"Stehen fast mit leeren Händen da"

  20 Mai 2019    Gelesen: 730
"Stehen fast mit leeren Händen da"

Mit Raketentests bringt sich Nordkoreas Machthaber Kim wieder ins Gespräch. Ist es eine Frustreaktion auf die eingefrorenen Gespräche mit den USA? US-Präsident Trump sieht das nicht so eng, ganz anders als die Hardliner im Weißen Haus. Doch sie sind nicht das einzige Problem.

Um internationale Aufmerksamkeit muss Nordkoreas Machthaber derzeit nicht bange sein. Kim Jong Un liefert ja genügend Schlagzeilen. Erst trifft er in Wladiwostok zum ersten Mal den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dann verkündet das Regime in Pjöngjang zwei Raketentests - die ersten seit 2017. Zwischendurch gibt sich der nordkoreanische Diktator noch einen neuen Titel: "Oberster Repräsentant des ganzen koreanischen Volkes". Und schließlich fordert er von seiner Armee die "volle Kampfbereitschaft". Ist das Säbelrasseln zurück, das 2017 nicht nur die koreanische Halbinsel in Angst und Schrecken versetzte?

Zumindest der Frust nach dem gescheiterten Gipfeltreffen von Kim und US-Präsident Donald Trump Ende Februar in Hanoi sitzt tief. Die Verhandlungen ruhen derzeit. "Deshalb braucht es einen Input, um sie wieder ins Laufen zu bringen", sagt Bernt Berger von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) im Gespräch mit n-tv.de. Auf die Frage, was beide Länder wieder zusammenführen könnte, gebe es derzeit aber kaum Antworten. "Die Fronten sind zu verhärtet", sagt er.

Vor fast einem Jahr, im Juni 2018, trafen sich Trump und Kim zum ersten Mal - ein historisches Ereignis. Der Gipfel von Singapur weckte Hoffnungen, dass sich die Lage auf der Halbinsel nachhaltig entspannen könnte. Gar von einem Friedensvertrag zwischen Süd- und Nordkorea bis Ende des Jahres war die Rede, der nach sieben Jahrzehnten einen Schlussstrich unter den Korea-Krieg setzen könnte. Doch diese Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Nach dem geplatzten Hanoi-Gipfel ist völlig unklar, wie es weitergeht.

"Wir stehen eigentlich mit fast leeren Händen da", sagt Christian Taaks, der seit einigen Monaten das Seouler Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung leitet. Auf einer Veranstaltung in Berlin zog er am vergangenen Montag Bilanz nach dem "ganz erstaunlichen" Jahr 2018, wie er es nennt, das etliche Annäherungsversuche und Gipfeltreffen brachte. Selbst vor drei Monaten hätte die Bilanz wohl noch etwas rosiger ausgesehen, vor dem Hanoi-Gipfel. Taaks spricht in diesem Zusammenhang von schlampiger Vorbereitung, man könne den Gipfel als Desaster bezeichnen.

Trumps Verständnis für Raketentests

Im Misserfolg bei den Verhandlungen sieht Taaks auch einen Grund, warum es nun wieder Raketentests in Nordkorea gibt. "Ich glaube, das Hauptmotiv dieser Tests ist die Frustration darüber, dass die Gespräche zum Stillstand gekommen sind", sagt er im Gespräch mit n-tv.de. Auch Berger sieht diesen Zusammenhang: "Nordkorea zeigt nun, dass es weiter testen und das Raketenprogramm weiterentwickeln könnte, wenn nicht verhandelt wird." Es gehe dabei gar nicht so sehr um eine Drohkulisse, "sondern das ist, wenn man so will, ein Mittel der Diplomatie".

Taaks hält es allerdings auch für bemerkenswert, wie zurückhaltend, geradezu verständnisvoll die ersten Reaktionen der Amerikaner auf die Tests waren. "Niemand ist darüber glücklich. Aber wir schauen uns das an und sehen dann weiter", sagte Präsident Trump etwa nach dem zweiten Test. In einem Interview spielte er die Vorfälle ebenfalls herunter, denn es sei ja um Kurzstreckenraketen gegangen, darum sehe er das gar nicht als Vertrauensverlust. Und auf Twitter schrieb der Präsident, dass er eine Einigung mit Nordkorea weiterhin für wahrscheinlich halte. Für einen Staatschef, der sich ansonsten gern knallhart gibt, sind das bemerkenswert milde Worte.

Ob es so schnell zu einem weiteren Gipfel mit Trump und Kim kommt, ist aber noch lange nicht klar. Denn an den Voraussetzungen dürfte sich seit dem Hanoi-Treffen wenig verändert haben. Statt auf Vorgespräche und kleine Schritte zu setzen, forderten die USA dort eine komplette und schnelle Denuklearisierung im Gegenzug für ökonomische Erleichterungen. Doch das diene erstens nicht den nordkoreanischen Interessen und sei zweitens unrealistisch, sagt DGAP-Experte Berger. Den plötzlichen Wechsel in der US-Verhandlungstaktik hält er für ein grundsätzliches Problem.

