Weil CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz am Freitagabend in dem kleinen sauerländischen Eslohe gemeinsam auftreten, brodelt die Gerüchteküche über die Ambitionen des früheren Unions-Fraktionschefs. Leidtragender ist Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der sich seit Tagen einem Trommelfeuer an Kritik ausgesetzt sieht. Der Verband der Familienunternehmer bezeichnet ihn als Enttäuschung für die Wirtschaft. Andere Industrieverbände, aber auch CDU-Politiker kritisieren seinen Aufschlag für eine nationale Industriestrategie 2030. Und immer schwingt im Hintergrund die Andeutung mit, dass mit Merz jemand bereit stünde, der es besser könne - auch wenn dieser solche Spekulationen zurückweist.
Nachdem die Kritik zuletzt erneut hochkochte, eilte die CDU-Spitze zur Hilfe. “Altmaier steht nicht zur Disposition”, heißt es aus Regierungskreisen mit Blick auf eine mögliche Kabinettsumbildung nach der Europawahl auch bei der CDU. CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus verteidigte den Saarländer in der Fraktionssitzung am Dienstag ausdrücklich. Und Kanzlerin Angela Merkel lobte am Mittwoch im Bundestag, wie froh sie darüber sei, dass Altmaier mit seinem Industriepapier einen Aufschlag für die nötige Debatte gemacht habe. Der Wirtschaftsminister selbst gab sich im Deutschlandfunk sehr gelassen. “Ich habe nicht den Eindruck, das innerhalb der Partei gesägt wird”, sagte er am Freitag. “Mir ist zehnmal lieber, ich werde wegen meiner Auffassungen oder wegen meiner Handlungen kritisiert als dass sich niemand für Wirtschaftspolitik interessiert.”
Doch dass Altmaier tatsächlich ein Problem hat, räumen auch Kabinettskollegen und Vertraute ein. “Wir haben bei der Bildung der großen Koalition die Erwartungen an das Amt des Wirtschaftsministers derart überhöht, dass jeder Minister erst einmal eine Enttäuschung sein musste”, betont ein CDU-Politiker. Grund sei damals gewesen, den enttäuschten CDU-Anhängern den Posten des Wirtschaftsministers schmackhaft zu machen, nachdem sich die SPD das Finanzministerium gesichert hatte.
Dazu kommt, dass Altmaier aus Sicht etwa des Wirtschaftsflügels der Union durchaus Fehler machte. So gab Brinkhaus in Auftrag, das industriepolitische Konzept zu überarbeiten. Stein des Anstoßes war vor allem der vorgeschlagene Bestandsschutz für einige große Konzerne wie Siemens sowie ein Interventionsfonds, mit dem der Staat unerwünschte Übernahmen aus dem Ausland abschmettern soll. “Ich sehe einige Passagen des Industrie-Papiers kritisch. Dort bedarf es einer Korrektur”, sagt Fraktionsvize und Mittelstands-Chef Carsten Linnemann zu Reuters. Zugleich nimmt er den Wirtschaftsminister in Schutz: “Herrn Altmaier zum Sündenbock der Wirtschaft für die generell Unzufriedenheit mit der großen Koalition zu machen, ist nicht fair.”
Zum Problem wird aber auch, dass es bei zentralen Projekten im Kompetenzbereich Altmaiers nicht vorangeht. Von rechts bis links im politischen Spektrum, von Norden nach Süden hagelt es etwa Klagen über den mangelnden Fortschritt bei der Energiewende. Doch der nötige schnellere Stromleitungsbau, den Altmaier zur Chefsache erklärt hat, hängt am Zusammenspiel einer Vielzahl von Akteuren in den Ländern und Kommunen. Der Einfluss eines Bundeswirtschaftsministers ist begrenzt. Dazu kommt die Eintrübung der Konjunktur und gerade in der Union das Gefühl, dass die große Koalition zwar viel Geld für soziale Wohltaten ausgegeben hat - aber nun wenig Spielraum für zukunftssichernde Investitionen hat. “Der Frust, den viele in der Unions-Bundestagsfraktion über Finanzminister Olaf Scholz (SPD) haben, wird nun erst einmal bei Altmaier abgeladen”, beschreibt ein CDU-Bundesvorstandsmitglied die Dynamik.
Doch trotz der Kritik gilt Altmaiers Job als sicher. Er gilt als Vertrauter Merkels, die nicht dafür bekannt ist, ihr Personal rasch auszuwechseln. Dass die Debatte dennoch nicht enden wird, hängt mit einer möglichen Nachfolgerin Merkels zusammen - CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer. Denn diese hat zwar den Einzug von Merz in Merkels Kabinett stets abgetan und sich damit ebenfalls hinter Altmaier gestellt. Aber sollte die Saarländerin wirklich selbst an die Spitze der Bundesregierung rücken, dürfte es für den früheren Kanzleramtschef eng werden. “Zwei CDU-Saarländer in einem Kabinett ist dann doch einer zuviel”, flachst ein CDU-Vorstandsmitglied.
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