Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) hat in Syrien, Irak und Libyen in mehreren Städten die offiziellen Behörden übernommen. Dabei sollen die Extremisten Zehntausende echte Passdokumente sowie Maschinen zur Produktion von Ausweisdokumenten erbeutet haben. Bereits im März war berichtet worden, dass der IS im ostsyrischen Rakka an rund 3.800 syrische Blankoreisepässe gelangt ist. Die EU-Grenzschutzbehörde Frontex warnt deswegen vor einem erhöhten Sicherheitsrisiko.
Aus Sicht des SPD-Innenexperten Burkhard Lischka machen die erbeuteten syrischen Pässe deutlich, wie wichtig "ab sofort eine Einzelfallprüfung auch der geflohenen Menschen aus Syrien durch deutsche Behörden" sei. Aufgabe der europäischen Sicherheitsbehörden sei es zudem, "möglichst schnell die Seriennummern der gestohlenen Pässe zu ermitteln", sagte er ebenfalls den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
"Dies ist staatsgefährdend"
Nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) sind in den vergangenen Monaten nur ein Bruchteil der Einreisenden erkennungsdienstlich anhand von Fingerabdrücken erfasst worden. Wie die Zeitung Die Welt berichtet, geht der DPolG-Vorsitzende Rainer Wendt davon aus, dass dies bei Zehntausenden in Deutschland bis heute noch nicht nachgeholt wurde.
Die Bundespolizei sei "nicht in der Lage, den ihr obliegenden Auftrag der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung an der deutsch-österreichischen Grenze in der gesetzlich gebotenen Weise wahrzunehmen", zitiert die Zeitung zudem aus einem Brief des GdP-Vizevorsitzenden Jörg Radek von Anfang Dezember an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Da die Bundespolizei mehrheitlich nicht wisse, wer einreise, werde unter anderem das "Sammeln von Hinweisen auf Ausnutzung der Flüchtlingsströme durch Terrorkommandos vereitelt". Die zuständige Grenzpolizei erfahre "in Hunderttausenden Fällen" nicht, "wer unter welchem Namen und aus welchem Grunde einreist". Das sei mit Blick auf die Gewährleistung der inneren Sicherheit "staatsgefährdend", schreibt Radek.
Diese Bedenken stießen bei Bundesinnenminister Thomas de Maizière auf Gehör – Anfang Dezember drängte der CDU-Politiker die Bundesländer, die Einzelfallprüfung auch für syrische Flüchtlinge wieder einzuführen. Diese war im November 2014 vom Bundesamt für Migration ausgesetzt worden – auch um die Behörde zu entlasten. Seitdem gilt für syrische Asylbewerber in Deutschland ein vereinfachtes Verfahren. Die Betroffenen werden nicht persönlich angehört, müssen lediglich in einem Fragebogen ihre Fluchtgründe darlegen und bekommen am Ende fast alle den Flüchtlingsstatus zuerkannt.
Steinmeier versus Altmaier
Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) arbeitet derweil mit seinem österreichischen Kollegen Josef Ostermayer an einem Vorschlag für ein gemeinsames europäisches Asylrecht. Nach der Verabschiedung der EU-Liste mit sicheren Herkunftsländern gehe es nun um eine dauerhafte Lastenteilung und um die Kriterien für die Gewährung von Asyl, sagte er dem Focus mit Blick auf den vergangenen EU-Gipfel, wo sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union zwar auf einen gemeinsamen Grenz- und Küstenschutz geeinigt haben, in puncto Verteilung der Migranten aber weiter zerstritten sind.
Altmeiers Kabinettskollege Frank-Walter Steinmeier will diesen Streit notfalls vor Gericht klären – und sorgt damit für Zwist innerhalb der Regierung. "Europa ist eine Rechtsgemeinschaft", sagte er dem Spiegel. "Und wenn es nicht anders geht, werden die Dinge eben auf den dafür vorgesehenen Wegen juristisch geklärt. Das ist nicht schön, aber dann muss es eben sein." Europäische Solidarität sei "keine Einbahnstraße", sagte der SPD-Politiker vor allem mit Blick auf die osteuropäischen Mitgliedsstaaten, von denen sich viele der Aufnahme von Flüchtlingen konsequent verweigern. Altmaier in seiner Funktion als Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung kontert im Focus: "Ich habe immer dafür geworben, dass man in der EU nicht droht, sich erpresst oder Handtaschen auf den Tisch stellt."
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