Die Friedensforschung in der Bundesrepublik beschäftigt sich nicht mehr mit den Ursachen von Konflikten und Kriegen, sondern nur noch mit den Symptomen. Das bedauert der Politikwissenschaftler Werner Ruf. Die Friedensforschung sei bis in die 1980er Jahre der „wissenschaftliche Arm“ der Friedensbewegung gewesen. Aber kurz vor Ende des Kalten Krieges habe sich das gegenseitige Verhältnis verändert.
Das erklärte Ruf am vergangenen Freitag auf dem Jahreskongress der Neuen Gesellschaft für Psychologie (NGfP). Der war dem Thema gewidmet, wie Krieg nach innen und nach außen geführt wird und welche Rolle die Intellektuellen dabei spielen.
Aufgrund veränderter Finanzierungsregeln hätten sich die Friedensforscher den herrschenden Kräften angenähert, die sie vorher kritisierten – weil diese nun vorrangig darüber entschieden, welche Wissenschaftler und Forschungsprojekte finanziell unterstützt werden. Das habe zur Folge gehabt, dass sich auch die Friedensforschung von der Systemkritik auf den Systemerhalt konzentriert habe. Das zeigt sich laut Ruf an den jährlichen Friedensgutachten, die von verschiedenen Instituten gemeinsam herausgegeben werden.
Die angeblich wieder wertfreie Wissenschaft strebe nur noch danach, politikberatend den Systemerhalt zu optimieren, stellte der Politikwissenschaftler fest. Das gelte generell für die Sozialwissenschaften in der Bundesrepublik. Sie lege ihr Hauptaugenmerk zunehmend auf die Rolle der Sprache als Form sozialen Handelns und damit auch von Herrschaft. Doch so werde die Frage, welche Kräfte und Interessen der herrschenden Kreise die Gesellschaft bestimmen, aus dem Blickfeld genommen, stellte Ruf in seinem Vortrag fest.
Die Friedensforschung habe sich spätestens seit dem Ende des Kalten Krieges von der Friedensbewegung entfernt – wenn nicht gar bewusst getrennt. Das zeige sich zum Beispiel am „modisch gewordenen Menschenrechts-Diskurs“, betonte Ruf. „Der fragt nicht mehr nach den Ursachen der Gefährdung menschlichen Lebens, sondern sieht das Elend als gegebenes und möglicherweise bedrohliches Gegenwartsproblem.“
So befürworte die etablierte Friedensforschung inzwischen „Sicherheitskonzepte“ wie das der zivil-militärischen Zusammenarbeit oder der sogenannten Schutzverantwortung, der „Responsibility to protect“, in deren Namen „humanitäre Interventionen“ durchgeführt werden sollen. So habe das den Grünen nahestehende Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen (INEF) 1999 empfohlen, dass das Bundesverteidigungsministerium gemeinsam mit der Friedensforschung künftige „Peacekeeping“-Einsätze der Bundeswehr „realitätsnäher“ vorbereite.
Ein anderes Beispiel für den „Übergang der Friedensforschung zum puren Bellizismus“ sei, dass der damalige Direktor der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung, Harald Müller, kritisierte, dass die Bundesregierung sich 2011 nicht am Nato-Krieg gegen Libyen aktiv beteiligen wollte. „Die Haltung der Bundesregierung im Fall Libyen ist ein moralischer und politischer Fehler“, so Müller damals.
Laut Ruf gilt für die die gegenwärtige Friedensforschung: „Der ‚Markt‘ bestimmt Art und Inhalt der wissenschaftlichen Produktion. Heute erhält Wissenschaft einen Sinn, wenn sie am Markt erfolgreich ist, den jene beherrschen, die über finanzielle Mittel zur Erstellung von Expertisen verfügen.“
So seien das Bundesministerium für Verteidigung, das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wissenschaftliche Zusammenarbeit wichtige Auftraggeber geworden. Ihnen nicht genehme Ergebnisse in bestellten Gutachten und Studien landen schnell in den Schubladen, wie Ruf aus eigener Erfahrung zu berichten wusste. „So wird die Wissenschaft, die vorgibt, unpolitisch zu sein, in höchstem Maße politisch.“
Doch statt massenhaft Geld für „Konfliktbearbeitung“ auszugeben, müsse die Suche danach gefördert werden, wie Konflikte vorgebeugt werden können. Ruf stellte klar: „Konfliktprävention hieße: Wir müssen etwas an dem System ändern. Die Kriege, wo hinterher Konfliktbearbeitung gemacht wird, wo ethnische oder religiöse Fanatismen hochgeschaukelt und instrumentalisiert worden sind, die sind nicht wegen der Menschen geführt worden.“
Es seien nach wie vor hauptsächlich Kriege um Ressourcen, um Dominanz und Einfluss. „An diese Ursachen müssen wir ran“, forderte der Politikwissenschaftler. Er ergänzte zum Abschluss: „Das heißt: Wir müssten uns mal wieder mit Imperialismustheorien beschäftigen.“
Die NGfP wurde 1991 von Psychologen gegründet, um ein Gegengewicht zur naturwissenschaftlichen etablierten Psychologie zu bilden und die gesellschaftlichen Bedingungen in den Blick zu nehmen. Die jährlichen Kongresse sind entsprechenden sozialen und politischen Themen gewidmet.
