BVB berauscht sich an grandioser Hinrunde

  22 Dezember 2018    Gelesen: 1191
BVB berauscht sich an grandioser Hinrunde

Mit dem Sieg im Topspiel gegen Verfolger Mönchengladbach krönt Borussia Dortmund eine famose Hinrunde. Der BVB marschiert vorweg. Längst ist die Fußballstadt empfänglich für große Gefühle und Träume. Nur Erfolgstrainer Favre zögert noch.

Am Tag, als im Ruhrgebiet die letzte Zeche ihren Betrieb einstellte und Borussia Dortmund mit den passenden Trikots antrat, auf denen die Botschaft "Danke Kumpel!" zu lesen war, feierte sich die Fußballstadt im Revier als Nummer eins der Republik: "Deutscher Meister wird nur der BVB", klang es schon vor Spielbeginn im mit mehr als 81.000 Besuchern gefüllten größten Stadion des Landes. Und nach dem Schlusspfiff des Gipfeltreffens gegen den Tabellenzweiten aus Mönchengladbach nahmen all die Sprechchöre noch an Lautstärke und Intensität zu.

Es war ein echter Festtag, das runderneuerte börsennotierte Unternehmen erlebt derzeit eine Renaissance, die selbst die kühnsten Optimisten noch vor wenigen Monaten nicht für möglich gehalten hätten. Durch den wenig glanzvoll herausgespielten 2:1 (1:1)-Erfolg gegen die Borussia vom Niederrhein distanzierten die Dortmunder den ersten Verfolger auf neun Punkte und gehen selbst dann mit sechs Punkten Vorsprung in die Bundesliga-Winterpause, wenn der Rekordmeister aus München am heutigen Samstag seine Begegnung in Frankfurt gewinnen sollte.

Obwohl sie nicht brillierten, bestanden die Dortmunder nach der ersten Bundesliga-Niederlage dieser Saison in Düsseldorf am vergangenen Dienstag den mentalen Crash-Test mit Bravour. Entsprechend riesig ist die Begeisterung in einer Stadt, die seit jeher äußerst empfänglich ist für große Gefühle.

Selbst ein Mann wie Michael Zorc, für den Understatement normalerweise selbstverständlich ist, ließ sich mitreißen von den großen Gefühlen, die sich rund um das Westfalenstadion ausbreiteten. Dortmunds Sportdirektor sprach von einer "fast perfekten Leistung", was einer klaren Übertreibung gleichkam, die der Euphorie des schönen Augenblicks geschuldet war. Kurz darauf sprach das Dortmunder Urgestein von der "zweitbesten Hinrunde seit 100 Jahren". Auch das war ein wenig dick aufgetragen aber durchaus verzeihlich. Seriöse Vergleichswerte können erst seit Gründung der Bundesliga im Jahr 1963 gezogen werden, und da war der BVB tatsächlich nur in der Meistersaison 2010/2011 einen Tick besser als jetzt.

Favres Team galoppiert in Liga vorweg

De facto hatte sich der ersatzgeschwächte BVB gegen ebenso dezimierte Gladbacher ziemlich schwer getan, eine unglaublich starke Hinrunde mit einem Erfolgserlebnis zu beenden. Die Borussia aus dem Ruhrgebiet produziert zum Ende des Jahres nicht mehr die mitreißende Leidenschaft wie beim fulminanten Sieg gegen die Bayern oder beim Champions-League-Festakt gegen Atlético Madrid, als die spanischen Abwehrkünstler mit einem historisch hohen 4:0 aus dem heimischen Stadion gefegt wurden.

Doch das vergleichsweise biedere 2:1 gegen die Gladbacher interessierte drei Tage vor Heiligabend nur am Rande, weil das große Ganze alles überstrahlt. Seit Lucien Favre seinen Dienst beim Traditionsklub angetreten hat, fordert er gebetsmühlenartig ein, er benötige Zeit und Geduld, um ein Team weiter zu entwickeln, in dem es von hochkarätigen Fußballern und tollen Talenten nur so wimmelt. Längst hat die Realität den Zweifler aus der Schweiz eingeholt, sein Team galoppiert in der Liga vorweg, hat die Champions-League-Vorrunde als Erster bewältigt und ist auch im Pokal noch richtig gut dabei.

"Wir arbeiten viel und geben unser Bestes"

Wenn Favre auf den formidablen Ist-Zustand seines Ensembles angesprochen wird, lächelt er weise und zählt auf, wie juvenil seine Belegschaft sei. Der fabelhafte Jadon Sancho (18 Jahre), dem gegen Gladbach ein wunderbarer Treffer gelang, Jacob Bruun Larsen (20), Achraf Hakimi (20), Dan-Axel Zagadou (19) und Christian Pulisic (20), das alles sind aufstrebende Stars, die den mittelfristigen Werdegang von Favres Mannschaft in rosigem Licht erscheinen lassen. Dazu kommen gestandene Größen wie Thomas Delaney, Axel Witzel, Marco Reus und Torjäger Paco Alcácer, die jeder Zeit in der Lage sind, aus einer hochtalentierten Mannschaft einen Champion zu machen.

Favre, der Baumeister dieses erstaunlich konstanten Gebildes, wird in diesem Leben mit Sicherheit kein Meister der Rhetorik werden. Das muss er auch nicht, solange er solch konstante Ergebnisse abliefert, wie er das in Dortmund bislang tut. Nach dem Sieg gegen seinen Ex-Klub aus Mönchengladbach ließ sich der 61-Jährige Sätze wie diese entlocken: "Wir arbeiten viel und geben unser Bestes. Wir arbeiten weiter, unser nächstes Spiel ist am 19. Januar in Leipzig." Wow, da muss man erst mal drauf kommen.

Es bleibt dabei, dass die Dortmunder in erster Linie auf dem Rasen zeigen, dass sie zu Großem berufen sind. Alles andere ist nicht so wichtig. Das erste Etappenziel ist erreicht, nun gilt es, die zweite Hälfte in den Fokus zu nehmen. Doch wer wollte daran zweifeln, dass Borussia Dortmund im neuen Jahr weniger zielgerichtet agiert? Kapitän Marco Reus, der als Musterschüler von Favre gilt, sagte nach dem letzten Spiel des Jahres: "25 Spiele in der Hinrunde haben echt viel Kraft gekostet. Jetzt sind wir froh, dass wir mal Pause haben." Derzeit spricht wenig dafür, dass eine ausgeruhte Borussia nach der Winterpause weniger tatendurstig agiert als in der Hinrunde dieser Saison.

Quelle: n-tv.de


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