Das Ende des Optimismus

  15 Februar 2019    Gelesen: 847
Das Ende des Optimismus

Immerhin für Glamour ist gesorgt: Ivanka Trump kommt mitsamt Mann zur Münchner Sicherheitskonferenz. Doch ob es auch was bringt? "Die globale Sicherheitslage ist heute gefährlicher als jemals zuvor seit dem Zerfall der Sowjetunion", warnt Top-Diplomat Ischinger.

Mehr als 600 Teilnehmer, darunter 35 Staats- und Regierungschefs und rund 80 Außen- und Verteidigungsminister: Kurz vor der Münchner Sicherheitskonferenz, die an diesem Freitag beginnt, nennt deren Chef Wolfgang Ischinger das Treffen das "wichtigste und größte" seit der Gründung. Doch ist das ein gutes Zeichen? Denn Ischinger sagt auch: "Die globale Sicherheitslage ist heute gefährlicher als jemals zuvor seit dem Zerfall der Sowjetunion."

Die Lage ist brenzlig und das liegt nicht nur an Russlands Präsident Wladimir Putin, den viele nach der Krim-Annexion und dem Krieg in der Ostukraine als den größten Unsicherheitsfaktor in der Weltpolitik ansahen. Vielmehr hat sich seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump einiges verschoben. Niemand konnte laut Ischinger ahnen, dass nun "ausgerechnet ein US-Präsident alles Etablierte in Frage" stelle: den Freihandel, die Nato, den ganzen westlichen Wertekanon. "Das hat nicht nur für uns in Europa massive Folgen."

Für Ischinger ist es immerhin ein Trost, dass in diesem Jahr die größte US-Delegation anreist, die jemals an der jährlichen Sicherheitskonferenz teilgenommen hat: neben zahlreichen Senatoren und Abgeordneten auch Vizepräsident Mike Pence und Präsidententochter sowie -beraterin Ivanka Trump mit ihrem Mann Jared Kushner, der nicht nur Schwiegersohn, sondern auch Chefberater und Nahost-Sonderbeauftragter des Präsidenten ist. Während das Ehepaar Trump-Kushner vor allem für etwas Glamour sorgen dürfte, ist Pence wohl für den Zündstoff zuständig, von dem es mehr als genug gibt.

Dabei dreht sich der Streit besonders im transatlantischen Bündnis vor allem um die Frage: Wie verlässlich sind die USA unter Donald Trump noch für ihre westlichen Verbündeten? Bundeskanzlerin Angela Merkel, die auf der Konferenz sprechen wird, sagte am vergangenen Wochenende: "Der Multilateralismus, also die Überzeugung, dass wir miteinander mehr gewinnen als wenn wir gegeneinander arbeiten, steht zur Debatte." Sie wolle sich in München für internationale Zusammenarbeit einsetzen. Womit sie allerdings auf Widerstand der Trump-Vertrauten stoßen dürfte.

Denn gerade die unilateralen Vorstöße von dessen Regierung haben in den vergangenen Monaten zu Verwerfungen in der Außenpolitik geführt - auch innerhalb des westlichen Bündnisses. Deutlich zeigte sich dies, als die USA einseitig im vergangenen Jahr aus dem jahrelang verhandelten Atomabkommen mit dem Iran ausstiegen und die Sanktionen gegen das Land verschärften. In dieser Woche nutzten die USA die von ihnen initiierte Nahost-Konferenz in Warschau, um ihre harsche Haltung gegenüber Teheran deutlich zu machen und von der EU den Ausstieg aus dem Atomabkommen zu fordern. Pence nannte den Iran die "größte Bedrohung" in der Region und warnte, Teheran wolle einen "neuen Holocaust" vorbereiten. Die EU will allerdings an dem Abkommen festhalten. Zur Umgehung der US-Wirtschaftssanktionen, die zahlreiche europäische Firmen treffen könnten, gründeten Deutschland, Frankreich und Großbritannien bereits eine Zweckgesellschaft namens Instex, über die der Zahlungsverkehr bei Iran-Geschäften abgewickelt werden kann. In München wird am Sonntag auch der iranische Außenminister Mohammed Sarif sprechen, dem laut Ischinger klar sein dürfte, "dass das hier kein Zuckerschlecken ist".


