Einen wie Hrubesch kriegt der DFB nie wieder

  14 November 2018    Gelesen: 655
Einen wie Hrubesch kriegt der DFB nie wieder

Ab heute ist Horst Hrubesch Fußball-Rentner. Für die Frauenfußball-Nationalmannschaft hat er noch einmal Überstunden gemacht. Doch nun endet endgültig die wechselvolle und spannende Karriere des wunderbaren Spielers und Trainers.

Die gute Nachricht vorweg: Frau Hrubesch hatte nie vor, sich scheiden zu lassen. Und nun, seit gestern, der letzten Partie in der Karriere des Spielers und Trainers Horst Hrubesch gibt es auch keinen Grund mehr für eine Trennung. Das Thema Fußball als Beruf ist für den gebürtigen Mann aus Hamm keines mehr. Jetzt geht es langsam ans Kofferpacken. Anfang Februar verabschieden sich die Hrubeschs in den Urlaub. Über Singapur fliegen sie für sechs Wochen nach Neuseeland. Das hatte Horst seiner Angelika versprochen. Schon für das letzte Jahr. Doch dann wurden die Probleme bei der Frauenfußball-Nationalmannschaft immer akuter.

Und als man beim DFB keine entsprechende Lösung für den vakanten Trainerposten fand, sagte Hrubesch: "Bevor wir irgendetwas machen, mache ich es lieber selbst." Und so beendete der ehemalige Meisterspieler des Hamburger SV gestern Abend beim 0:0 in Erfurt gegen Spanien seine Laufbahn als Fußballer an der Seitenlinie der Frauen-Fußballnationalmannschaft. Mit seinem letzten Job hat Horst Hrubesch seinem Verband noch einmal etwas zurückgegeben. Denn er hat nie vergessen, dass es der DFB war, der ihm vor knapp zwanzig Jahren die große Chance eröffnete, seiner Karriere eine neue Richtung zu geben.

Als Hrubesch neulich in Nürnberg mit dem "Walther Bensemann Preis" der "Deutschen Akademie für Fußballkultur" ausgezeichnet wurde, erinnerte "Kicker"- Herausgeber Rainer Holzschuh daran, dass es eines Zufalls bedurfte, damit Hrubesch beim DFB landete. So saßen Holzschuh und Hrubesch im Jahr 1998 abfahrbereit in einem Taxi, als in letzter Sekunde die Tür aufgerissen wurde und Berti Vogts zu den beiden dazuhechtete. Holzschuh ist sich sicher: "Wäre der damalige Bundestrainer nur Sekunden später gekommen, das Leben von Horst hätte eine andere Bahn genommen." Doch so erkundigte sich Vogts nach Hrubesch Befinden und dieser ergriff die Initiative und fragte den Bundestrainer nach einem Ausweg aus seiner Auszeit. Vogts machte ihm damals noch im Taxi Mut und schon kurze Zeit später war Hrubesch Angestellter beim DFB.

"Wichtig, den Jungs ihren Traum zu erfüllen"


Dort prägte der Hammer nach dem Katastrophenjahr 2000 den Neuanfang in der Jugendarbeit maßgeblich mit. Die Arbeit mit dem Nachwuchs war wie für Hrubesch geschaffen. Sein Credo: "Mir war immer wichtig, den Jungs ihren Traum zu erfüllen." Er empfand die Auseinandersetzung mit den jungen Leuten als "göttlich". Er genoss es sie "anzuleiten" und "mitzunehmen": "Ich habe immer die Elite, immer die besten Spieler gehabt und das sind häufig auch welche, die aus der Art schlagen. Ich habe denen immer gesagt: 'Wenn du meinst, du bist der Beste, der Größe und du kannst alles, dann vergiss nur eins nicht: Wir haben einen Vorteil - du kannst ohne uns nicht spielen, aber wir können ohne dich spielen.'"