„Krieg nach innen, Krieg nach außen. – Die Intellektuellen als Stützen der Gesellschaft?“ war in diesem Jahr der Schwerpunkt der insgesamt vier Tage vom 7. bis 10. März. Das Themenspektrum reichte dabei von der Rolle der Intellektuellen und der Medien über die Friedensforschung im neoliberalen Zeitalter und den Platz der Psychoanalyse in der Gesellschaft bis hin zu psychologischen Kriegsvorbereitung und Fragen des Völkerrechts.
Die imperialen Interessen hinter dem aktuellen westlichen Aufrüstungskurs beschäftigen den Kinder- und Jugendpsychologen Georg Rammer. Er kritisierte, dass in der Politik und den Medien des Westens inzwischen militärische Gewalt wieder als selbstverständlich dargestellt wird. Die Ursachen für die aktuelle Eskalation würden ebenso wie die dahinterstehenden Interessen dagegen nicht benannt, sondern verschleiert.
„Die Welt ist aus den Fugen“, so laute eine These, die von Bundeskanzlerin Angela Merkel ebenso zu hören sei wie von der Nato oder beim Weltwirtschaftsforum in Davos und bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Doch von der herrschenden Politik sei keine Analyse der tatsächlichen Krisen zu erwarten, meinte Rammer. Stattdessen werde „verschleiert und verdunkelt“. Er nannte dafür als Beispiele den Umgang mit dem Iran und dessen Atom-Programm und die fortgesetzte Aufrüstung der Nato, für die Russland als Gefahr für den Frieden dargestellt werde.
Es würden Feindbilder neu aufgebaut und von der westlichen Politik nach dem Schwarz-Weiß-Muster erklärt: „Wir sind die Guten!“ Zudem würden Ursache und Wirkung vertauscht und Tatsachen verdreht. Dafür würden nicht nur „Fake News“ produziert“, sondern auch die Realität verfälscht, also eine „Fake Reality“ geschaffen, sagte Rammer. Bewusst würde eine Begriffsverwirrung erzeugt und Zusammenhänge verschleiert.
Weitere Beispiele für diese Vorgänge lieferten auf dem Kongress unter anderem der österreichische Historiker Kurt Gritsch und der Physiker Ansgar Schneider. Gritsch zeigte am Beispiel des Schriftstellers Peter Handke, wie dieser wegen seines 1996 erschienen Textes „Gerechtigkeit für Serbien“ diffamiert wurde. Handkes Kritik an der einseitigen westlichen Darstellung, Serbien sei allein schuld an den Kriegen, die seit 1991 Jugoslawien zerstörten, galt spätestens als unpassend, als sich die Nato einschließlich der Bundeswehr darauf vorbereitete, 1999 Rest-Jugoslawien wegen des Kosovo anzugreifen.
Der Historiker zeigte, wie mit Hilfe von Hitler-Vergleichen und der „Auschwitz-Keule“ jeder differenzierte Blick auf das tatsächliche Geschehen diffamiert wurde und wie zielgerichtet das geschah. Die Serben wurden zu den „neuen Nazis“ erklärt, was die Medien bereitwillig aufgriffen. Die realen Konflikte wurden mit Hilfe emotionaler Begriffe wie „ethnische Säuberung“ und „KZ“ vereinfacht dargestellt und die politische Erklärungen dazu nicht mehr hinterfragt.
Gritsch erklärte, dass das Muster auch im Vorfeld des Kosovo-Krieges benutzt wurde. Hintergrund sei gewesen, die Remilitarisierung der deutschen Politik moralisch zu begründen. Der Historiker hat dazu 2010 ein Buch veröffentlicht.
Wie Fakten verdreht, wie sie gar geleugnet werden und selbst physikalische Gesetze für außer Kraft gesetzt erklärt werden, zeigte auf dem Kongress der kritischen Psychologen der Physiker und Mathematiker Ansgar Schneider. Er beschäftigte sich mit der Frage, was am 11. September 2001 tatsächlich geschah und welche Rolle Medien und Wissenschaft bei dem Versuch spielen, die damaligen Anschläge zu erklären.
Der Physiker hat in dem Buch „Stigmatisierung statt Aufklärung“ gezeigt, wie rationale Analyse diffamiert wird. Stattdessen werde regierungsoffiziell das gemacht, was Kritikern vorgeworfen wird: „Verschwörungstheorien“ verbreitet. Diese zeichnen sich angeblich dadurch aus, dass behauptet werde, alles sei geplant und der Anschein täusche sowie alles mit allem verbunden sei und „Gut“ gegen „Böse“ kämpfe. Zu finden ist diese Definition in einem Buch des Amerikanisten Michael Butter über „Verschwörungstheorien“.
Schneider zeigte, dass die offizielle Theorie über „Nine Eleven“ genau dieser Definition entspreche. Dagegen würden die Untersuchungsberichte von US-Behörden zu den Anschlägen offensichtliche Fakten außer Acht lassen und Tatsachen ignorieren. Dazu gehöre, dass die drei eingestürzten Gebäude des „World Trade Centers“ (WTC) in New York mit der Geschwindigkeit des freien Falls einstürzten, dass der Einsturz nicht in Folge von Bränden erfolgt sein kann und dass der Beton der Gebäude vollständig pulverisiert worden sei. Ebenso seien nachweislich 99,5 Prozent der WTC-Stahltrümmer beseitigt worden, bevor die Untersuchungen begannen.
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