Löw in der Zwickmühle, DFB-Elf vor Abstieg

  16 Oktober 2018    Gelesen: 838
Löw in der Zwickmühle, DFB-Elf vor Abstieg

Joachim Löw lächelt den Druck weg, steckt aber in der Falle. Manuel Neuer patzt, wähnt sich aber in Topform. Und überhaupt ist die deutsche Fußballnationalelf sehr mit sich und ihrer Krise beschäftigt. Was geht da gegen den Weltmeister?

Worum geht's?


Ach, wenn man das so genau wüsste. Für beide Mannschaften ist es die dritte Partie in der neuen Fußball-Nationenliga. Das Hinspiel Anfang September endete 0:0, danach haben die Franzosen mit 2:1 gegen die Niederlande gewonnen, während die Deutschen am Samstag in Amsterdam mit 0:3 verloren. Das heißt, dass das Team von Bundestrainer Joachim Löw mit einem Punkt auf den dritten und letzten Platz der Gruppe 1 der Liga A steht. Ist das nach dem Spiel heute im Stade de France (ab 20.45 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) und auch nach der abschließenden Partie gegen die Niederländer am 19. November in Gelsenkirchen noch so, steigt die DFB-Elf in die B-Liga ab. Das sähe doof aus, bliebe aber ansonsten erst einmal ohne weitere Konsequenzen. Einziger Nachteil wäre, dass ihr bei der Auslosung der Gruppen für die Qualifikation zur Europameisterschaft 2020 am 2. Dezember in Dublin auch Mannschaften aus der Liga A zugeteilt werden. Aber so weit ist es ja noch nicht.

Worum geht es wirklich?

Jetzt wird es ernst. Die deutsche Nationalmannschaft ist nicht gut zurecht. Bei der recht deutlichen Niederlage am Samstag in der Johan-Cruijff-Arenaerinnerte sie stark an das Team, das es bei der Weltmeisterschaft in Russland mit dem historischen Vorrundenaus so grandios vergeigt hatte. Oh, Moment, es standen ja auch neun WM-Spieler auf dem Rasen. Sie hatten viel und lange den Ball, bekamen ihn aber nicht ins Tor und stellten sich am Ende in der Abwehr sehr ungeschickt an. Alles wie gehabt also. Der Bundestrainer aber mag dennoch keine andere Mannschaft aufstellen und setzt mit Torhüter Manuel Neuer, den Innenverteidigern Mats Hummels und Jérôme Boateng (fällt gegen Frankreich verletzt aus) und den Mittelfeldspielern Toni Kroos und Thomas Müller weiter auf die Achse der Nostalgie. War das nicht schön 2014, als sie die WM in Brasilien gewannen? Er brauche seine alten Helden, sagt Löw: Das sind für mich schon wichtige Spieler. Sie wissen, wie man Krisen übersteht." Dabei sind eben diese Spieler im Moment weniger die Lösung, als vielmehr selbst das Problem.

Wie ist die Ausgangslage?


Dieses Problem ist allerdings vielschichtig und in der Tat nicht einfach zu moderieren. Die einen haben den Zenit ihrer Leistungsfähigkeit mehr oder weniger deutlich überschritten, die anderen haben ihn noch nicht erreicht. Aber wie man es dreht und wendet, der versprochene Umbruch ist das nicht. Löw weigert sich beharrlich und sitzt nun in der Zwickmühle, die schnell zur Falle werden kann, wenn das heute wieder so schiefgeht wie in den Niederlanden. Spätestens seit Amsterdam kann die Erkenntnis nur lauten, dass es ein Fehler war, zu glauben, mit dem altgedienten Personal werde sich schon alles zum Guten wenden. Wählt er nun für die Partie beim Weltmeister wieder die konservative Aufstellung, grenzt das an Realitätsverlust. Bringt er aber gegen seine Überzeugung neben Joshua Kimmich im defensiven Mittelfeld, Timo Werner im Angriff und Niklas Süle in der Innenverteidigung weitere junge Spieler wie Thilo Kehrer, Serge Gnabry, Julian Brandt und Leroy Sané von Beginn an, wirkt das, als gebe er dem öffentlichen Druck nach. Und der nimmt täglich zu, nicht wenige Kritiker fordern seine Ablösung als Bundestrainer. Löw selbst gab sich am Tag vor dem Spiel in Saint-Denis betont gelassen. Natürlich müsse man Kritik auch annehmen, nur halt im Moment nicht. "Als Trainer blende ich das aus." Dann lächelte er und sagte: "Mit dem Druck kann ich relativ gut umgehen. Wenn das alles war, halte ich das aus." Schlecht geschlafen habe er nur wegen einer Erkältung.

Wie ist das deutsche Team drauf?


Noch so eine Frage. Keine Ahnung. Offensichtlich ist es sehr mit sich selbst beschäftigt. Kapitän Neuer berichtete, die Tischgespräche würden sich ausschließlich um Fußball drehen. Tischgespräche? Sind wir hier bei Thomas Mann? Egal, er wollte wohl damit sagen, dass ihnen ihr Beruf wichtig ist. So wichtig, dass er ausführlich erklärte, dass er beim ersten Gegentor in Amsterdam zwar nicht gut ausgesehen habe, die Abwehrspieler ja auch einfach mal den Ball hätten wegköpfen können. Er steht ebenfalls in der Kritik, auch beim FC Bayern macht er Fehler, sodass er nicht mehr wie der Beste der Welt, sondern nur noch wie ein ganz normaler Torwart wirkt. Und so betonte er: "Ich kann sagen, dass ich topfit bin. Ich habe keine Probleme, auch was meinen Fuß betrifft, da ist alles in Ordnung. Ich bin auf einem guten Level. " Auch er weiß, dass mit Marc-André ter Stegen vom FC Barcelona ein außergewöhnlich guter Konkurrent auf der Bank sitzt. Und was sagte der Bundestrainer am Montag in Saint-Denis? "Der Manuel wird morgen im Tor stehen."

Was machen die Franzosen?

Draxlers Julian vermutet, dass sie "richtig Bock haben, gegen uns zu zocken". Das wäre eine schlechte Nachricht, weil die Franzosen noch besser aufgestellt sind als die aufstrebende Voetbalelftal aus den Niederlanden. Aber vielleicht wird es ja nicht ganz so schlimm, in der vergangenen Woche reichte es für die Équipe von Didier Deschamps nur zu einem 2:2 gegen Island. Der französische Trainer gab sich höflich wie stets, die Deutschen hätten "ein starkes Team, auch wenn es ein schlechtes Ergebnis in den Niederlanden eingefahren hat". Er erwartet "keine demoralisierte Mannschaft". In Amsterdam sei die Mannschaft seines Kollegen "nicht effizient genug" gewesen und dafür "am Ende bestraft" worden. Vielleicht raffen sich die deutschen Weltmeister von vorgestern ja wirklich zu einem Kraftakt auf und ertrotzen sich ein 0:0 wie im Hinspiel in München. Vielleicht gewinnen sie gar, weil sich doch einer findet, der den Ball ins Tor schießt. Es klingt zwar geradezu absurd, wenn der Bundestrainer sagt, die DFB-Elf habe "in der Gruppe nichts mehr zu verlieren. Wir können nur gewinnen". Aber vielleicht geschieht wirklich ein kleines Fußballwunder. Aber auch das würde nichts daran ändern, dass Löws Mannschaft ein strukturelles Problem hat, das er nur beheben kann, wenn er auch wirklich will. Das Prinzip "Weiter so" jedenfalls führt unweigerlich in die Sackgasse.

Quelle: n-tv.de


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