Die Reise hatte gerade erst begonnen, Bundeskanzlerin Angela Merkel saß zum Gespräch mit Journalisten und ihrem Finanzminister Olaf Scholz im Regierungsjet zusammen, da wurde die Unterredung von einer Stewardess unterbrochen. Der Airbus A340 der Bundesregierung befand sich im Luftraum über den Niederlanden, als der Kapitän sich entschließt, den Flug abzubrechen und in Richtung des Flughafen Köln-Bonn, dem Heimatstandort der Flugbereitschaft, umzudrehen.
Was genau ist passiert?
Bei der in Berlin gestarteten Maschine des Typs A340-300 fiel nach etwa einer Stunde Flugzeit ein wichtiges Bauteil in der Cockpitelektronik aus. Auslöser des Defekts war ersten Erkenntnissen zufolge ein Fehler in einer Verteilerbox, wie ein Sprecher der Flugbereitschaft erklärte. Dadurch wurde das Funkgerät lahmgelegt. Zwar seien die Kommunikationssysteme wie alle wichtigen Bauteile im Cockpit redundant ausgelegt, wie der Sprecher betonte. Doch in diesem Fall habe die automatische Umschaltung nicht funktioniert. Dadurch blieb der Funkkontakt zwischen Piloten und Flugsicherung unterbrochen.
Per Satellitentelefon konnte die Besatzung die außerplanmäßige Landung am Flughafen Köln-Bonn organisieren. Da aufgrund des Systemausfalls auch die Treibstoffanzeige nicht mehr funktionierte, musste die Maschine nahezu vollbetankt zur Landung ansetzen. Beim Abbremsen kam es im Bremssystem zu einer starken Wärmeentwicklung. Aus Sicherheitsgründen wartete die Besatzung nach der Landung auf eine Freigabe durch die Flughafenfeuerwehr, bevor die Passagiere - darunter die Kanzlerin - das Flugzeug verlassen konnten. Gefahr für Passagier und Besatzung habe zu keinem Zeitpunkt bestanden, betonte der Kommandeur der Flugbereitschaft, Oberst Guido Henrich.
Wie ging die Reise für die Kanzlerin weiter?
Die komplette Delegation, bestehend aus Kanzlerin Merkel, Regierungsmitgliedern, Journalisten und weiteren Mitarbeitern, verbrachte die Nacht in einem Hotel in der früheren Bundeshauptstadt Bonn. Für Merkel und Scholz ging es heutemorgen mit einem anderen Regierungsflugzeug weiter nach Madrid. Von dort startete sie gegen 9 Uhr an Bord einer Linienmaschine der Fluggesellschaft Iberia nach Buenos Aires. Merkel wird nur noch von einer "sehr kleinen Delegation" begleitet, darunter Scholz, Regierungssprecher Steffen Seibert und der außenpolitische Berater Jan Hecker.
Merkels Ehemann Joachim Sauer begleitet sie nicht mehr nach Argentinien. Aufgrund der Verspätung hätte er ohnehin einen Großteil des Begleitprogramms verpasst. Die Organisation des Linienflugs von Madrid aus gestaltete sich kompliziert, zusammen mit Entourage und Personenschützern musste Platz für mehr als ein Dutzend Personen an Bord besorgt werden.
Die Regierungschefin einer der führenden Industrienationen nimmt einen Linienflug?
Ja, denn offenbar konnte die Flugbereitschaft der Bundeswehr keine passende Alternative anbieten. Ein direkter Weiterflug mit einer anderen Regierungsmaschine sei aufgrund der Dienstzeiten-Beschränkung von Besatzung und Flugkapitänen nicht möglich, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert noch am Abend.
Über genug Flugzeuge, die die lange Transatlantikstrecke nach Buenos Aires bewältigen können, verfügt die Flugbereitschaft. Neben dem "Flaggschiff", dem A340 "Konrad Adenauer", existiert noch ein weiteres Großraumflugzeug vom gleichen Typ - die "Theodor Heuss". Die Flugzeuge haben eine Reichweite von über 13.000 Kilometern. Daneben gibt es noch Jets vom Typ A310, die für Flüge dieser Länge zugelassen sind und Geschäftsreiseflugzeuge mit Reichweiten von über 10.000 Kilometer.
Kommt Merkel jetzt nicht viel zu spät?
Ja. Die Kanzlerin verpasst den Auftakt des G20-Gipfels in der argentinischen Hauptstadt. Geplant ist laut Bundesregierung, dass sie dort nun rechtzeitig zum gemeinsamen Abendessen der Staats- und Regierungschefs eintrifft.
Für heute angesetzte Treffen - zum Beispiel mit US-Präsident Donald Trump oder dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping - fallen wegen der verspäteten Anreise Merkels zunächst aus. Ob die Termine während des Gipfels, der morgen mittag endet, nachgeholt werden können, ist unklar. Wegen des Defekts muss auch das traditionelle G20-"Familienfoto" ohne Merkel stattfinden.
Was war das Problem am Flugzeug?
Offenbar war das gesamte Kommunikationssystem an Bord der "Konrad Adenauer" ausgefallen, was einen echten Notfall darstellt. Flugzeuge aller Art, ob Linienmaschine oder Regierungsjet, müssen jederzeit für die Flugsicherung erreichbar sein. Dass die Maschine unbeschadet in Köln landen konnte, ist vermutlich dem Können des Kapitäns geschuldet. Auch die Landung dürfte dem Piloten Fingerspitzengefühl abverlangt haben: Die Maschine war voll beladen und für die lange Reise nahezu voll betankt und daher für eine Landung zu diesem Zeitpunkt ungewöhnlich schwer.
Berichte über mögliche Sabotage weist die Luftwaffe zurück. "Es gibt überhaupt keinen Hinweis auf einen kriminellen Hintergrund", erklärte ein Sprecher der Bundeswehr. Man gehe von einem Fehler in einer elektronischen Verteilerbox aus, die sowohl die Funkanlage als auch das System zum Ablassen des Kerosins steuere.
Gibt es öfter Probleme mit deutschen Regierungsmaschinen?
Ja. Erst Mitte Oktober gab es eine Panne mit der "Konrad Adenauer". Nagetiere hatten die Maschine in Indonesien lahmgelegt und Scholz zur Rückreise per Linienflug von der Tagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) gezwungen. Mäuse oder Ratten waren in den geparkten Airbus gelangt und hatten wichtige Kabel angeknabbert.
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war Mitte November in Südafrika mit der "Konrad Adenauer" unterwegs. Dabei kam es zu einer stundenlangen Verspätung, weil eines der Triebwerke nur mithilfe eines externen Geräts gestartet werden konnte.
Quelle: n-tv.de
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