Herr Tauss, Ihr Verein „West-Ost-Gesellschaft Baden-Württemberg“ ruft mit einem Flugblatt dazu auf, den „Boykott“ der Krim zu beenden. Was fordern Sie konkret?
Im fünften Jahr des Boykotts wäre es sinnvoll, endlich einen realistischen Kurs einzuschlagen. Die Krim ist russisch und daran wird niemand in Moskau, Washington, Berlin oder Brüssel etwas ändern. Die Menschen wollten zudem dem ukrainischen Chaos entgehen und Frieden. Das ist zu respektieren. Aber selbst, wenn die Bundesregierung am Narrativ von der „Annexion“ noch ein paar Jahre festhält, sollte sie damit aufhören, die in ihren Augen „Annektierten" zu boykottieren. Dann wäre es in dieser „Logik“ doch gerade sinnvoll, die armen Leute dort solidarisch zu besuchen. Aber genau das versucht unser Auswärtiges Amt krampfhaft zu unterbinden. Eine solche Politik ist in sich völlig widersprüchlich. Wir fordern daher, dass in ersten Schritten wieder Schüleraustausch, Erinnerungskultur bezüglich Zwangsarbeitern und Soldatengräbern sowie offizielle Delegationen möglich werden.
Im Juni findet die große deutsch-russische Städtepartnerkonferenz in Düren statt. Wie steht es um die deutschen Städtepartnerschaften mit der Krim?
Man verbietet dort seitens unseres Außenministers Maas eine Beteiligung der Krim. Er hat der Zivilgesellschaft und den Veranstaltern deshalb sogar massiv mit dem Entzug der finanziellen Förderung gedroht. Die Teilnahme von Vertretern von dort an von der Bundesregierung finanziell geförderten deutsch-russischen Veranstaltungen will er aufgrund der Krim-Nichtanerkennungspolitik der Bundesregierung nicht „dulden". Dies könne unter Umständen auch zur Rückforderung bereits gezahlter Zuwendungen führen, sagt das Außenministerium. Auf Deutsch: Lieber würde Herr Maas die Städtepartnerschaftskonferenz platzen lassen, als auch dort völkerverständigende Kontakte mit der Krim zu ermöglichen. Aber vielleicht lädt dann Russland mal zu einer eigenen Städtepartnerschaftskonferenz mit den Krim- Städten ein. Wir kämen sofort. Wäre doch ein tolles Signal.
Wie ist denn nun der offizielle Kurs der Bundesregierung? In einem Statement des Außenministeriums heißt es „völkerverständigende Kontakte mit der Krim“ seien wünschenswert. Wie soll das gehen, wenn anderseits das Auswärtige Amt von Reisen auf die Krim abrät?
Dies ist Teil der nur noch als Heuchelei zu bezeichnenden deutschen und westeuropäischen Außenpolitik. Einerseits wird auch gegenüber dem Deutschen Bundestag so getan, als seien Kontakte erwünscht. Andererseits wird alles unternommen, Begegnungen zu torpedieren und sogar zu kriminalisieren. Auch wegen dieser bizarren Widersprüche haben wir unser Flugblatt gedruckt, hoffen auf großes Interesse und viele Unterschriften.
Ihr Verein hat ja auch schon einmal wegen einer Krim-Reise Probleme mit dem Gesetz bekommen. Wir hatten berichtet. Wie ist das ausgegangen?
Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren „wegen Unschuld“ nach einigen Monaten eingestellt. Das ist auch gut so. Politisch ist die Sache für uns aber natürlich längst nicht erledigt. Wir wissen, dass die Strafanzeige des Wirtschaftsministeriums gegen uns von der deutschen Botschaft in Moskau ausging. Das ist schon deshalb merkwürdig, weil die Bundesregierung die Krim doch unverändert als Teil der Ukraine ansieht. Dann aber wäre doch die Botschaft in Kiew zuständig. Vielleicht streitet auch deshalb der deutsche Botschafter, Herr von Fritsch, die Denunziation seines Hauses ab. Dabei wissen wir aus Akteneinsicht beim Wirtschaftsministerium, dass er schlicht lügt. Antworten auf entsprechende Fragen gibt er aber auch nicht. Sobald er mich auch nur von weitem sieht, wie kürzlich bei einer Veranstaltung in der Stadt Pforzheim, nimmt der Herr Diplomat sehr sportlich Reißaus. Das spricht nicht gerade für die Souveränität unserer Exzellenz im Moskau. Wäre es nicht so peinlich, wäre es schon putzig zu sehen, wie er kneift.
Warum engagieren Sie sich persönlich so für die Krim? Wie die deutschen Medien berichten, soll es jetzt dort schrecklich sein.
Wir haben als WOG in Baden-Württemberg großes Interesse daran, dass die gewachsenen Beziehungen zu unseren Partnerstädten von Heidelberg, Baden-Baden und Ludwigsburg auf die Krim und den Menschen dort nicht kaputtgehen. Und ich persönlich bin über die Art und Weise empört, wie hier die deutsche Außenpolitik agiert. Ärgerlich finde ich zudem, dass man gewissen politisch rechten Kreisen in Deutschland das Thema Krim überlässt. Ein Willy Brandt würde sich angesichts der Politik unseres gegenwärtigen sozialdemokratischen Ministers im Grabe umdrehen. Von „schrecklich“ habe ich dessen ungeachtet vor Ort nichts gesehen. Im Gegenteil. Es geht vor aller Augen und dank der russischen Investitionen auf der Krim sichtbar aufwärts.
Planen Sie oder Ihr Verein wieder eine Reise auf die Krim?
Klar. Bei mir steht kurzfristig zwar keine Reise an. Aber unsere Mitglieder lassen sich natürlich nicht abhalten. Und auch die Partnerschaftsvereine in den genannten Städten halten erfreulicherweise an deren Beziehungen zu Simferopol, Jalta und Jevpatorija jetzt erst recht fest. Am neuen Flughafen sieht man bei wartenden Reisenden in der Schlange auch viele deutsche Reisepässe, wurde mir gerade wieder berichtet. Das ist doch sehr erfreulich und ein deutliches Signal an unsere kalten Krieger: Die Menschen wollen den Boykott nicht.
sputniknews
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