Nicht Deutschland zersetzt die Nato – Russland und China auch nicht

  09 April 2019    Gelesen: 535
  Nicht Deutschland zersetzt die Nato – Russland und China auch nicht

Washington tut es eh. London ebenso. Auch andere Nato-Mitglieder attackieren Berlin wegen angeblich zu geringer Rüstungsausgaben. Das wirkliche Problem der Nato ist aber ein ganz anderes: Es ist ihre „lebensfremde Doktrin“, schreibt das Portal „Swobodnaja pressa“.

„Schlicht inakzeptabel“ nennt Mike Pence den Zustand, dass Deutschland die Bedrohung durch Russland ignoriere und die Verteidigung – „seine eigene“ und „unsere gemeinsame“ der Nato – vernachlässige. Das sagte der US-Vizepräsident beim 70. Jubiläum der Nato letzte Woche in Washington.

Bei derselben Veranstaltung sprach auch Außenminister Heiko Maas (SPD): „Ich weiß, unser Haushaltsverfahren ist für Außenstehende manchmal schwer zu verstehen“, sagte er in der US-Hauptstadt. „Aber wir haben uns klar dazu bekannt, mehr Geld in Verteidigung zu investieren, und wir halten Wort.“

Dass dieser Beschwichtigungsversuch die Zweifel der Verbündeten ausräumt, ist eher nicht zu erwarten. Die Bündnispartner kennen ja sicherlich den Haushaltsplan von Finanzminister und Maas‘ Parteikollegen Olaf Scholz. Demnach wird Deutschland die Zielmarke von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung, die sich die Bundesregierung für 2024 vorgenommen hat, klar verpassen, schreibt die „Bild“-Zeitung. Von 2,0 Prozent, die Trump verlangt, kann laut dem Blatt erst recht keine Rede sein. Aber: Es handele sich um „konservative Zahlen“, so die „Bild“: Sie könnten sich also noch erhöhen.

Kritik an den deutschen Rüstungsausgaben kommt auch mitten aus Deutschland, von der Opposition. Weil die Bundesrepublik zu wenig für die Nato ausgebe, sei sie zum „Sicherheitsrisiko für das gesamte Bündnis“ geworden, sagte der FDP-Abgeordnete Bijan Djir-Sarai in einem „Bild“-Interview. „Wer unzuverlässig und entgegen den Absprachen handelt, gefährdet die Fähigkeiten des gesamten Bündnisses“, mahnt der Politiker und fordert, es sei höchste Zeit, dass Deutschland „dieses peinliche Verhalten“ aufgebe und selbst mehr in seine eigene Sicherheit investiere.

„Wenn man den Oppositionspolitiker von der FDP reden hört, könnte man denken, Deutschland sei das Kettenglied innerhalb der Nato, das jederzeit bersten kann“, sagt der renommierte russische Politologe Andrej Manojlo von der Moskauer Staatlichen Universität. „Der Punkt ist aber doch, dass die deutsche Bevölkerung einfach nicht so viel zahlen will – erst recht nicht für solch parasitäre Strukturen wie die Nato. Die Bundesrepublik erhöht die Rüstungsausgaben eh, vergrößert die Bundeswehr praktisch um das Doppelte“, so der Politikwissenschaftler laut dem Portal „Swobodnaja pressa“.

Kurz vorher, vor dem Interview des FDP-Manns, hatte der Linke-Politiker Alexander Neu die Abschaffung der Nato gefordert. Der 70. Geburtstag der Allianz sei „kein Grund zum Feiern“, sondern eher „ein Anlass, der endlich zum Umdenken führen sollte, bevor es zu spät ist“, schreibt der Abgeordnete in einem Gastbeitrag für „Die Freiheitsliebe“.

Die Nato sei „nicht nur veraltet“, sondern auch „ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die Welt“. Denn sie setze ihre militärische Kraft „einzig und allein zur Wahrung ihrer eigenen imperialen Interessen“ ein. „Dabei wird systematisch geltendes Recht gebrochen, die Uno diskreditiert, und Konflikte werden bis zur militärischen Eskalation geschürt“, so Alexander Neu.

Seine Partei fordere daher „den Austritt Deutschlands aus den militärischen Strukturen der Nato und als zweiten Schritt die Auflösung der Nato und Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Einschluss von Russland, welches Abrüstung als zentrales Ziel benennt“. Die Aufrüstung der Allianz stehe eh in keinem Verhältnis zur finanziellen und materiellen Ausstattung der russischen und chinesischen Streitkräfte – „gegen die ja aufgerüstet wird“.

Dass die Nato in der Krise ist, erkennt auch die „Spiegel“-Redaktion. Die „erfolgreichste Militärallianz in der Geschichte“ stecke 70 Jahre nach ihrer Gründung in einer „existentiellen Krise“, heißt es in der letzten März-Ausgabe des Magazins.

Nur den Grund dafür sieht das Blatt nicht in „imperialen Interessen“ oder „systematischen Rechtsbrüchen“. Was das Militärbündnis zu zerreißen drohe, sei „der Streit um die Verteidigungsausgaben“. Und: „Die größte Gefahr für die Nato geht in diesen Tagen vom Westen und von der Mitte aus.“

Seit dem Amtsantritt von Donald Trump habe die Allianz ein „massives amerikanisches Problem“. Trumps Berater könnten ihn „offenbar nur mühsam davon abhalten, das Bündnis grundsätzlich infrage zu stellen“, so der „Spiegel“.

Währenddessen gefährde Deutschland die Allianz quasi von innen: Seit 2014 habe die Bundesregierung versprochen, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen – in Richtung der von Trump geforderten zwei Prozent. „Doch dann verabschiedete das Kabinett in der vergangenen Woche die Eckwerte zum Bundeshaushalt von Finanzminister Olaf Scholz, die dieses Ziel wieder infrage stellen.“

Was hier gewissermaßen als „deutsche Gefahr“ beschrieben wird, ist doch nur Folgendes: „Die USA verlangen von Deutschland, mehr zu bezahlen. Dann muss sich aber auch die Rolle Deutschlands innerhalb der Nato wandeln, von einem Befehlsempfänger zu einem Partner. Wenn die Europäer die Rüstungsausgaben erhöhen, muss auch das Kommando europäisch werden“, sagt der russische Politologe Igor Rjabow laut dem Portal.

„In der heutigen Form ist die Nato veraltet, sie wird transformiert werden müssen. Die angebliche ‚Gefahr aus Russland‘ ist doch stark übertrieben. Es geht dabei vor allem darum, Druck auf Gasprojekte auszuüben“, sagt der Experte.

Das sei denn auch das, was die Nato in die „existentielle Krise“ geführt hat: „Dass die erklärten Bedrohungen in keiner Weise den echten Gefahren entsprechen. Die Lüge, dass Russland eine Gefahr für Europa sei. Die Allianz lebt mit einer lebensfremden Doktrin“, so der Politologe.

Aber: „Vielleicht erweist sich der gegenwärtige Streit um die Verteidigungsausgaben als förderlich. Er beschleunigt die Transformation.“

sputniknews


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