Vereinigten Staaten vorzugehen.

- Der französische Präsident Emmanuel Macron betonte die Notwendigkeit, eine strategische Partnerschaft zwischen Europa und Russland und der Türkei aufzubauen. Ist das Ihrer Meinung nach eine ernsthafte Absicht?

"Jede strategische Partnerschaft der EU oder Russlands basiert derzeit auf den Interessen beider Seiten, und ich denke nicht, dass sich dies ändern wird. Die Türkei, Russland und die EU-Mitgliedstaaten haben ihre eigenen sich durchkreuzenden und konkurrierenden Interessen, und ich sehe nicht die Grundlage für eine "strategische Partnerschaft". Macrons Aussage sind für mich leere Worte, ich sehe den politischen Kurs dahinter nicht.

- Frankreich und Deutschland unterstützen Trumps Sanktionen nicht. Werden diese Länder Ihrer Meinung nach engere Beziehungen zu Russland, China und der Türkei entwickeln?

- Frankreich und Deutschland werden sich den amerikanischen Sanktionen nicht anschließen. Wir sehen, dass China in unsere Technologie in unseren Märkten investiert hat und allmählich zu einem immer wichtigeren Akteur im Spiel wird. Ich denke, Europa braucht eine gute Politik gegenüber China, der Türkei und Russland. Aber es wird Zusammenarbeit in bestimmten Bereichen sein, basierend auf den Interessen der Parteien. Auch in anderen Bereichen wird es Kooperationen mit den USA geben. Aber ich sehe keine Möglichkeit einer strategischen Partnerschaft gegen die USA, wegen der oben erwähnten Abhängigkeit. Ich glaube nicht an das Prinzip "Im Falle eines Konflikts mit einem Spieler wirst du mit einem anderen Spieler kooperieren". Ich denke, alles hängt vom Bereich der Zusammenarbeit ab und davon, ob die Parteien genügend gemeinsame Interessen haben. 

- Herr Meister, Bundeskanzlerin Angela Merkel hat kürzlich ihre dreitägige Reise in den Südkaukasus abgeschlossen. Wie hat diese Region Deutschland angezogen?

- Der Südkaukasus wird für Deutschland und die Europäische Union seit langem immer wichtiger. Es ist äußerst wichtig, während des Konflikts mit Russland, der Krise im Nahen Osten und der türkischen Krise in der Region präsent zu sein. All diese Ereignisse entfalten sich in den Nachbarländern dieser Region. Die Schlüsselthemen für Deutschland sind Sicherheit, Energie und Migration. Der Besuch von Angela Merkel im Südkaukasus ist eine Antwort auf die strategischen Veränderungen der geopolitischen Bedeutung der Region und der Situation in dieser Region.

- Warum besucht Merkel Ihrer Meinung nach nicht Zentralasien? Ist das auf die starke Präsenz von Russland und China in der Region zurückzuführen?

Das ist nicht so. Tatsächlich werden auch Reisen nach Zentralasien durchgeführt, aber im Moment sei es für Deutschland Südkaukasus wichtiger. Es ist viel näher an der EU und besonders wichtig im Zusammenhang mit Migrationsfragen, in denen Deutschland spezifische Bedürfnisse hat. Wichtig sind auch Energie- und Transitfragen. Ich denke, dass sich diese Region in dieser Hinsicht von den zentralasiatischen unterscheidet. Wir haben konkrete Projekte mit Aserbaidschan und Georgien. Das Abkommen über den rechtlichen Status des Kaspischen Meeres gibt uns die Möglichkeit, Gasprojekte mit Turkmenistan durchzuführen. Die Reise in den Südkaukasus war wegen der Gasreserven in der Region wichtig und auch eine Reaktion auf die Intensivierung der Aktivitäten von China und Russland. Wir sehen, dass der Südkaukasus Teil der chinesischen Strategie "„Ein Gürtel, eine Straße“ wird, die sich auf die Europäische Union auswirkt.

- Wie schätzen Sie die Beziehungen Deutschlands zu den zentralasiatischen Staaten ein? Warum sind sie wichtig für Deutschland?

- Die zentralasiatischen Länder haben im Rahmen der chinesischen Initiative "Ein Gürtel, eine Straße", der Eurasischen Wirtschaftsunion sowie aus geopolitischer und sicherheitspolitischer Sicht große Bedeutung erlangt. In diesem Jahr wurde die Erörterung der EU-Strategie für Zentralasien abgeschlossen. Darüber hinaus wurde eine neue Verbundenheitsstrategie mit der Europäischen Union entwickelt, und Deutschland war einer der Hauptantriebskräfte in beiden Projekten.

Die wichtigste Frage ist nun, wer in den nächsten zehn Jahren die Normen und Standards in der eurasischen Region bestimmen wird: Wird es China oder die Europäische Union sein und welche Auswirkungen wird dies auf die Rolle der EU als globaler Akteur haben? Der Kampf um Eurasien ist extrem wichtig für die Zukunft Europas.

Adil Shamiyev


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