Es sieht mal wieder alles so klar aus: Donald Trump steckt in der Krise, Amerikas (liberale) Medien berichten rund um die Uhr über das neue Buch von Bob Woodward und das Chaos im Weißen Haus. Sogar Ex-Präsident Barack Obama attackiert seinen Nachfolger.
Bei den wichtigen Midterm-Wahlen droht Trump und seinen Republikanern also ein Desaster. Die Demokraten könnten mindestens das Repräsentantenhaus erobern, vielleicht sogar den Senat. So lautet die allgemeine Lesart.
Tatsächlich spricht viel dafür: Die Stimmung in den Umfragen, in denen die Republikaner fast 14 Prozent hinter den Demokraten liegen. Die geschichtliche Erfahrung, die lehrt, dass die Partei, die den Präsidenten stellt, bei Zwischenwahlen meist von den Wählern abgestraft wird. Die extrem hohe Motivation bei den demokratischen Kandidaten und Anhängern, die Trump unbedingt einen Denkzettel verpassen wollen.
Aber ist die Sache wirklich so einfach? Ist Trump schon geschlagen? - Wie immer im Trump-Zeitalter ist es ratsam, sich eine gehörige Portion Skepsis zu bewahren. Das Risiko, dass es für die Demokraten ganz anders kommt und Trump und die Republikaner am 6. November gewinnen, ist nicht gebannt.
Trump und seine Strategen versuchen, ihre derzeitige Schwäche in den letzten Wochen vor der Wahl in eine Stärke zu verwandeln. Indem sie das Woodward-Buchund die Berichte über eine anonyme Widerstandsgruppe in der Regierung als weitere Versuche brandmarken, den Präsidenten zu stürzen, wollen sie ihre Basis motivieren, zur Wahl zu gehen.
Alles dreht sich um die Wahlbeteiligung: Sie liegt in den USA gerade bei Midterm-Wahlen sehr niedrig, bei etwa 40 Prozent. Umso mehr der 6. November zu einer Abstimmung über Trump wird, desto mehr Wähler könnten auf der Seite der Demokraten an die Urnen strömen und ihren Kongress-Kandidaten wichtige Punkte verschaffen. Das Gleiche gilt aber eben auch für Trumps Anhänger. Wenn sie in Massen wählen gehen, um "ihren Präsidenten" zu schützen, kann es für die Opposition eng werden.
spiegel
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