Warum USA erstmals nach Kaltem Krieg Russland mit Raketenangriff drohen

  03 Oktober 2018    Gelesen: 1047
Warum USA erstmals nach Kaltem Krieg Russland mit Raketenangriff drohen

Die US-Botschafterin bei der Nato, Kay Bailey Hutchison, heizt die Kriegstreiberei an, schreibt „vz.ru“. Die 75 Jahre alte US-Diplomatin drohte: Die USA werden die von Russland entwickelten Raketen vernichten, die angeblich gegen den INF-Vertrag verstoßen. Wie stellt sich Hutchison diese Vernichtung vor und wohin kann eine solche Drohung führen?

Die US-Diplomatin gab zu verstehen, dass die Vereinigten Staaten bereit sind, im Falle der weiteren Entwicklung der Mittelstreckenraketen einen Militärschlag zu versetzen. „Wir werden die Möglichkeit erörtern, die Rakete zu vernichten, die jedes unserer verbündeten Länder treffen könnte“, zitiert Reuters die US-Diplomatin.

Russland solle seine geheimen Entwicklungen der verbotenen Marschflugkörper stoppen, sonst würden die USA danach streben, sie zu vernichten, bevor sie fertig sind, sagte Hutchison am Dienstag.

Hutchison zufolge versuchen die USA seit mehreren Jahren, Russland deutlich zu machen, dass es gegen den INF-Vertrag verstößt.

Wie die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, daraufhin mitteilte, begreift die Nato nicht das Maß ihrer Verantwortung und die Gefahr ihrer aggressiven Rhetorik.

„Es entsteht der Eindruck, dass Menschen, die solche Verkündigungen machen, nicht das Maß ihrer Verantwortung und die Gefahr der aggressiven Rhetorik begreifen. Wer beauftragte diese Frau mit solchen Äußerungen? Das amerikanische Volk? Sind die Einwohner der USA sich im Klaren darüber, dass die aus ihren Taschen bezahlten so genannten Diplomaten sich aggressiv und destruktiv benehmen?“, sagte Sacharowa.

Ihr zufolge sollte sich die US-Diplomatie bemühen, die Folgen ihrer Fehler zu beheben. „Was das Wesen dieser Frage betrifft, werden unsere Militärexperten eine umfassende Antwort geben“, so Sacharowa.

„Unter modernen Bedingungen verhalten sich US-Vertreter so, dass andere gar keine Paranoiker sein müssen – sie verstehen sehr gut, mit wem sie es zu tun haben“, sagte der Europa-Experte Timofej Bordatschow. „Ich denke nicht, dass es für Russland ein Problem ist, adäquate technische Lösungen vorzulegen, und die US-Militärs wissen darüber Bescheid. Anscheinend wird das Niveau der Überzeugung, dass ein großer Krieg unmöglich ist, zum Faktor der Drohung. Auf der anderen Seite zeigt das, inwieweit die Nato jetzt eine nicht ernsthafte Plattform ist“, so der Experte.

Laut dem russischen Experten Alexej Arbatow meinte die US-Diplomatin tatsächlich einen Militärschlag gegen Russland, doch nur im Falle, wenn ohnehin ein großer Krieg begonnen hätte.

„Hutchison brauchte sehr viel Zeit, um zu sagen: Wir bemühen uns, Russland davon zu überzeugen, den Vertrag nicht zu verletzen, diese Raketen ‚wegzunehmen ‘; wir rechnen mit unseren Nato-Verbündeten, doch wir wollen nicht aus dem INF-Vertrag aussteigen. Sie machte ganze Tiraden. Danach fragte ein Journalist: Was heißt Rakete wegnehmen? Wollen Sie sie davon überzeugen, sie aus dem Dienst zu nehmen oder sie physisch wegnehmen, also einen Schlag versetzen? Sie sagte, natürlich aus dem Dienst nehmen, sonst würden wir solche Systeme entwickeln, die im Falle eines Kriegs imstande sein werden, diese Systeme abzuschaffen“, so der Experte.

Arbatow machte dabei darauf aufmerksam, dass Hutchison das Wort „take out“ nutzte, was nicht „vernichten“, sondern eher „abschaffen“, „neutralisieren“ bedeutet.

