Heidels Transfers kosten Schalke die Identität

  24 Februar 2019    Gelesen: 819
Heidels Transfers kosten Schalke die Identität

Identifikationsfiguren verkauft, Transfers die nicht einschlagen: Manager Christian Heidel übernimmt die Verantwortung für den sportlichen Absturz des FC Schalke 04 - und zieht sich zurück. Die großen Probleme des Klubs löst er damit aber nicht.

Wenn es noch eines Beleges bedurft hätte, dass seine Arbeit viel zu wenig Früchte trägt, so lieferte seine Mannschaft ihm diesen am Samstagnachmittag frei Haus. Manager Christian Heidel war Augenzeuge des blamablen 0:3 (0:1) seines FC Schalke 04 am 23. Spieltag der Fußball-Bundesliga beim FSV Mainz 05 und erlebte, wie ein Spiel, das zum Charaktertest ausgerufen worden war, letztlich zum Offenbarungseid wurde. Nach dem beeindruckend leidenschaftlichen, aber erfolglosen Auftritt in der Champions League gegen Manchester City am vergangenen Mittwoch (2:3) gab's für die Blau-Weißen nun wieder Alltag. Und da wollten sie unter Beweis stellen, dass sie nicht nur gegen die europäische Elite Topleistungen abrufen können. Ein Vorhaben, das krachend scheiterte. Das Team versagte kollektiv, und selbst die mitgereisten und leidgeprüften Fans der Gelsenkirchener verloren die Geduld und schickten ihre Mannschaft unter wüsten Beschimpfungen auf die Heimreise.

Die blutleere Vorstellung der Knappen tat Heidel nach eigenem Bekunden "weh", doch dass sie noch nah an seine emotionale Befindlichkeit heranreichte, darf zumindest bezweifelt werden. Denn als um 17.30 Uhr – also wenige Minuten nach dem Abpfiff – die offizielle und lange vorbereitete Pressemitteilung von seinem Rücktritt als Manager spätestens zum Saisonende über die Ticker lief, war sein Abschied längst beschlossene Sache. Schon am Montag hatte der 55-Jährige den Aufsichtsratschef Clemens Tönnies von seinen Plänen in Kenntnis gesetzt, seinen Trainer Domenico Tedesco informierte er am Vorabend des Spiels. Und dass diese Trennung ausgerechnet dort vollzogen wurde, wo Heidel fast ein Vierteljahrhundert in seiner Wohlfühloase die Geschicke des FSV gelenkt hatte, ist Zufall, aber auch pikante Fußnote in der Geschichte eines offensichtlich großen Missverständnisses. "Ich gehe, weil ich die Gesamtverantwortung für den sportlichen Bereich trage", erklärte Heidel im Sky-Interview. Zudem sei die für eine gedeihliche Zusammenarbeit zwingend erforderliche Ruhe "derzeit nicht zu gewährleisten, was in erster Linie mit Diskussionen um meine Person zusammenhängt".

Wird die "lame duck" schon bald abgelöst?


Dass die Debatten um die sportliche Führung, die angesichts der mäßigen Bilanz einer hochbezahlten Fußball-Truppe über die gesamte Saison schwelten, nach den jüngsten Misserfolgen mit vier Niederlagen aus den vergangenen fünf Pflichtspielen an Heftigkeit zunehmen würden, hat ihn sicher nicht überrascht. Das gehört zu den Gesetzmäßigkeiten einer hochnervösen Branche. Dass sie sich zunehmend auf seine Person konzentrierten, erst recht nach seinen umstrittenen Aussagen in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung", hatte seinen Beschluss weiter reifen lassen. Ob er die weiße Fahne vor den Medien, insbesondere der Springer-Presse, geschwenkt habe, die ihn unter der Woche sturmreif geschossen hatte, wurde er gefragt. "Das können Sie nehmen wie sie wollen, aber das ist ein Kampf, den kannst du nicht gewinnen", antwortete er. "Den kannst du nur aussitzen, aber aussitzen ist nicht mein Stil."

