Wenn Magnus Carlsen im Kampf um die Krone der Schachwelt derzeit die Steine übers Brett schiebt, verfolgt halb Norwegen gebannt das Geschehen. Das Fernsehen überträgt live, die Zeitungen und Internet-Medien sind voll von Geschichten über sein WM-Duell mit Fabiano Caruana. Carlsen ist in seiner Heimat ein Superstar. Ein Aushängeschild des Schachsports, wie man es sich auch in Deutschland wünscht.
"Es ist natürlich unser Ziel, einen deutschen Magnus Carlsen hervorzubringen", sagt Marcus Fenner, Geschäftsführer des Deutschen Schachbundes. Denn: "Was ein solcher Spieler für den Schachsport bewirken kann, hat man in Norwegen gesehen." Doch obwohl man hierzulande über eine äußerst aktive Szene verfügt und die Bundesliga als stärkste Liga der Welt gilt, fehlt ein absoluter Topspieler - noch.
Es sei natürlich "immer schwer, solche Ausnahmeerscheinungen vorherzusagen", sagt Fenner: "Aber wir haben da einen. Er ist ein großer Hoffnungsträger." Gemeint ist Vincent Keymer aus Mainz, seit vergangenem Donnerstag 14 Jahre alt. Im Frühjahr gewann er sensationell die Grenke Open in Karlsruhe, ein großes Turnier mit etlichen internationalen Topspielern. Sein Spielniveau war dabei auf demselben Level, wie es einst beim 13-jährigen Magnus Carlsen war. Eine letzte Norm fehlt dem deutschen Hoffnungsträger noch, um als zweitjüngster Europäer nach Carlsen den Titel des Großmeisters zu erlangen.
"Das ist bei ihm aber nur eine Frage der Zeit", sagt Fenner. Ob Keymer danach aber auch tatsächlich in die Weltspitze vorstoßen und eines Tages sogar als erster Deutscher seit Emanuel Lasker vor fast 100 Jahren Weltmeister werden kann, müsse sich dann erst zeigen. Schach-Wunderkinder gab es schließlich bereits viele.
Am Anfang eines Booms
Bis der deutsche Schach-Superstar gefunden ist, hofft man beim Deutschen Schachbund unter anderem auf die Sogwirkung der WM. "Der Medienresonanz ist groß. Das ist schön für uns", sagt Fenner. Denn trotz über 90.000 Mitgliedern in 2500 Vereinen und einer Liga, in der beinahe alle Stars der Szene zumindest gelegentlich am Brett sitzen, erhält Schach schließlich sonst nur wenig Aufmerksamkeit. Auch das soll sich künftig aber ändern.
"Ich denke, dass Schach auch bei uns am Anfang eines Booms steht", meint Fenner. Drei Säulen macht der 46-Jährige aus: Die Vereine, das Internet und das Schulschach. Vor allem letzteres erfreue sich immer größerer Beliebtheit und sorge für einen Aufschwung. Spätestens seit eine Studie gezeigt hat, dass Schüler, die Schach spielen, ein besseres Lernverhalten aufweisen und das Spiel ihr konzeptionelles Denken fördert.
Dazu kommt die immer größere Anzahl an Leuten, die Schach über das Internet spielen. Allein in Deutschland sind das Schätzungen zufolge rund 300.000 Menschen. Nimmt man die verschiedenen Anbieter zusammen, ist Schach weltweit sogar die beliebteste Spiele-App für das Smartphone - noch deutlich vor Klassikern wie CandyCrush oder den kultigen Angry Birds.
Beim Schachbund will man sich nun darum bemühen, "dass Breitensport und Leistungssport zusammen kommen", wie Fenner erklärt. Auch die in der Vergangenheit vernachlässigte Förderung von Spitzenspielern gehöre da dazu. Was dann noch fehlt, ist eigentlich "nur" noch ein deutscher Magnus Carlsen. Aber da gibt es ja zum Glück einen Kandidaten.
Quelle: n-tv.de
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