Und ewig nervt der Diesel

  22 Januar 2019    Gelesen: 868
Und ewig nervt der Diesel

Mehr als drei Jahre nach dem Sündenfall der deutschen Automobilindustrie, dem Dieselskandal, kommt die Bundesrepublik nicht zur Ruhe: In immer mehr Städten drohen Fahrverbote, gleichzeitig stehen die EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxid in der Kritik. Was ist da nur immer los mit diesem Diesel?

Es gibt Themen über die man reden muss, obwohl man gar nicht über sie reden möchte. Die Diesel-Debatte ist eines davon: Erst erschütterte der Dieselskandal das Vertrauen der Bürger in die Automobilindustrie, zwischenzeitlich ist auch noch der Streit um Fahrverbote und willkürlich wirkende Stickoxid-Grenzwerte in der EU dazugekommen. Das Image der Bundesrepublik als Automobilnation ist jedenfalls nachhaltig beschädigt - im Inneren wie im Äußeren. Weil den Kopf in den Sand zu stecken die mannigfaltigen Probleme aber auch nicht lösen wird muss eben weitergeredet werden - auch, wenn es weh tut.

Bei "Hart aber fair" diskutieren am Montagabend Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe, der Grünen-Politiker Cem Özdemir, der Präsident des Verbands der Automobilindustrie Bernhard Mattes, CDU-Staatssekretär Oliver Wittke sowie der Pneumologe Professor Dieter Köhler über ein Thema, das für viele Deutsche mittlerweile ein rotes Tuch ist: "Grenzwerte geschätzt, Motoren manipuliert: Ein Land im Diesel-Wahn?", fragt Moderator Frank Plasberg.

"Überhaupt nicht gefährlich"

In den ersten 15 Minuten der Sendung kommt fast nur Dieter Köhler zu Wort. Der Lungenfacharzt hält den EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid für Panikmache: "Ich hätte keine Bedenken, an der schmutzigsten Straße Stuttgarts zu wohnen, auch nicht bei geöffnetem Fenster. Nur der Lärm würde mich stören", sagt Köhler. Der Pneumologe bemängelt die "miserable Studienlage" und bringt ein anschauliches Beispiel: " Stickoxide in diesen Grenzwerten sind überhaupt nicht gefährlich. Wir reden von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter, das ist der Grenzwert. Ein Raucher beispielsweise erreicht über 200.000 Mikrogramm pro Kubikmeter, wenn er eine Zigarette raucht - und er fällt ja nicht tot um."

Legte man für die Berechnung der Folgen des Stickstoffdioxidbelastung bei Rauchern die gleichen Daten zugrunde wie bei der Außenluft, "wären alle Raucher innerhalb von sechs Wochen tot." Wie viele von Köhlers anderen Vorstößen ist auch dieser ein Fall für den Faktencheck, den die Sendung immer am Dienstagmittag veröffentlicht. Bis dahin bleibt den Zuschauern nichts anderes übrig, als entweder Köhler oder Barbara Metz Glauben zu schenken: "Ich kenne jede Menge Pneumologen, die auch im Verband aktiv sind und eine gegenteilige Meinung zu Herrn Köhler vertreten", sagt die stellvertretende Geschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe, die nicht nur als direkte Gegenspielerin des Lungenarztes auftritt, sondern auch den Präsident des Verbands der Automobilindustrie im Visier hat.

Dabei bräuchte Bernhard Mattes gar keinen Nemesis, der Autoboss katapultiert sich auch ohne fremdes Zutun zielsicher ins Aus. "Wir tun nicht das, was wir können, sondern nur das, wozu wir gesetzlich gezwungen werden", übersetzt Frank Plasberg ein Schreiben von BMW auf eine Anfrage von "Frontal 21", warum Hardware-Nachrüstungen in den USA bereits gang und gäbe sind, in Deutschland allerdings noch nicht - und Mattes versucht nicht einmal zu dementieren, sondern verpackt Plasbergs Worte einfach nur schöner. Das allerdings noch nicht einmal besonders geschickt, weshalb wir uns den O-Ton an dieser Stelle sparen.

"Wir müssen das neue Auto erfinden"

Etwas ungeschickt präsentiert sich auch Cem Özdemir in der Debatte. Der langjährige Grünen-Vorsitzende wärmt im Grunde nur alte Streitpunkte wieder auf und verfehlt dabei häufig das Thema: "Wir Deutsche, die wir vor 120 Jahren das Auto erfunden haben, müssen auch dafür sorgen, das neue Auto zu erfinden. Und das muss emissionsfrei fahren", ist einfach zu platt für eine Diskussion, die in der Tiefe geführt werden will.

Auf ganzer Linie kann dafür Oliver Wittke überzeugen. Der CDU-Politiker hat starke Argumente im Gepäck und nimmt das Dogmatische aus der Debatte: "Ich wende mich dagegen, dass ganz Deutschland vergiftet wird. Tatsache ist, dass die Lebenserwartung zugenommen hat und wir die Stickoxid-Werte in den vergangenen 20 Jahren halbiert haben", beruhigt Wittke die aufgeheizte Stimmung. Trotzdem sei es wichtig, auch die aktuellen Grenzwerte ernstzunehmen.

Tatsächlich ist das wohl auch die Botschaft, die nach dieser Sendung hängenbleiben wird: Nein, es ist nicht alles in Butter. Ja, wir haben noch einen weiten Weg vor uns. Und nein, wir werden auf dem Weg dorthin nicht alle sterben. Und das ist doch für den Anfang schon mal eine ganz gute Nachricht.

Quelle: n-tv.de


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