Bitcoin-Jünger geben Hoffnung nicht auf

  14 Oktober 2018    Gelesen: 1034
Bitcoin-Jünger geben Hoffnung nicht auf

Eine Berliner Kneipe ist zum Szenetreff für Bitcoin-Anhänger geworden. Ist der Kurs hoch, ist die Bar voll. Ist der Kurs niedrig, sind hier noch die wahren Idealisten zu treffen. Zu Besuch im "Room 77".

Jeff Gallas kann sich an den Tag, an dem er zum ersten Mal von der Kryptowährung Bitcoin hörte, noch genau erinnern. Es ist der 31. Mai 2011, als Gallas vor seinem Computer sitzt und im Internet auf einen Artikel mit dem Titel "Geld aus der Steckdose" stößt. Gallas liest den Text Absatz für Absatz und plötzlich beschleicht ihn das Gefühl, an einem Stück Zukunft mitbauen zu können. An der Revolution eines ganzen Geldsystems.


In den Tagen und Wochen darauf sucht Gallas begierig nach Informationen und verbringt Stunden auf Foren im Internet. "Ich habe am Anfang über nichts anderes mehr gesprochen", sagt Gallas heute. Der 33-Jährige trägt Vollbart, Jeans und eine Kapuzenjacke und lehnt im schummrigen Licht am Tresen der Bar "Room 77" in Berlin. An diesem ersten Donnerstag im Oktober findet das allmonatliche Bitcoin-Treffen statt.

Einige, die an dem Abend nach Kreuzberg gekommen sind, rufen "Hey Jeff" zu ihm herüber. Gallas saß schon im Juni 2011 hier, als sich Bitcoin-Anhänger noch in kleiner Runde trafen. Man kennt sich. Für die Generation von Bitcoin-Gläubigen ist "Room 77" längst zum Szenetreff geworden.

Ist der Kurs hoch, ist die Bar voll. Dann kommen auch die Anzugträger und Anlagewilligen. Ist der Kurs niedrig, dann sind im "Room 77" nur die Idealisten, die den Glauben an die digitale Währung nicht aufgeben wollen. Börsen-Experten dagegen behaupten schon lange, die Blase sei längst geplatzt.

Auch Jeff Gallas arbeitet seit einigen Jahren in der Bitcoin-Szene. Zuerst war er als selbstständiger Blockchain-Consulter tätig und beriet Bitcoin-Firmen wie Bitwala aus Berlin. Nun gründete er in diesem Jahr sein eigenes Bitcoin-Startup, Fulmo, das seinen Sitz in Berlin-Kreuzberg hat.

Gallas wirkt heute am Tresen der Bar fast erleichtert. Wenn er sich an die Zeit im Dezember 2017 zurückerinnert, kamen in der Boom-Phase fast hundert Bitcoin-Interessierte zum Treffen. Übrig geblieben sind nur noch diejenigen, die tatsächlich die Idee der Krypto-Währung weiterdenken wollen. Gallas vermag nicht zu sagen, wohin sich die noch junge digitale Währung einmal entwickeln wird. An diesem Abend blinkt im Dunkel der Nacht nur das große "B" als Bitcoin-Logo im Fenster der Bar. Es wirkt wie eine Verheißung für eine Zukunft, die auch anders ausgehen kann.

Fast ein Jahr nach dem Bitcoin-Hype ist die bekannteste Krypto-Währung, neben Ethereum, Ripple und Dash, drastisch gefallen. Im September 2017 kostete die digitale Währung 3000 Dollar und stieg dann rasant an. Im Dezember hatte der Bitcoin seinen Höchststand erreicht und war plötzlich 20.000 Dollar wert. Dann aber stürzte der Kurs plötzlich ab. Nun liegt die Kryptowährung nur noch bei 6200 Dollar. Was also treibt Krypto-Gläubige an, am Bitcoin weiter festzuhalten?

