Daran hakt es bei der Zug-Fusion von Siemens/Alstom

  29 Januar 2019    Gelesen: 1263
Daran hakt es bei der Zug-Fusion von Siemens/Alstom

München/Brüssel (Reuters) - Siemens und Alstom haben einen letzten Versuch unternommen, die Fusion zum weltweit zweitgrößten Hersteller von Zügen und Signaltechnik mit weitergehenden Zugeständnissen doch noch zu retten.

Doch die Chancen, dass sie EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager in letzter Minute noch umstimmen, sind Insidern zufolge gering. Dabei hatten sich die beiden Fusionspartner im Vorfeld eigens des Rückhalts der Regierungen in Paris und Berlin für ihren “Airbus auf Schienen” mit einem Umsatz von 15 Milliarden Euro versichert. Doch das Argument, Siemens und Alstom müssten sich der wachsenden Konkurrenz des doppelt so großen chinesischen Rivalen CRRC erwehren, verfängt in Brüssel offenbar nicht.

WAS KÖNNEN SIEMENS UND ALSTOM NOCH BIETEN?

Der ehemaligen dänischen Wirtschaftsministerin Vestager ist vor allem die Marktposition einer künftigen Siemens Alstom bei Hochgeschwindigkeitszügen wie dem ICE und dem TGV sowie in der Signaltechnik ein Dorn im Auge. Sie fürchtet Preissteigerungen für die Bahnkunden, weil beide in Europa fast ohne Konkurrenz wären. Das Argument, dass CRRC mit Macht und Dumpingpreisen - wie heute schon in Nordamerika - auf die europäischen Märkte dränge, lässt sie nicht gelten. Siemens und Alstom seien auch allein stark genug, um sich gegen die Konkurrenz zu behaupten.

Doch Siemens und Alstom wollen nur Firmen mit einem Umsatz von 600 Millionen Euro verkaufen. Sie setzen auf die Vergabe von zeitlich befristeten Lizenzen für Teile der Signaltechnik - und für die Zug-Plattform “Velaro Novo”, auf der der ICE 4 basiert. Letztere dürfte nach dem nachgebesserten Vorschlag ein Rivale für zehn (bisher fünf) Jahre exklusiv nutzen - allerdings nicht in Deutschland, wo Siemens die Deutsche Bahn beliefert und darauf nicht verzichten will. Einen Käufer für die Velaro-Lizenz hätte Siemens Finanzkreisen zufolge schon zur Hand.

WELCHE CHANCEN HABEN SIEMENS UND ALSTOM?

Der neue Vorstoß komme “weit, weit nach der üblichen Frist”, kritisierte Vestager am Wochenende. Sie werde ihn aber noch prüfen lassen. Die EU-Kommission hat bis zum 18. Februar Zeit, ihre Prüfung abzuschließen. Doch bereits vor einer Woche waren Signale aus Vestagers Ressort gekommen, dass Brüssel Nein sagen werde. Die Wettbewerbshüter hatten in einem “Markttest” rund 150 Kunden und Konkurrenten von Siemens und Alstom befragt. Die Nachbesserungen müssten EU-Diplomaten zufolge alle ihre Bedenken ausräumen, damit Vestager noch Spielraum hat.

Allerdings hat sie sich in den vergangenen Wochen mehrfach weit aus dem Fenster gelehnt, was ihre Skepsis gegen die Fusion angeht. Die Wirtschaftsminister von Deutschland und Frankreich, Peter Altmaier und Bruno Le Maire, trommeln zwar für Siemens und Alstom. Doch weder Bundeskanzlerin Angela Merkel noch Präsident Emmanuel Macron haben sich seit der Ankündigung im Herbst 2017 geäußert, sie überlassen das ihren Ministern. Und unter ihren 27 Kollegen in der Kommission, die formal gemeinsam über derartige Projekte entscheidet, ist sich Vestager des nötigen Rückhalts sicher. “Das Kollegium ist sich einig”, heißt es in EU-Kreisen. Dort träten die Vertreter Deutschlands und Frankreichs deutlich leiser auf als in der Öffentlichkeit.

WAS PASSIERT, WENN DIE ÜBERNAHME SCHEITERT?

Wenn die EU die Fusion ablehnt, müssten Siemens und Alstom ein Jahr warten, bis sie einen neuen Anlauf starten könnten. Ziehen sie ihren Antrag vorher zurück, könnten sie es früher noch einmal versuchen - etwa nach der EU-Parlamentswahl im Mai, wenn eine neue Kommission ins Amt kommt, die einen neuen Blick auf die Wettbewerbspolitik hat als die Liberale Vestager. Die Franzosen monieren hinter vorgehaltener Hand, dass die heutigen Regeln nicht mehr zur weltpolitischen Realität passten. Wenn die EU als einzige noch an Wettbewerbsregeln glaube, alle anderen sie aber verletzten, spiele sie damit den Chinesen in die Hände. In Brüssel glaubt man dagegen, dass eine Verletzung der eigenen Regeln das falsche Signal an China wäre.

Doch ob Siemens-Chef Joe Kaeser überhaupt einen neuen Anlauf nehmen wollte, ist ungewiss. Wenn die Fusion nicht klappe, “dann haben wir das beste Mobilitätsunternehmen der Welt”, sagte er im November. Siemens Mobility allein an die Börse zu bringen, wäre Unternehmenskreisen zufolge ein möglicher “Plan B”. Es wäre dann die dritte börsennotierte Tochter nach der Windkraft-Sparte Siemens Gamesa und der Medizintechnik-Tochter Siemens Healthineers - nur eben in Frankfurt und nicht wie die geplante Siemens Alstom SA in Paris.


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