Stark unter Druck: Warum der US-Dollar ins Taumeln gerät

  20 November 2018    Gelesen: 710
Stark unter Druck: Warum der US-Dollar ins Taumeln gerät

Der US-Dollar hat in den vergangenen Tagen gegenüber fast allen wichtigen internationalen Währungen massiv an Wert verloren. Gegenüber Sputnik erklären Experten, warum der Dollar seinen Halt verliert.

Die Verluste der US-Währung wurden am vergangenen Donnerstag durch eine Erklärung des amerikanischen Finanzministers Stephen Mnuchin ausgelöst, der sich für eine gewisse Abwertung des Dollars ausgesprochen hat.

Zudem unterstützte das "Wall Street Journal" quasi Präsident Donald Trump, der zuvor die Federal Reserve scharf kritisiert hatte: Die Wirtschaftszeitung rief die US-Zentralbank  ebenfalls auf, „sich zu beruhigen“ und auf eine Erhöhung der Leitzinsen zu verzichten.

Die Reaktion der Investoren ließ nicht lange auf sich warten. Allerdings sind die Experten überzeugt: Ein richtiger Absturz der US-Währung steht noch bevor.

Härter, noch härter

Im Oktober erlebte der US-Aktienmarkt einen großen „Ausverkauf“. Der Börsenindex S&P500 verlor acht Prozent, der High-Tech-Index NASDAQ sogar 9,2 Prozent. Das löste einen „Domino-Effekt“ in Europa und Asien aus: Die gesamten Verluste aller Börsen erreichten knapp fünf Billionen Dollar.

Der Grund für den „Ausverkauf“ in Amerika: Die Investoren befürchten eine neue Anhebung der Leitzinsen. Denn die jüngste Verschärfung der Geld- bzw. Kreditpolitik der Federal Reserve führte zur Erhöhung der Rentabilität der langfristigen Staatsanleihen und der Hypothekarzinsen – und letztendlich wurden weniger Immobilien gekauft.

In diesem Jahr erhöhte die Fed dreimal den Leitzins – und das ist offenbar noch nicht das Ende. Laut der Prognose der Bank Goldman Sachs wird die US-Notenbank zu dieser Maßnahme bis Ende 2019 noch fünfmal greifen. Das ist doppelt so viel wie der Markt erwartet. Die Hauptargumente sind: Die US-Wirtschaft erholt sich allmählich, und deshalb ist eine „stimulierende Politik“ nicht mehr nötig.

Die Wahrscheinlichkeit einer neuen Leitzinserhöhung wird auch durch die Inflation provoziert. Laut Experten der Yale University beginnt in Amerika gerade ein Inflationsanstieg, nicht zuletzt wegen der jüngsten Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und vielen anderen Ländern. 

Der Experte Stephen Roach von der Universität, der früher Morgan Stanley Asia geleitet hatte, erwartet im kommenden Jahr eine Inflationsrate von bis zu 3,5 Prozent. Und das bedeute, dass die Federal Reserve den Leitzins erhöhen müsste.

Trump gegen Federal Reserve

US-Präsident Donald Trump ist verärgert über die aktuelle Politik der US- Notenbank. Im Oktober nannte er die Federal Reserve „die größte Gefahr für die Wirtschaft“. Außerdem gefällt dem US-Staatschef nicht, dass die Federal Reserve eine unabhängige Struktur ist, auf die das Weiße Haus keinen Einfluss hat. Wenn die Fed die Leitzinsen erhöht oder andere Maßnahmen zwecks Verschärfung der Geld- bzw. Kreditpolitik ergreift, bleibt im Finanzsystem immer weniger „billiges Geld“.

Je höher die Leitzinsen sind, desto teurer sind die Kredite für die Geschäftskreise. Das bedeutet, dass Unternehmer Löhne bzw. Gehälter ihrer Arbeitnehmer nicht erhöhen, ihre Investitionen reduzieren, während Aktienbesitzer mit geringeren Dividenden rechnen müssen. Und angesichts dessen werden die Wertpapiere von Unternehmen weniger attraktiv.

Erste Opfer

Nach Angaben der OECD ist der Anteil der „Zombi-Unternehmen“, die keine Gewinne generieren und nur dank Krediten überleben, in den vergangenen Jahren auf sechs Prozent gestiegen. Und das ist ein sehr beunruhigendes Zeichen, findet der Analyst Andrej Kotschetkow („Open Broker“).

