Auftakt zum G20-Prozess

  18 Dezember 2018    Gelesen: 1062
Auftakt zum G20-Prozess

Zum ersten Mal beginnt in Hamburg ein G20-Prozess, bei dem es um schwere Randale an der Elbchaussee geht. Schon im Vorfeld gibt es Kritik an der Richterin - aus der Justiz.

Es ist der Morgen des 7. Juli 2017. Vermummte Gestalten ziehen über die noble Elbchaussee in Hamburg, zünden Autos an, werfen Böller. Ein Handyvideo, das rasch im Netz kursiert, zeigt eine Szene aus einem stehenden Linienbus. Man sieht durch die Fensterscheibe, wie sich eine Wand aus schwarz gekleideten Vermummten nähert. Ein Randalierer ballt im Vorbeigehen die Faust, ein anderer schlägt Scheiben ein. Es knallt und zischt und donnert. Von der Polizei keine Spur. Zu diesem Zeitpunkt, an diesem Ort, herrscht Anarchie.

Kaum etwas hat die Menschen beim G20-Gipfel vor knapp anderthalb Jahren so aufgewühlt wie diese Szenen. Sie bestimmen bis heute das Bild, das vom Treffen der mächtigsten Staats- und Regierungschefs bleibt. Die Elbchaussee ist zur Chiffre geworden für enthemmten Protest, der Erfolg in qualmenden Autowracks und traumatisierten Passanten misst. Der Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD) attestierte den Tätern eine Nähe zum Terrorismus.

Zum ersten Mal stehen nun mutmaßliche Täter von damals vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft vier jungen Männern aus Hessen und einem Franzosen eine Reihe schwerer Straftaten vor, darunter schwerer Landfriedensbruch, Brandstiftung und gefährliche Körperverletzung. Bei einer Verurteilung sind bis zu zehn Jahre Haft möglich.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte, es habe sich um eine "gewaltsame Ausschreitung" gehandelt, die "nur den Zweck hatte, Angst und Schrecken zu verbreiten". Die zuständige Jugendkammer des Landgerichts - zwei der fünf Angeklagten waren im Juli 2017 jünger als 18 - hat bis in den Mai 26 Prozesstage angesetzt. Die Angeklagten schweigen bisher zu den Vorwürfen.

Ursprünglich sollte das Verfahren gegen den 23-jährigen Franzosen Loic S. separat verhandelt werden. Er sitzt seit seiner Auslieferung im Oktober in Hamburg in Untersuchungshaft. Aus "rein praktischen Erwägungen" habe man sich dazu entschlossen, die beiden Verfahren zu bündeln, sagte ein Gerichtssprecher.

Die Anklage gegen die vier Deutschen - Halil Ibrahim K. (24), Can Cihan N. (22), Roni S. (18) und Khashajar H. (18) - basiert vor allem auf Videos von Überwachungskameras. Darauf seien auch die Gesichter zu erkennen gewesen, vor und nach den Taten, argumentiert die Anklage. Anhand der Kleidung habe man das Quartett zu mehreren Zeitpunkten während des Zuges wiedererkannt, der insgesamt etwa 20 Minuten gebraucht habe für eine Strecke von 1,4 Kilometern.

Ob die vier selbst randaliert hätten, wisse man nicht. Allein die Anwesenheit aber reiche für die Strafbarkeit. Alle etwa 220 Teilnehmer des Zuges hätten gemeinsam den Entschluss für die Randale gefasst. Gemeinsam hätten sie das Ziel gehabt, aus dem Schutz der Gruppe heraus Straftaten zu begehen. Das zeige sich auch daran, dass alle einheitlich schwarz und vermummt gekleidet gewesen seien.

spiegel


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