Konsequenterweise geht der Mann, dessen Vertrag noch bis zum Sommer 2020 läuft, nun ein Jahr früher. Bis zum Sommer, so sagte er, werde er "versuchen zu helfen, aber sicher nicht mehr in vorderster Front". Gut möglich, dass für den gebürtigen Mainzer im Pott schon sehr bald Schicht ist. Denn als "lame duck" wird er dem angeschlagenen Schalke in den kommenden Wochen kaum weiterhelfen. Immerhin verzichtet der Mann auf eine Abfindung. Doch dürfte das eingesparte Jahresgehalt im Vergleich zu den kolportierten 156 Millionen Euro, die Heidel seit Amtsantritt in neue Spieler - zumeist Flops - für die Mannschaft ausgegeben hat, eher Peanuts sein.

Die zum Teil heftige Kritik war aber in der Sache nicht unrichtig. Der Ist-Zustand der Gelsenkirchener muss - gelinde gesagt - als miserabel bezeichnet werden. In der Champions League ist das Achtelfinal-Aus nur noch durch ein Wunder zu verhindern. Und in der Bundesliga steht der Klub spätestens nach der gestrigen Niederlage im Abstiegskampf. Ob die Mannschaft bereit dafür ist? "Sie muss es", so Heidel, der sich permanent mit der Kritik einer uninspirierten Spielweise seiner Profis auseinandersetzen muss. Lediglich im Pokal ist noch die Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb möglich. Das ist zu wenig für ein Team, das noch in der abgelaufenen Saison Vizemeister war.

Was wird jetzt aus Tedesco?


Schlimmer aber wiegen die Vorwürfe, dass er nicht in der Lage gewesen sei, Schalker Spielerprominenz mit Perspektive wie Sead Kolasinac, Leon Goretzka und Max Meyer zu halten. Sie gingen ohne Ablösesumme. Und selbst die ertragreichen Transfers von Leroy Sane (für 50 Millionen plus Bonuszahlungen zu Man City) und Thilo Kehrer (für 37 Millionen zu PSG) waren aus Sicht der Fans nichts anderes als das Verscherbeln des Tafelsilbers und der Verkauf der Seele des Vereins. Auch den sehr beliebten Naldo ließ er im Winter ziehen. Für die Identifikationsfiguren verpflichtete Heidel Spieler wie Omar Mascarell, Suat Serdar, Salif Sane, Sebastian Rudy oder Marco Uth. Spieler, für deren Einkauf er im Sommer noch gelobt worden war, die den Fans aber weniger Projektionsfläche bieten als der 18-jährige Nachwuchsstürmer Ahmed Kutucu, der in nur wenigen Wochen zum Publikumsliebling geworden ist. Der Kader, im Winter trotz großer Ankündigungen nur mit City-Talent Rabbi Matondo und Wolfsburg-Reservist Jeffrey Bruma ergänzt, wirkt zusammengewürfelt wie eine Tiefkühlpizza: Kann man mal machen, ist aber auf Dauer harte Kost.

Verwunderlich ist, dass Trainer Tedesco - auch eine mutige und zumindest in der vergangenen Saison hochgelobte Personalentscheidung Heidels - bislang nicht in die Schusslinie geraten ist, obwohl er die sportliche Misere nicht minder zu verantworten hat. Für ihn könnte der Wind nun strammer von vorn blasen, wenn kein Heidel mehr da ist, der Tedescos sportliche Rochaden von Spiel zu Spiel deckelt. Gut möglich auch, dass der Manager nun Opfer seiner Nibelungentreue geworden ist: Er hätte Handlungsfähigkeit beweisen können, indem er Tedesco opfert, einen neuen Coach verpflichtet und seinen Job sichert. Aber das ist nicht Heidel-Style. Nun obliegt es der Vereinsführung, rasch einen Nachfolger zu finden, um den Klub für die neue Spielzeit entsprechend aufzustellen. Ein Kandidat ist Jonas Boldt, zuletzt in Leverkusen tätig und schon vor Monaten von Heidel zur Unterstützung auf Schalke angefragt. Ein anderer Name, der kursiert, ist Klaus Allofs. Für alle gilt der alte Rudi-Assauer-Spruch: "Entweder schaffe ich Schalke, oder Schalke schafft mich." Im Fall von Christian Heidel ist die Antwort gestern gegeben worden.

Quelle: n-tv.de


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