Bei kaum einer Geldanlage schwankt der Kurs so sehr wie bei Kryptowährungen. Vor knapp einem Jahr kratzte der Preis für einen Bitcoin noch an der Marke von 20.000 Dollar, nachdem er sich innerhalb eines Jahres mehr als verzwanzigfacht hatte. Dann brach der Kurs ein auf aktuell deutlich unter 4000 Dollar. Noch weiter als die Höhen und Tiefen des Bitcoinkurses klafft allerdings auseinander, was selbsternannte und tatsächliche Experten als "wahren" Wert von Bitcoin ausgerechnet haben wollen.
Hier, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, fünf Modelle und Szenarien, an denen Sie sich auf keinen Fall orientieren sollten - und ein realistischer Ansatz:
Kryptos ersetzen offizielle Währungen: Auf dem Höhepunkt des Bitcoin-Hypes prophezeiten manche Experten, dass die Digitalwährungen die herkömmlichen, von Staaten ausgegebenen Zahlungsmittel in der Zukunft komplett oder größtenteils ersetzen würden. Star-Investor Tim Draper etwa taxiert die staatlichen Zahlungsmittel auf umgerechnet 86 Billionen Dollar. Bitcoin und andere Kryptos würden davon in Zukunft etwa die Hälfte, prophezeit Draper und kommt zum Schluss zu der Prognose, dass der Bitcoinkurs auf 250.000 Dollar steigen werde.
Das neue Gold: Anderen Prophezeiungen zufolge wird Bitcoin das neue Gold. Die einfachste Rechnung geht dann so: Der gesamte Goldbestand der Welt ist, grob geschätzt, 7,5 Billionen Dollar wert. Wird er durch 21 Millionen mögliche Bitcoin ersetzt, müssten diese pro Stück also mehr als 350.000 Dollar wert sein. Manche Enthusiasten kommen sogar auf noch höhere Werte, weil sie die große Zahl der Bitcoin herausrechnen, die verloren oder aus anderen Gründen nicht handelbar sind. Das Problem an der Rechnung ist das gleiche wie bei dem Vergleich mit Währungen: Es ist nicht abzusehen, ob Kryptowährungen überhaupt traditionelle Zahlungsmittel, Gold oder andere Geldanlagen in signifikantem Maß ersetzen. Dass Bitcoin allein dies bewerkstelligen wird, kann dagegen ausgeschlossen werden.
Kursziel Null: Einige renommierte Volkswirte weisen darauf hin, dass Bitcoin wie andere Kryptowährungen auch keinen greifbaren Gegenwert repräsentierten und auch keinen wirklichen Nutzen böten im Vergleich zu bereits etablierten Alternativen sowohl für Transaktionen als auch zur Geldanlage. Andere argumentieren, dass die Technologie hinter Bitcoin wie alle Technologien bald durch bessere überholt und obsolet werden dürfte, oder sogar schon ist. Das muss allerdings keineswegs heißen, dass die Kryptowährung für Anleger komplett wertlos ist. Solange sich eine Gruppe von Menschen darin einig ist, Bitcoin einen Wert beizumessen, hat er diesen Wert. Ein paar Enthusiasten dürften sich zumindest für eine lange Zeit noch finden lassen. Technologisch kann Bitcoin sich dabei durchaus weiterentwickeln und hat das in der Vergangenheit auch schon getan.
Die "Côtes du Rhône-Theorie": Diese Kalkulation ist unter dem Namen der Weinsorte bekannt geworden, die Hedgefonds-Manager Savvas Savouri und Ökonom Richard Jackman einem Bericht zufolge beim Rechnen konsumierten. Neben der anregenden Wirkung des Weins beruht die Berechnung auf der allgemein anerkannten Geldtheorie eines der Pioniere der Wirtschaftswissenschaften: Irving Fisher. Die Theorie scheint auf Bitcoin & Co. aber nicht übertragbar. Die Kursbewegungen beim Bitcoin sind durch das Zusammenrechnen der sich im Umlauf befindlichen Münzen, der Umlaufgeschwindigkeit und des Wertes der damit gekauften Güter nicht erklärbar. Zudem kommen verschiedene Ökonomen auf Grundlage derselben Theorie zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen zwischen 20 und 15.000 Dollar. Allerdings muss man Savouri und Jackman zugute halten, dass sie ihre Berechnung wohl auch nicht ganz ernst gemeint hatten.
Die Netzwerktheorie: Diese Idee gehört zu den ausgefeilteren und vergleichsweise fundierten unter den Versuchen, einen "wahren" oder "fairen" Bitcoinwert" zu berechnen. Sie beruht auf der Annahme, dass Digitalwährungen Netzwerke sind, deren Nutzen steigt, je mehr Teilnehmer mitmachen. Einer als "Metcalfe's Law" bekannten Theorie zufolge wächst der Wert eines Netzwerkes exponentiell im Verhältnis zur Nutzerzahl. Verschiedene Analysten haben diese Methode für den Bitcoin verfeinert, indem sie etwa die Zahl der Transaktionen mit einbeziehen.
Mit "Metcalfe's Law" konnten Analysten den Bitcoinkurs zeitweise erstaunlich gut erklären und etwa die Blase, die die Digitalwährung 2013 erlebte, als solche identifizieren. Von der Heftigkeit des Crashs nach der extremen Rally Ende vergangenen Jahres wurden sie aber überrascht. Auch für Ende dieses Jahres prognostizierte Star-Analyst Tom Lee mithilfe eines ausgeklügelten, auf der Netzwerktheorie beruhenden Modells vor kurzem noch einen Bitcoinkurs bei 25.000 Dollar. Angesichts des jüngsten Kursrutsches eine selbst für die volatile Kryptowährung kaum noch zu erreichende Zielmarke.
Analystenkapitulation: Auf dem Höhepunkt des Bitcoinhypes diskutierten selbst die großen Wall-Street-Banken die Schaffung von "Krypto-Handelsdesks" oder Bitcoinfunds. Doch seriöse Analysten der Banken blieben dabei: "Ein wahrer Wert für Kryptowährungen ist wohl unmöglich zu berechnen", teilten etwa die Experten der Bank of America Merrill Lynch in einer Analyse mit.
Quelle: n-tv.de
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