Und wieder auf nach Brüssel

  30 Januar 2019    Gelesen: 946
Und wieder auf nach Brüssel

Irgendwie ist das ja auch schon ein Sieg, zumindest gefühlt: Das Unterhaus gibt Premierministerin May den Auftrag, noch einmal in Brüssel beim Brexit-Deal nachzuverhandeln. Die EU schließt zwar Änderungen aus, aber das ficht die Tories nicht an.

Nun also schon wieder. Nur acht Wochen vor dem geplanten EU-Ausstieg will die britische Premierministerin Theresa May nach Brüssel reisen. Wieder einmal will sie den mit der EU ausgehandelten Brexit-Deal nachverhandeln. Und wieder einmal macht die EU gleich unmissverständlich klar: Ein solches Unterfangen ist hoffnungslos.

Doch offenbar sehen dies die meisten Tory-Abgeordneten anders. Nach einer siebenstündigen hitzigen Debatte und einem Abstimmungsmarathon votierte eine Mehrheit von 317 Unterhaus-Abgeordneten für den Plan des konservativen Abgeordneten Graham Brady. Dieser sieht vor, dass die umstrittene Backstop-Regelungen zu Irland durch "alternative Arrangements" ersetzt wird, die May in den nächsten Tagen in Brüssel durchsetzen soll.

Wie das geschehen soll und wie diese "alternativen Arrangements" aussehen könnten, bleibt allerdings im Dunkeln. Erst im Dezember hatte May eine geplante Abstimmung im Unterhaus kurzfristig abgesagt mit der Begründung, in Brüssel noch Verbesserungen am Brexit-Deal - insbesondere am Backstop - zu erreichen. Und tatsächlich klapperte sie alle wichtigen Hauptstädte ab, ohne jedoch viel mehr als kosmetische Änderungen zu erreichen. Stattdessen blieb das verzweifelte Bild von ihr hängen, wie sie in Berlin in einer Limousine gefangen saß, deren Tür sich nicht öffnen ließ.

Auch diesmal klemmt einiges, und dass sie in einer unmöglichen Mission unterwegs ist, müsste May eigentlich wissen. Kaum hatte das Parlament für Nachverhandlungen an ihrem vor zwei Wochen abgeschmetterten Brexit-Deal gestimmt, lehnte EU-Ratspräsident Donald Tusk diese bereits ab. "Der Backstop ist Teil des Ausstiegsabkommens und das Abkommen kann nicht neu verhandelt werden", sagte sein Sprecher. "Der Europäische Rat im Dezember war bei dem Punkt sehr klar."

Die EU besteht auf einem Backstop, um eine harte Grenze zwischen Nordirland und Irland zu verhindern und damit auch ein Wiederaufflammen der blutigen Unruhen. Tatsächlich ist der Backstop eine Art Versicherung und greift nur, wenn sich Großbritannien in den nächsten Jahren nicht mit der EU auf ein Handelsabkommen einigt. Dann soll das Vereinigte Königreich in der Zollunion und Nordirland auch im Binnenmarkt bleiben, zum Ärger nicht nur von Ultra-Brexiteers. Schließlich verliefe somit eine Grenze zwischen der britischen Hauptinsel und Nordirland, und viele Briten befürchten zudem einen dauerhaften Verbleib in der Zollunion.

May: "Glauben an die Demokratie" erneuern


Im Parlament zeigte sich May nun so kämpferisch, als habe es nie die monatelangen zähen Diskussionen über den Backstop gegeben. In den vergangenen zwei Jahren habe die EU viele Zugeständnisse gemacht in Bereichen, in denen sie solche vorher ausgeschlossen habe, sagte May. Allerdings musste auch sie einräumen, dass es in der EU "einen begrenzten Appetit" für solche Änderungen gebe. Aber das Unterhaus habe sehr klar gemacht, dass es ein modifiziertes Abkommen unterstützen werde. Und es könne so "den Glauben in die Demokratie" wieder erneuern.

Auch ihr alter Parteifeind, Brexit-Vorkämpfer Boris Johnson, gab sich nach der Abstimmung zuversichtlich, dass London die EU zu Änderungen bringen werde. Die Premierministerin sei sehr klar gewesen, und sie könne bei einem Verhandlungserfolg "mit der großen Unterstützung des Hauses rechnen", sagte er strahlend der BBC. Und der ehemalige Außenminister, der bisher kaum eine Gelegenheit ausgelassen hatte, May vorzuführen, fügte noch hinzu: "Und glauben Sie mir: Sie kann es."

Ob er es selber glaubt? Längst nicht alle im Unterhaus zeigen sich in dieser Frage zuversichtlich. Die Grünen-Politikerin Caroline Lucas warf May vor, Fantasien zu verfolgen. Ian Blackford  von der Scottish National Party warf den Konservativen vor, dass Karfreitagsabkommen, das 1998 einen Frieden in Irland sicherte, zu missachten. Neben dem Brady-Abkommen stimmte die Opposition, gemeinsam mit einigen Tory-Rebellen, außerdem mit knapper Mehrheit für einen Antrag, der einen harten Brexit ablehnt. Auf einen solchen steuert das Königreich automatisch am 29. März zu, wenn es sich bis dahin nicht auf ein Abkommen mit der EU einigt. Der Antrag ist zwar rechtlich nicht bindend, dürfte aber die Regierungschefin weiter unter Druck setzen.

Diese machte noch im Unterhaus klar: Sollte sie keinen Erfolg bei Nachverhandlungen mit der EU haben, will sie spätestens am 13. Februar vor dem Unterhaus eine Erklärung abgeben. Für den Tag darauf, also am 14. Februar, plant May eine Abstimmung zu ihrer Erklärung. Dies sei der eigentliche D-Day der Regierung, kommentierte ein Journalist der "Times" nach der Abstimmung. Ein D-Day von vielen.

Quelle: n-tv.de


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