Wie hart der Weg zum Nationalspieler sein kann, weiß niemand besser als Hrubesch. Erst mit 24 Jahren spielte der gelernte Dachdecker für Rot-Weiss Essen in der Bundesliga. Dass es von dort noch weiter hinausging, verdankt er Günter Netzer. Der ehemalige Meisterspieler von Borussia Mönchengladbach war damals gerade frisch als Manager des Hamburger SV verpflichtet worden. Noch lebte Netzer allerdings nicht in der Hansestadt - sah sich aber bereits nach neuen Spielern für den HSV um.

Und dann passierte folgendes, wie sich Netzer erinnert: "Ich habe ihn aus der Schweiz entdeckt - via Zeitung. 42 Tore hatte er geschossen in der Zweiten Liga. Und da habe ich gesagt: Okay, das ist ein Ausweis, den man ernst nehmen muss, denn auch in der Zweiten Liga schießt man nicht so einfach 42 Tore. Ich habe ihn dann auf Umwegen verpflichtet, weil dieser selten große Dummkopf hatte auch noch einen anderen Vertrag unterschrieben, in Frankfurt.

Der Trainer der Eintracht war damals Dettmar Cramer und der hatte pastorale Züge. Wenn der mit jemandem gesprochen hat, den hat er überzeugt - und erst Recht meinen gutmütigen Horst. Hrubesch hat zwar immer zu mir gesagt: 'Machen Sie sich keine Sorgen, ich gehe nicht nach Frankfurt.' Doch da musste ich ihm sagen: 'Mein lieber Horst, wir haben da ein kleines Problem: Sie haben einen Vertrag unterschrieben!" Mithilfe des damals bekannten und gefürchteten Spielerberaters Holger Klemme versteckte man Hrubesch für 14 Tage im schönen Westerwald. Schließlich gelang es, den Vertrag in Frankfurt zu lösen.

"Habe seinen Charakter gesehen"


Klemme sagte rückblickend: "Der Günter Netzer hat damals nur noch von Tabletten gelebt!" Und das lag auch daran, weil der neue Manager des HSV Hrubesch bisher ja nur aus der Zeitung kannte. Netzer: "Und dann hatte ich das Vergnügen, ihn das erste Mal live spielen zu sehen, bei einer Partie von Rot-Weiss Essen. Anfangs saß ich aufrecht auf meinem Platz. Zur Halbzeit saß ich schon nur noch zur Hälfte aufrecht, weil die Leistung von Hrubesch unterirdisch war. Zum Schluss wäre ich am liebsten aus Scham unter den Stuhl gekrochen. Ich habe zu mir selbst gesagt: Netzer, das war deine erste und letzte Verpflichtung als Manager des HSV. Es war grausam mitanzusehen. Und ich hatte 1,5 Millionen ausgegeben, viel Geld in der damaligen Zeit. Aber ich habe nicht in Horst Hrubesch als Fußballspieler investiert - ich habe seinen Charakter gesehen. Er hat die Mannschaft auf dem Platz zur Ordnung gerufen. Dafür bedurfte es keines Trainers. Das hat der Horst erledigt."

Und, erzählte Netzer: "Die Weltstars wie Keegan, Kaltz und Magath haben auf ihn gehört." Dass Hrubesch diese Führungsrolle für sich beanspruchen konnte, hat einen schlichten Grund: Bis heute ist er nach Gerd Müller der Bundesligaspieler mit der besten Torausbeute pro Spiel. Nun aber ist der Abschied vom Fußball beschlossene Sache. Er freue sich jetzt auf den Urlaub mit seiner Frau, sagte Hrubesch dieser Tage. Und die Geschichte mit der angedrohten Scheidung sei nie so ernst gewesen, wie er es einmal gesagt habe. Denn: "Meine Frau weiß ja: So einen wie mich kriegt sie nicht noch einmal."

Besser kann man den Abschiedsschmerz des DFB und vieler Fans nicht ausdrücken. Oder um es mit den berühmten Worten von Hrubesch - damals bei seinem Karriereende in Hamburg - zu sagen: "Wir brauchen nur dieses eine Wort sagen: Herzlichen Dank, Horst!"

Quelle: n-tv.de


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