Trumps unabgestimmte Außenpolitik in Afghanistan sorgt bei seinen Nato-Verbündeten ebenfalls für Befremden und ist ein wichtiges Thema in München. So hat der US-Präsident, der auf ein Abkommen mit den radikalislamischen Taliban hofft, angekündigt, rund die Hälfte der am Hindukusch stationierten 14.000 US-Soldaten abzuziehen. Da sie dort das Rückgrat der Nato-Mission "Resolute Support" bilden, bliebe dies nicht ohne Folgen für die Verbündeten: Vermutlich könnte dann der Nato-Einsatz nicht mehr fortgeführt werden, auch rund 1200 Bundeswehr-Soldaten beträfe dies. Bundeskanzlerin Merkel knüpfte deren Einsatz bereits an die weitere Präsenz der US-Truppen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg , der ebenfalls nach München kommt, beharrt darauf, dass die Nato den Afghanistan-Einsatz gemeinsam beschlossen habe und auch "Entscheidungen über die Zukunft der Mission gemeinsam treffen" werde. Der amtierende US-Verteidigungsminister Patrick Shanahan bemühte sich in diesem Punkt um Beruhigung: Die USA würden ihre Soldaten nur nach Absprache mit den Verbündeten abziehen, sagte er bei einem Nato-Treffen am Donnerstag in Brüssel. "Es wird abgestimmt erfolgen."


Wenig abgestimmt mit den Verbündeten hatte Trump allerdings bereits im Dezember den Abzug der derzeit noch rund 2000 US-Soldaten in Syrien verkündet. In der vergangenen Woche erklärte er, die Anti-IS-Koalition stehe kurz vor dem Sieg. Verbündete sehen dies deutlich skeptischer. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Wir wissen, dass der IS nicht geschlagen ist, aber dass er sein Gesicht, seine Vorgehensweise verändert." Sie rief dazu auf, in München intensiv darüber zu sprechen, wie dessen überregionale Ausbreitung über Untergrundnetzwerke bekämpft werden könne.


Die Verteidigungsausgaben in der Nato sind für Trump bereits seit seinem Amtsantritt ein Thema, immer wieder warf er vor allem Deutschland vor, das Militärbündnis nicht ausreichend zu "bezahlen" oder ihm Geld zu "schulden". Auch in München wird dies mit Sicherheit eine Rolle spielen. Zwar umschmeichelte Pence einen Tag vor der Sicherheitskonferenz Stoltenberg mit dem ungewöhnlichen Kompliment: "Der Generalsekretär ist eine Maschine." Doch das dürfte nicht die grundsätzliche Kritik an den Nato-Mitgliedstaaten abmildern. Diese hatten 2014 gelobt, in den kommenden zehn Jahren ihre Wehrausgaben in Richtung 2 Prozent des Inlandsprodukts zu erhöhen. Doch die Realität sieht bei vielen Staaten anders aus. Deutschland gibt derzeit rund 1,3 Prozent seines BIP für Verteidigung aus, bis 2024 strebt es lediglich eine Steigerung auf 1,5 Prozent an. US-Verteidigungsminister Shanahan machte in dieser Woche einmal mehr deutlich, dass die deutschen Verteidigungsausgaben angesichts der gegenwärtigen Bedrohungslage zu niedrig seien.


Ein weiteres brisantes Thema, das an längst vergangene Zeiten des Kalten Krieges erinnert, ist der Ausstieg aus dem INF-Vertrag, der einen Verzicht auf landgestützte atomare Mittelstreckenwaffen vorsieht. Die USA und Russland, die sich gegenseitig Verstöße gegen den Vertrag vorwerfen, erklärten Anfang Februar, sich ab sofort nicht mehr an das Abkommen gebunden zu fühlen. Moskau kündigte bereits an, schnell neue Raketen mit höherer Reichweite zu bauen. Nato-Generalsekretär Stoltenberg will in München nun mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow sprechen. "Unser Hauptfokus ist es, den Vertrag zu erhalten." Die Folgen eines Auslaufens des Vertrags in sechs Monaten sieht nicht nur Stoltenberg als "sehr ernst". Während er als mögliche Reaktion der Nato erwägt, neue konventionelle Waffensysteme in Europa zu stationieren, geht Bundesverteidigungsministerin von der Leyen noch weiter. Sie wollte auch Atomwaffen nicht ausdrücklich ausschließen. Ähnlich äußerte sich der britische Außenminister Gavin Williamson, der zusammen mit von der Leyen die Sicherheitskonferenz am Mittag eröffnen wird: "Wir haben jetzt noch sechs Monate Zeit …, aber dann müssen alle Optionen auf den Tisch kommen."


Es bleibt nicht viel Zeit, und nicht nur die Münchner Sicherheitskonferenz steht in den kommenden zwei Tagen vor einer großen Herausforderung. Der "Munich Security Report", der im Vorfeld des Treffens erschien, klingt daher auch alles andere als positiv. Die Periode unmittelbar nach dem Ende des Kalten Kriegs und der generelle Optimismus danach seien zu einem Ende gekommen, heißt es darin. Wie die neue Ordnung aussehe, sei unklar. Wie unklar, deutet nicht zuletzt der Titel des Reports ans: "Das große Puzzle: Wer wird die Teile aufsammeln?"


Quelle: n-tv.de


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