Eines der Opfer der Leitzinserhöhung wurde einer der größten amerikanischen Konzerne: General Electric. „Die Finanzergebnisse des Giganten sind wesentlich schlechter geworden, aber das ist noch nicht alles: Sein Börsenwert wurde inzwischen niedriger als seine korporativen Schulden (110 Milliarden Dollar). Die Unternehmen werden immer weniger Geld für die Entwicklung haben, weil sie beträchtliche Mittel in das Bedienen ihrer Schulden stecken müssen. Dementsprechend ist das Wirtschaftswachstum ins Stocken geraten“, erläuterte Experte Kotschetkow.

Gefährlicher Anstieg

Die Erhöhung der Leitzinsen durch die Federal Reserve führt zum Anstieg der Rentabilität der US-Staatsanleihen, unter anderem der zehnjährigen Wertpapiere, an die die Bankkredit- Hypothekarzinsen gebunden sind. Dementsprechend geht die Kaufkraft der Bevölkerung zurück.

Die hohe Rentabilität ermöglicht es, größere Investitionen heranzuziehen. Aber auch diese Medaille hat ihre Kehrseite.

Analysten der Bank of America Merrill Lynch warnten bereits: Der Anstieg der Leitzinsen in den USA könnte eine neue Krise provozieren. Investoren verkaufen schon seit einem Jahr Wertpapiere der Entwicklungsmärkte. Der Grund: die Erhöhung der Leitzinsen durch die Federal Reserve, weshalb der US-Dollar stärker wird.

Die aktuelle Situation erinnert nach Einschätzung der Experten an die Situation vor etwa 20 Jahren, als Investoren hochriskante Staatsanleihen der Schwellenländer im großen Stil abstießen.

Waagschale

Und jetzt, da Präsident Trump bei seinen Angriffen auf die Federal Reserve die Unterstützung der führenden Wirtschaftszeitung genießt, schwebt über dem Dollar das „Ausverkauf“-Schild. Aber es geht natürlich nicht um einen einzigen Zeitungsartikel.

„Da viele Ökonomen darüber reden, dass der Effekt von den Stimulierungsmaßnahmen im Steuerbereich erschöpft ist und dass sich das Wirtschaftswachstum in den USA verlangsamt, werden jetzt in die Waagschale für die Verlangsamung der Leitzinserhöhung durch die Federal Reserve kleinere Gewichte in Form der Aussagen von Beamten und Experten gelegt. Und am Ende hat diese Waagschale die andere überwogen – und das führte zur Schwächung der US-Währung“, erläuterte der stellvertretende Generaldirektor des russischen  Investmenthauses „Zerich Capital Management“.

Zudem sagte der Vizechef der Federal Reserve, Richard Clarida, in der vorigen Woche in einem Interview für CNBC, dass es „gewisse Beweise“ für die Verlangsamung des globalen Wirtschaftswachstums gebe. Und das hatte zur Folge, dass es immer weniger Investoren gibt, die glauben, die Federal Reserve würde im Dezember den Leitzins erhöhen.

Und was ist mit dem Rubel?

Analysten verweisen darauf, dass die reale Rentabilität des Rubels ausreichend für den aktuellen Leitzins in Amerika sei. Aber die jetzige Schwäche der russischen Währung ist vielmehr durch die Erwartung von neuen US-Sanktionen als durch neue Schritte der US-Zentralbank bedingt.

„Dennoch ist der Verzicht der Federal Reserve auf eine aggressive Erhöhung der Leitzinsen nützlich für den Rubel: Er kann dadurch fünf bis sieben Prozent gegenüber dem Dollar gewinnen“, so Experte Kotschetkow weiter. „Mehr noch: Die Schwächung des Dollars würde zum Anstieg der Preise für Rohstoffwaren führen – und das wäre auch positiv für den Rubel.“

Allerdings sind sich die meisten Experten darin einig, dass der Hauptfaktor für den Kurs der russischen Währung vor allem von der Bereitschaft der US-Politiker abhängt, die Einführung des zweiten „Sanktionspakets“ zu verschieben. Der andere wichtige Faktor besteht in der positiven Handelsbilanz, die traditionell am Anfang jedes Jahres zu erwarten ist. „Im ersten Quartal des kommenden Jahres könnte der Kurs bei 63 oder sogar 62 Rubel für den Dollar liegen“, vermutete Wernikow.

sputniknews


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