Zuvor hatte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärt, dass die Nato die Schaffung des Marschflugkörpers 9M729 durch Russland als Verstoß gegen den INF-Vertrag bezeichnet.

Allerdings sei die Tirade der US-Diplomatin ein alarmierendes Signal, so Arbatow. „Schrecklich ist, dass vor unseren Augen das System der Rüstungskontrolle zerfällt. Das erste Opfer könnte der INF-Vertrag sein. Das ist sehr gefährlich und schlecht. Dabei wird sich Russland in einer schlechteren Lage erweisen als die USA. US-Mittelstreckenraketen aus Europa und Asien werden das ganze Territorium Russlands decken und unsere Mittelstreckenraketen nicht die USA decken, außer vielleicht Alaska. Deswegen ist es für uns natürlich wichtig, diesen Vertrag beizubehalten, doch die Seiten zeigten keinen guten Willen, um gegenseitige Verdächtigungen zu beseitigen“, so der Experte.

Der Militärexperte Viktor Litowkin ist aber nicht dieser Meinung. Ihm zufolge sind an der jetzigen Situation nur die Amerikaner schuld:

„Mit diesen Verkündigungen versuchen die USA, eigene Verstöße gegen den INF-Vertrag zu vertuschen. Im Militäretat 2019 stellten sie das Geld für die Entwicklung eines Marschflugkörpers bereit, der 500 bis 5500 Kilometer weit fliegen kann. Zu sagen, dass die Amerikaner Schläge gegen russische Raketen versetzen werden, heißt, absolut inadäquat zu sein. Solche Menschen müssen ihre Ämter verlassen. Doch ähnliche Verkündigungen kommen auch vom Innenminister der USA. Die Menschen leben wohl auf einem anderen Planeten und stellen sich nicht vor, was Russland ist. Man sollte nicht auf jedes Gebell reagieren“, sagte der Experte gegenüber RT.

Der Professor für Politologie der University of Tennessee, Andrej Korobkow, meint, dass Hutchison tatsächlich das sagte, was sie sagen wollte, doch ihre Rhetorik sei ein Bluff, verbunden mit den kommenden Kongresswahlen im November.

„Jetzt ist eine sehr spezifische Periode – alle US-Politiker, auch derPräsident selbst und seine Anhänger und Opponenten, zeigen ihre Entschlossenheit und ihren Mut“, sagte er.

„Wahrscheinlich wird sich alles nach den Wahlen beruhigen. Doch bis zu den Wahlen ist die Verschärfung der Rhetorik zu erwarten, das ist wohl nicht die letzte Erklärung dieser Art. Die 75-jährige Hutchison war selbst Senatorin von Texas, sie gehört zum konservativen Flügel der Republikanischen Partei“, so der Experte.

Korobkow zufolge entspricht ihre Rhetorik den Stimmungen der Elite, die den INF-Vertrag revidieren bzw. auf ihn verzichten will.

„Es entsteht ein sehr merkwürdiger Eindruck von dieser Phrase“, meint der USA-Experte Dmitri Drobnizki. „Es wurde gesagt, dass die Rakete abgeschafft wird, bevor sie fertiggestellt wird. Also es handelt sich nicht um Raketenabwehr, sondern um einen präventiven Schlag, was allerdings nicht so direkt gesagt wurde“, so Drobnizki.

„Es handelt sich entweder einfach um ein neues Niveau der Sabotage des amtierenden Präsidenten, den Wunsch, gegen ihn eine negative Informationswelle auszulösen, oder um die Widerspiegelung der trüben Tatsache, dass man über solche schrecklichen Sachen wie einen Schlag gegen eine Atommacht nun sehr leicht spricht“, so der Experte.

„Ich bin mir sicher, dass es eine inoffizielle Position Hutchisons ist. Trump, Bolton, Pompeo – das sind die Menschen, die die Außenpolitik der USA bestimmen. Sie hätten nie so etwas gesagt, obwohl auch Bolton kaum als Russland-Freund gilt“, so der Experte.

Allerdings sollte Moskau solche Verkündigungen nicht unbeantwortet lassen. „Darauf sollte man maximal adäquat und hart reagieren. Man sollte Entschuldigungen fordern. Man sollte darauf hinweisen, dass solche Verkündigungen unzulässig sind“, so der Experte.


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