„Deutschland ist heute ein starkes Bollwerk“

  31 Januar 2019    Gelesen: 737
„Deutschland ist heute ein starkes Bollwerk“

Der israelische Historiker und Holocaust-Überlebende Saul Friedländer hat im Bundestag an die Verantwortung der Deutschen für die Gräuel des Nationalsozialismus erinnert. Zugleich forderte er vom heutigen Deutschland Standfestigkeit gegen neue zerstörerische Kräfte.

In der Gedenkveranstaltung des Parlaments sagte Friedländer, im Nationalsozialismus hätten sich Millionen Deutsche der Mittäter- oder Mitwisserschaft schuldig gemacht. Spätestens im Frühjahr 1943 sei bekannt gewesen, dass Juden im Osten zu Tausenden ermordet wurden, betonte der Historiker. Die Juden seien für Nazi-Deutschland der Inbegriff alles Bösen gewesen, aber auch andere Bevölkerungsgruppen seien Opfer geworden: Sinti und Roma, Menschen mit Behinderungen oder russische Kriegsgefangene. Auch ihrer müsse man gedenken. 

Friedländer betonte, die Staatsgründung Israels sei existenziell gewesen für Juden wie ihn, die nach dem Krieg staaten- und heimatlos gewesen seien. Das Existenzrecht Israels zu verteidigen, sei seiner Überzeugung nach eine grundsätzliche moralische Verpflichtung. Heute mehr denn je, in einer Zeit, in der rechts- wie linksextreme Kräfte erstarkten.

Heute ein Bollwerk für Demokratie
„Antisemitismus ist nur eine der Geißeln, von der jetzt eine Nation nach der anderen befallen wird“, warnte Friedländer. „Fremdenhass und sich weiter verschärfender Nationalismus sind überall auf der Welt auf einem besorgniserregenden Vormarsch.“ Deutschland sei heute zu einem der stärksten Bollwerke geworden gegen eben jene zerstörerischen Kräfte, und er hoffe, dass es die moralische Standfestigkeit besitze, um für die wahre Demokratie zu kämpfen.

Friedländer beendete seine Gedenkrede mit einem Zitat des Widerstandskämpfers Hans von Dohnanyi, der im April 1945 im Konzentrationslager Sachsenhausen ermordet wurde, weil er Juden zur Flucht in die Schweiz verholfen hatte. Nach seinen Beweggründen für sein Handeln gefragt, habe er damals geantwortet: „Es war einfach der zwangsläufige Gang eines anständigen Menschen“.

Die Gedenkstunde im Bundestag erinnert an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch russische Streitkräfte Ende Januar 1945. Bundestagspräsident Schäuble betonte die Notwendigkeit, die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wach zu halten. Man verneige sich vor dem Schicksal jedes Einzelnen, sagte er. Aus der deutschen Schuld erwachse die Verantwortung, „nicht vergessen zu dürfen“.

Wolffsohn für neue Erinnerungskultur
Der Münchner Historiker Wolffsohn plädierte im Deutschlandfunk für eine neue Erinnerungskultur. 40 Prozent aller Jugendlichen in Deutschland wüssten nicht, was Auschwitz gewesen sei – offensichtlich gehe das bisherige Gedenken an der Bevölkerung vorbei.

 

deutschlandfunk


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