An diesem Abend sind neben Jeff Gallas fast ausschließlich Männer im "Room 77". Einer der zwei Dutzend ist Jonas Haller, der etwas abseits der großen Runde an einem Tisch gleich neben dem Eingang mit Freunden sitzt. "Dass der Kurs sinkt, ist relativ", sagt Haller, ein schlanker Mann mit kinnlangem blonden Haar. "Schaut man sich den Kursstand seit Beginn des Bitcoins an, so steigt der Kurs immer noch." Der 33-Jährige heißt in Wirklichkeit anders, seinen Namen möchte er nicht nennen.

Haller beschäftigt sich, wie die meisten, die an diesem Abend die Köpfe zusammenstecken, bereits seit einigen Jahren mit dem Bitcoin. Wer früh in die Krypto-Währung investierte  und rechtzeitig verkaufte, ist damit schnell reich geworden und dem großen Kursverfall zuvorgekommen. Ein Freund von Haller soll 100 Millionen Euro mit Bitcoins verdient haben.

Wie viel Bitcoin Haller selbst besitzt, will er nicht verraten - wie kaum einer an diesem Abend. Im "Room 77" bekommt man darauf meist nur eine Antwort: Man hört nie auf, über Bitcoin zu reden, aber über die eigenen Bitcoins spricht man nicht. Haller hat vor einem halben Jahr seinen Job als Arzt in einem Berliner Krankenhaus aufgegeben und arbeitet nun in einem Bitcoin-Startup. "Mir gefällt der Gedanke, dass Menschen für ihr Geld verantwortlich sind und damit machen können, was sie wollen", sagt Haller.

Als Währung ungeeignet


Viele Bitcoin-Anhänger beschwören die Idee hinter der Kryptowährung. Die sogenannte Blockchain-Technologie soll herkömmliche Verfahren des Zahlungsverkehrs ablösen und funktioniert etwa wie ein virtuelles Kassenbuch. Geschäfte lassen sich darüber direkt zwischen zwei Parteien abwickeln. 2008 hatte die Idee einer solchen digitalen Währung zuerst Satoshi Nakamoto im Internet formuliert. Wer hinter dem Pseudonym steckt, ist bis heute unklar.

Statt dem Konterfei von Nakamoto hängen deshalb über einem abgewetzten Ledersofa in der Bar Poster von anderen Helden der Netzgemeinschaft. Auf einem ist Whistleblower Edward Snowden zu sehen. Auf einem anderen steht: #FreeRossUlbricht" - daneben das Konterfei des Gründers der Drogenhandelsplattform Silk Road. 2015 wurde Ulbricht in den USA zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Bezahlt wurde auf der Plattform mit einer Krypto-Währung: dem Bitcoin. Das Image als Zahlmittel im Darknet hat der Bitcoin allerdings längst abgestreift.

Die meisten, die an diesem Abend im "Room 77" sind, tragen Hemden in dunklen Farbtönen oder einfache Pullover. Viele von ihnen sind Mitte 30, Unternehmer, Programmierer oder Bitcoin-Interessierte. Hatte die Idee vom Bitcoin anfangs vor allem in der linken Szene seine Anhänger gefunden - einige Bitcoin-Anhänger nennen sich etwa auch die Anarcho-Kapitalisten, kurz "Ankap" -, so ist der Bitcoin mittlerweile längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

An diesem Abend sitzt ein ehemaliger BWL-Student mit blondem Kurzhaarschnitt am Tisch, der mittlerweile als Unternehmensberater arbeitet. Er findet die Idee einer neuen Kryptotechnologie und eines alternativen Geldsystems in Zeiten von hoher Staatsverschuldung und einem krisengeschüttelten Finanzsystem spannend: "Immer mehr Unternehmen beginnen damit, die Blockchain-Technologie für sich zu nutzen." Er ist zum ersten Mal zu dem Bitcoin-Treffen gekommen und will nur seinen Spitznamen "Costa" verraten.

