CSU-Aschermittwoch - Lautsprecher stummgeschaltet

  07 März 2019    Gelesen: 768
CSU-Aschermittwoch - Lautsprecher stummgeschaltet

CSU mal anders: Beim Politischen Aschermittwoch in Passau experimentieren die Christsozialen mit Tiefgang statt Tabubruch. Und Markus Söder mit einem neuen Look.

Die Politparty in der zum überdimensionalen Wirtshaus umdekorierten Passauer Dreiländerhalle beginnt mit einem Schockmoment für die Menschen an den Bierkrügen.

Als die Kapelle den Defiliermarsch anstimmt, der stets die Ankunft des bayerischen Ministerpräsidenten verkündet, da sieht es für einen kleinen Moment so aus, als marschiere nicht Amtsinhaber Markus Söder in die Halle ein. Sondern sein grüner Antipode Robert Habeck.

Denn Söder trägt an diesem Politischen Aschermittwoch Dreitagebart und ein am Hals aufgeknöpftes Hemd. Habeck-Style eben. Nahezu tiefenentspannt bewegt sich der Habeck-Söder durch die Menge. Reden im Bierzelt, das hatte er ja bereits im zurückliegenden Landtagswahlkampf häufig behauptet, sei für ihn eine Entspannungsmethode.

Wer Zweifel am neuem Look des Chefs hatte, dem rief Verkehrsminister Andreas Scheuer in seiner Eröffnungsansprache noch zu: Die heutige Veranstaltung sei keine "Verlängerung von Fasching, sondern der Tag, an dem Politik gemacht wird." Nun denn.

Tatsächlich hatte sich die Partei etwas Besonderes ausgedacht. Ein Zeichen gegen Populismus wolle man setzten, so hatte es Markus Söder bereits tags zuvor angekündigt. Manfred Weber, der EVP-Spitzenkandidat für die Europawahl, CSU-Vize und zweite Hauptredner an diesem Mittwoch, sekundierte: Dieses Jahr gehe es um "echte Themen".

Heißt: Echte Themen statt verbaler Schienbeintritte, mit denen CSU-Veteran Franz Josef Strauß die Aschermittwochssause in Passau einst berühmt und berüchtigt gemacht hatte.

Breitbeiner Markus Söder jedenfalls hat sich im letzten halben Jahr vom Raufbold in einen sanften Riesen verwandelt. Einen Reifeprozess habe er in seiner neuen Rolle als Ministerpräsident durchlaufen, behauptet er nun stets in Interviews. Auf Ego-Shows werde er in Zukunft verzichten, stattdessen werde er "Profil mit Stil" praktizieren.

Die Wandlung zum Staatsmann ging so weit, dass Söder zur traditionellen Fastnachtsveranstaltung im fränkischen Veitshöchheim in diesem Jahr ohne Kostüm erschien. Er trug Smoking mit - ein bisschen Spaß muss sein - bunter Fliege. Für Söders Verhältnisse ist das bemerkenswert, schließlich erschien er in den Jahren zuvor als Prinzregent Luitpold, Marilyn Monroe, Shrek - oder Edmund Stoiber.

2019 soll nach dem Willen der Parteiführung das "Jahr der Erneuerung" werden. Die CSU will jünger, dynamischer, weiblicher werden. Auf der Passauer Bühne allerdings findet diese Erneuerung nicht wirklich statt. Die Hauptredner sind Männer, allein eine Passauer Stadträtin darf ein Grußwort sprechen. (Lesen Sie hierdas Newsblog zu den Aschermittwochsveranstaltungen.)

EVP-Spitzenkandidat Weber setzt auf einen sehr selbstbewussten, sehr pro-europäischen Auftritt. Er habe gezeigt, dass er Europa zusammenhalten kann, ruft Weber: "Ich will, ich kann und ich werde Europäischer Kommissionspräsident". Das kommt an im Saal. Söder, früher nicht gerade ein Verbündeter Webers, wird später gar vom "Manfred-Fieber" sprechen.

Europafähnchen sind in der diesjährigen Bierbank-Dekoration omnipräsent. Die tausend weiß-blauen Lebkuchenherzen mit Webers Konterfei aus Zuckerguss, die sein Wahlkampf Team mit nach Passau gebracht hatte, sind schnell vergriffen. Und der Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber schickt einen Emissär der Jungen Union zum Stand mit Fanartikeln, um zumindest noch einen Manfred-Schal zu ergattern.

Doch so schwungvoll Weber redet, besonders viel Mut beweist er nicht. Über den umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbàn, der wegen seiner Anti-Brüssel-Kampagnen vor dem Rauswurf aus der EVP-Parteienfamilie steht, verliert Weber kein Wort. Folglich auch kein kritisches.

Auf Lob für Emmanuel Macrons Europa-Visionen verzichtet Weber ebenfalls. Dafür kündigt er an, die EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei umgehend zu beenden, sollte er Kommissionspräsident werden. Das trägt ihm sehr starken Applaus ein.

Weber sagt, Politik müsse aus der Mitte heraus gestaltet werden "und nicht von rechten Dumpfbacken". Das geht gegen die AfD und die anderen Rechtspopulisten in Europa. Auch Söder nimmt dieses Motiv auf, positioniert sich in seiner Rede gleich zu Beginn ungewohnt deutlich gegen Rechts. Den Wählern der AfD ruft er zu: "Kehrt zurück und lasst die Nazis in der Partei allein."

Insgesamt aber setzt Söder ganz im Sinne seines neuen Images auf für Aschermittwochsverhältnisse eher leise Töne. Er spricht über die schlechte Ausstattung der Bundeswehr ("Es ist peinlich, wenn man Ersatzteile schneller beim Schrotthändler bekommt als bei der Bundeswehr"), klagt über das "No GroKo-Genörgel" der SPD, über Trumps Steuerzölle und die Schülerproteste für mehr Klimaschutz.

Söder wirkt wie ein Boxer, der den Gegner lieber kunstvoll müde tänzelt statt ihn mit Kinnhaken zu traktieren.

Neben der AfD nimmt er sich ausgiebig die "besserwisserischen" Grünen vor. Er wisse wohl, sagt Söder, dass er mit dem Dreitagebart im Gesicht aussehe wie Robert Habeck. Aber "so lässig wie der sind wir schon lange. Bloß wächst bei uns mehr." Da johlen sie im Saal.

Am Ende fällt der Applaus für Söder dennoch ein bisschen geringer aus als für Manfred Weber. Die Menschen stehen auf den Bierbänken und rufen "Manfred, Manfred". Trost für Söder: Die vielleicht längste Menschenschlange desTages gibt es nicht am Bierausschank und auch nicht vor den Herrentoiletten.

Sondern vor einem Selfie-Automaten, in dem sich die Aschermittwochs-Besucher auf ein Bild mit Markus Söder photoshoppen lassen können.

spiegel


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