Auftritte von US-Präsidenten in Deutschland landen nicht selten in den Geschichtsbüchern. Unvergessen die "Ich bin ein Berliner"-Rede von John F. Kennedy am 26. Juni 1963 am Rathaus Schöneberg.
Was viele dagegen vergessen haben: Einige Tage zuvor war Kennedy in Köln und testet dort, wie solche Sätze in Deutschland wirken. Der Jubelsturm der Domstädter war ebenso groß wie bei seinem Berliner Auftritt. Kein Wunder - Kennedy wusste auch hier, was zu sagen war. Er rief: "Kölle Alaaf".
Am Donnerstagabend kam mit Barack Obama nun wieder mal ein US-Präsident nach Köln - wenn auch als ehemaliger Staatschef und ohne "Kölle Alaaf"- Rufe. Für die Kölner ist der Besuch eine kleine Sensation, aber auch im Rest der Republik wird der Deutschland-Trip, der Obama anschließend nach Berlin führen soll, aufmerksam und teils wehmütig verfolgt.
Die Sicherheitsvorkehrungen an diesem Tag stehen denen eines amtierenden US-Präsidenten in wenig nach. Tausende Polizisten sollen im Einsatz sein, Mitarbeiter des amerikanischen Secret Service begleiten den Demokraten. Einziger Wermutstropfen: Die Präsidentensuite im Luxushotel "Hyatt" ist schon vergeben.
Bedeutungsschwer als "World Leaders Summit" überschrieben, soll sich der Kongress in der Kölner Lanxess-Arena laut Veranstalter mit der Frage beschäftigen, was gute Führung heute bedeutet. Obama ist sozusagen der Top-Act unter den gebuchten Rednern. Bis zuletzt haben die Initiatoren, ein Start-up mit dem Namen Gedankentanken, geheim gehalten, wie der Auftritt des früheren Präsidenten aussehen wird. Geschadet hat es offenbar nicht: Mehr als 14.000 Tickets haben die Veranstalter nach eigenen Angaben abgesetzt
Gegen 19 Uhr füllen sich die Reihen in der Mehrzweckhalle. Bekannte und teils unbekanntere Motivationstrainer und CEOs reden über Führungsstärke, Erfolg, Schicksale, positives Denken. Das Wort "Leadership" fällt häufig an diesem Abend. Sehr häufig. Beleuchtung, große Leinwände, wummernde Bässe, Kamerafahrten durch das Publikum - teilweise erinnert die Szenerie an TV-Castingshows.
"Ich musste plötzlich selbst Kaffee kochen"
Um 20.09 Uhr betritt Obama die Bühne. Angekündigt von seiner Schwester Auma Obama, die häufiger in Deutschland ist, in Heidelberg studierte und Deutsch spricht. "Begrüßen Sie meinen kleinen Bruder, Barack Hussein Obama."
Die Halle jubelt.
Obama - blaues Hemd, dunkelblauer Anzug, die Beine lässig übereinander geschlagen - braucht nur wenige Sätze, um die Menschen für sich zu gewinnen. "Was auch immer meine Schwester gesagt hat, ich weiß nicht, ob sie ihr alles glauben sollten", sagt er und grinst.
Geführt wird das Interview von Cristián Gálvez, der sich ebenfalls als Motivationstrainer bezeichnet. Die ersten Fragen sind unverfänglich. Wie ging Obama damit um, plötzlich nicht mehr Präsident zu sein? "Ich musste plötzlich selbst Kaffee kochen und wusste nicht, wie die Maschine funktioniert", sagt er. "Der Kaffee war schrecklich." Zudem habe er in der ersten Zeit lange ausgeschlafen. "Dazu kommt man als Präsident nicht."
Tickets für bis zu 5000 Euro
Die Begeisterung für Obama ist auch zwei Jahre nach dem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt ungebrochen, das ist in Köln deutlich zu spüren. Und das hat einen Grund: So richtig verkraftet haben viele Menschen in und außerhalb der USAoffenbar bis heute nicht, dass mit Donald Trump nun ein anderer im Weißen Haus sitzt. Dem weltgewandten Charismatiker folgte ein unbeholfener Polit-Rüpel, der mit der Holzhammer-Methode seinen Willen durchzudrücken versucht. Der Kontrast zwischen den beiden könnte größer kaum sein. Das verstärkt die Sehnsucht vieler Menschen nach einem wie Obama, zumal in unsicheren Zeiten.
Und so ist wohl auch der Auftritt des 57-Jährigen der Grund, warum viele Menschen bis zu 5000 Euro für ein Ticket zahlen. Einmal Obama sehen, selbst wenn seine Sätze an diesem Abend womöglich nicht in die Geschichtsbücher eingehen. Wer sich eine der teuersten Karten leisten kann, darf sogar an einem Dinner mit dem einst mächtigsten Mann der Welt teilnehmen. Foto inbegriffen.
Was er für den Auftritt als Gage erhält, ist nicht klar. Doch für eine Rede vor Bankern in New York soll er vor zwei Jahren laut "New York Times" 400.000 Dollar erhalten haben. Der Trip ist also keineswegs ein offizieller Staatsbesuch, sondern privater Natur. Teile seiner Einnahmen fließen meist in Stiftungen.
"Was dich vorantreibt ist die Arbeit, nicht der Applaus"
Natürlich kommt das Gespräch irgendwann auf die Frage, was eine gute Führungspersönlichkeit ausmacht. Obama fallen gleich mehrere druckreife Sätze ein.
"Eine gute Führungsperson ist jemand, die zuhört und fühlt, was die Menschen fühlen", sagt Obama und ergänzt: "Was dich vorantreibt als Leader ist die Arbeit, nicht der Applaus", also "konzentriere dich auf das, was du tun willst und nicht, was du sein willst."
Applaus.
In den vergangenen zwei Jahren hat er sich mit öffentlichen Auftritten zurückgehalten. Er befolgte das ungeschriebene Gesetz der Ex-Präsidenten: keine Kommentare zur aktuellen Politik. Den Namen Trump nahm er erst kurz vor den Kongresswahlen in den Mund, als er vor neuem Rassismus warnte.
Das ist auch an diesem Abend so. Doch indirekt sind durchaus ein paar Spitzen zu vernehmen. "Ich bin ein Freund von Fakten", sagte Obama und erntet Applaus. Darauf basierten seine Entscheidungen. "Das hier ist doch ein Tisch", sagt Obama und zeigt neben sich. "Wenn jetzt jemand sagt, das sei ein Baum, was, ja, was soll ich da noch sagen?"
Soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook hätten die Informationsweitergabe stark verändert, findet er, das sehe er kritisch - und jeder in der Halle versteht, auf wen er damit zumindest auch anspielt. Direkten Fragen zu Trump weicht Obama allerdings charmant aus.
War er zufrieden mit seiner Amtszeit, will der Interviewer am Ende des einstündigen Interviews wissen. Der 57-Jährige überlegt: "Ich habe einige Dinge in eine bessere Richtung gelenkt, die ohne mich nicht so zustande gekommen wäre. Das heißt nicht, dass ich zufrieden bin."
Für Obama geht es am Freitag nun weiter nach Berlin. Wen er dort trifft, steht bereits fest: "Meine Freundin Angela Merkel."
spiegel
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