Streitpunkt Herkunftsländer: Bundesrat legt Gesetzgebung lahm

  15 Februar 2019    Gelesen: 843
  Streitpunkt Herkunftsländer: Bundesrat legt Gesetzgebung lahm

Sind Tunesien, Algerien, Marokko und Georgien sichere Herkunftsländer? Die Bundesregierung und mehrheitlich auch der Bundestag haben dem bereits zugestimmt. Im vergangenen Jahr hatten 7885 Flüchtlinge aus diesen Staaten einen Asylantrag gestellt. Doch der Bundesrat hat die benötigte finale Abstimmung über das Thema nun spontan verschoben.

Asylbewerber aus den Maghreb-Staaten werden zwar nur selten als Flüchtlinge anerkannt. Sie bleiben aber trotzdem oft als Geduldete oder aufgrund von Abschiebehindernissen länger in Deutschland. Georgier dürfen seit zwei Jahren sogar ohne Visum in die EU-Staaten reisen. Die Bundesregierung will Tunesien, Algerien, Marokko und Georgien nun zu sicheren Herkunftsstaaten erklären. Als „sicher“ werden Staaten eingestuft, bei denen vermutet wird, dass es in der Regel weder politische Verfolgung noch unmenschliche Bestrafungen gibt. Das soll schnellere Asylentscheidungen ermöglichen und Menschen aus diesen Staaten davon abbringen, sich auf den Weg nach Deutschland zu machen.

Letzte Hürde nicht genommen…

Nachdem der Bundestag sich mehrheitlich für den Gesetzentwurf der Bundesregierung ausgesprochen hatte, musste am Freitag eigentlich nur noch der Bundesrat zustimmen. Doch genau hier hakt es: Die geplante Abstimmung über die Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsländer wurde spontan verschoben. Das teilte der Vizepräsident des Bundesrates, Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke, zu Beginn der Sitzung am Freitag mit. Einen entsprechenden Antrag hatte die Landesregierung von Thüringen gestellt.

Vor der Sitzung hatte sich bereits abgezeichnet, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung in der Länderkammer keine Mehrheit finden würde, weil von den Ländern mit Regierungsbeteiligung von Grünen und Linkspartei nur Baden-Württemberg zustimmen wollte. Thüringens linker Ministerpräsident Bodo Ramelow erklärte:

„Wir möchten das Angebot unterbreiten, über Asylverfahrensfragen und Statusrechte, die mit diesen Fragen verbunden sind, noch einmal gründlich in Gespräche einzutreten.“

Der Hintergrund des Streits: Vor allem die Grünen verweisen auf Diskriminierung und Verfolgung von Homosexuellen in Nordafrika. Befürworter des Gesetzentwurfes in der Union hatten wiederum erklärt, dass Asylbewerber aus Georgien und den Maghreb-Staaten häufiger straffällig werden als Schutzsuchende anderer Nationalitäten.

Folter und Misshandlungen…

Das Bundesverfassungsgericht hat klare Kriterien für die Einstufung von Staaten als sichere Herkunftsländer formuliert. Demnach muss ein solches Land verfolgungsfrei sein, in allen Regionen und für alle Bevölkerungsgruppen. Das ist nach dem Aussagen von Beobachtern in den Maghreb-Staaten für Homosexuelle, Frauen, Journalisten oder Gewerkschafter nicht immer der Fall. Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International sind Fälle von Verfolgung, Folter und Misshandlungen bekannt.

Ohne Zustimmung des Bundesrats kann der Gesetzentwurf nicht umgesetzt werden. Neben CDU und CSU fordert auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund endlich eine Entscheidung. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg sagte gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“:

"Um eine Überlastung der Behörden und der Gerichte zu vermeiden, dürfen wir keine Zeit verlieren. Entscheidend ist das deutliche Signal an die Menschen in den betroffenen Ländern. Sie sollen erkennen, dass sie kaum eine Chance auf Asyl in Deutschland haben"

Auch Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer nannte die Haltung der Grünen nicht nachvollziehbar. Auf dem Balkan seien die sicheren Herkunftsstaaten eine Erfolgsgeschichte. Diese müsse sich mit Nordafrika wiederholen.

Notbremse vor Abstimmung…

Um Landesregierungen mit Beteiligung der Grünen und Linken für ein „Ja“ zu gewinnen, hatte der Gesetzentwurf eine spezielle Rechtsberatung für Folteropfer, Homosexuelle und andere besonders schutzbedürftige Asylbewerber enthalten, die „aus Scham oder anderen Gründen“ Hemmungen haben könnten, ihre Fluchtgründe detailliert vorzutragen. Da sich dennoch keine Mehrheit für die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten abgezeichnet hatte, wurde die Abstimmung nun vertagt. Wann das Landesparlament erneut zu dem Thema zusammenkommen wird, ist bislang noch unklar.

sputniknews


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