Als Costa die digitale Währung kaufte, war der Bitcoin bereits sehr teuer. Die Krypto-Währung, die einzig von Nutzern kontrolliert und geschaffen wird, ist starken Preisschwankungen ausgesetzt. An leistungsstarken Rechnern wird das Cyber-Geld von Nutzern selbst produziert. Die Geldmenge ist begrenzt - maximal 21 Millionen Bitcoins soll es geben, die für Zahlungen gestückelt werden können. Die volkswirtschaftliche Funktion, dass mit einer Währung jederzeit alle Güter ge- und verkauft werden können, erfüllt der Bitcoin damit kaum. Wie schwierig es tatsächlich ist, den Bitcoin als Zahlungsmittel zu nutzen, zeigt sich auch an diesem Abend im "Room 77".

Vom Bitcoin-Kiez ist nicht viel geblieben


Niemand will seine bestellten Burger und Fritten mit seinen Bitcoins bezahlen. "Die Leute geben den Bitcoin nicht gerne aus", sagt ein 23-Jähriger und lacht, bevor er seinen grünen Parka überwirft und mit einer Gruppe in einem Nebenraum der Bar verschwindet. So sind auch die meisten Kneipen und Geschäfte im Kiez rund um den "Room 77", die Krypto-Währung anfangs akzeptierten, wieder zum Euro als alleinigem Zahlungsmittel zurückgekehrt. Von dem einst so genannten Bitcoin-Kiez ist heute nur noch wenig geblieben.

Die Hoffnung oder Befürchtung eines Kursanstiegs hindert viele daran, mit Bitcoins zu zahlen. Der US-Amerikaner Laszlo Hanyecz, der 2010 weltweit zum ersten Mal die Kryptowährung als Zahlungsmittel genutzt haben soll, hatte für zwei bestellte Pizzen rund 10.000 Bitcoins ausgegeben. Im Rückblick hat Hanyecz damit wohl die teuersten Pizzen seines Lebens gekauft. Beim Höchststand des Bitcoins im Dezember 2017 wären das ganze 200 Millionen Dollar gewesen.

Der 53-jährige Steve Cobb, der gleich am ersten Tisch links neben dem Kneipeneingang sitzt, weiß um dieses Problem: "Für eine Währung ist ein stabiler Kurs nötig." Cobb trägt ein grau-schwarz kariertes Hemd und eine Brille mit kleinen, eckigen Gläsern. Er ist vor einigen Jahren von Kalifornien nach Berlin gezogen und glaubt fest daran, dass es sich beim Bitcoin um eine historische Erfindung handelt.

An diesem Abend blinkt das große "B"


Etliche gehören im "Room 77" der Bitcoin-Entwicklerszene an, haben in den vergangenen Jahren teils Unternehmen gegründet und wollen langfristig eine Zukunft für die digitale Währung aufbauen. An diesem Abend ist viel von neuen Technologien die Rede, von "Lightning Network", und "Infrastrukturen", aber ebenso von dem Bitcoin-Geldautomaten, der hier einst in der Kneipe neben dem Tresen stand.

Auch Jeff Gallas arbeitet seit einigen Jahren in der Bitcoin-Szene. Zuerst war er als selbstständiger Blockchain-Consulter tätig und beriet Bitcoin-Firmen wie Bitwala aus Berlin. Nun gründete er in diesem Jahr sein eigenes Bitcoin-Startup, Fulmo, das seinen Sitz in Berlin-Kreuzberg hat.

Gallas wirkt heute am Tresen der Bar fast erleichtert. Wenn er sich an die Zeit im Dezember 2017 zurückerinnert, kamen in der Boom-Phase fast hundert Bitcoin-Interessierte zum Treffen. Übrig geblieben sind nur noch diejenigen, die tatsächlich die Idee der Krypto-Währung weiterdenken wollen. Gallas vermag nicht zu sagen, wohin sich die noch junge digitale Währung einmal entwickeln wird. An diesem Abend blinkt im Dunkel der Nacht nur das große "B" als Bitcoin-Logo im Fenster der Bar. Es wirkt wie eine Verheißung für eine Zukunft, die auch anders ausgehen kann.

Quelle : n-tv.de


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