Bisher ist nicht absehbar, dass die USA von dieser Strategie abkehren. Zumal US-Sicherheitsberater John Bolton, Trumps wichtigster außenpolitischer Berater, als Hardliner gilt. Noch Anfang 2018 sinnierte er in einer Kolumne darüber, dass ein Präventivschlag gegen Nordkorea völkerrechtlich unproblematisch wäre. Trumps Kuschelkurs mit Kim lehnt er ab. Auch Außenamtschef Mike Pompeo verfolgt eher eine harte Linie. Nordkorea weigert sich sogar, weiterhin mit ihm zu verhandeln, es wirft ihm vor, die Gespräche zu behindern. Berger nennt es "wirklich ernüchternd", dass beide US-Politiker "vernünftige diplomatische Prozesse blockieren und torpedieren".

Unterschätzte Sicherheitsgarantien

Und Kim? Der macht derweil von sich reden, indem er Kremlchef Putin trifft. Nordkorea müsse sich mit Russland an einen Tisch setzen, es sei ja immerhin ein Nachbarland, sagt dazu Experte Berger, schränkt aber ein: "Solange es kein Abkommen mit den USA gibt, wird da nicht viel erreicht." Auch Stiftungs-Vertreter Taaks gibt den Gesprächen mit den USA die Priorität, tritt aber auch dafür ein, "Russland dabei mitzudenken. So wie wir China mitdenken müssen, denn das Land hat definitiv die Schlüsselposition inne." Von Kim sei das Treffen aber "ein ziemlich cleverer Schachzug" gewesen, so Taaks. Er habe damit gezeigt, dass Nordkorea eine weltpolitische Rolle spiele.

Putin war es auch, der bei dem Treffen vom Westen Sicherheitsgarantien für Nordkorea forderte. Diese könnten sich als Knackpunkt in den Verhandlungen erweisen, ohne sie dürfte eine Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel nicht stattfinden. "In den USA und in Europa wird dieser Punkt sehr stark unterschätzt", sagt Berger. Der Westen verweise darauf, dass es internationale Normen gibt für die Nichtweiterverbreitung und die Aufrüstung von Nuklearprogrammen. "Dabei wird vergessen, dass es um einen Konflikt geht, der seit vielen Jahren besteht. Dieser Konflikt muss erst einmal gelöst werden, bevor man die Durchsetzung internationaler Normen angehen kann."

Ein weiterer Knackpunkt sind die innerkoreanischen Beziehungen. Zwar wurde ein Verbindungsbüro eingerichtet, substanzielle Gespräche fanden dort aber nicht statt. Auch das Militärabkommen und der gesellschaftliche Austausch kommen kaum voran. Südkoreas Präsident Moon Jae In hält trotzdem an seinem Versöhnungskurs fest, selbst wenn ihn Pjöngjang mittlerweile als Vermittler zwischen Nordkorea und den USA ausgeschaltet hat. Seinen guten Willen dürfte er demnächst zeigen, wenn es um Lebensmittelhilfen für die drohende Hungersnot im Norden geht. Doch Moon steht angesichts schwacher Wirtschaftszahlen und einer hohen Jugendarbeitslosigkeit innenpolitisch bereits unter Druck. Dreht die Stimmung weiter, könnte sich auch Seoul wieder vom Tauwetter verabschieden.

"Da entsteht ein gewisses Vertrauensverhältnis"

Selbst China hält sich derzeit bedeckt. Nach dem gescheiterten Gipfel von Hanoi gab es kein weiteres Treffen zwischen Kim und Chinas Präsidenten Xi Jinping. Taaks führt das auch auf den Handelsstreit zwischen Peking und Washington zurück: "Ich glaube, dass China momentan größere Probleme hat als schnellstmöglich einen Konflikt auf der koreanischen Halbinsel zu lösen, der seit vielen Jahrzehnten besteht." Da würden derzeit "schlicht und ergreifend Prioritäten gesetzt". Experte Berger dagegen meint, dass beides parallel betrachtet werden müsse, so wie das amerikanisch-chinesische Verhältnis ganz unterschiedlich ausfallen könne: als Kooperation, Wettbewerb oder strategische Konkurrenz.

Die Bilanz nach einem Jahr der Annäherungen ist also ernüchternd. "Es wird keine einfachen Lösungen geben, man wird die Mühen der Ebene auf sich nehmen müssen", sagt Taaks. Für entscheidend hält er dabei die kleinen Schritte, die Veränderungen bewirken könnten. "Wenn wir da nicht optimistisch bleiben, dann sind wir schlecht beraten."

Nach seinem letzten Besuch in Nordkorea berichtet er zumindest von einer verbesserten Grundhaltung bei den Gastgebern. Er könne zwar kein Stimmungsbild für das ganze Land zeichnen, sagt Taaks. "Aber als Delegation der Friedrich-Naumann-Stiftung haben wir eine große Veränderung erlebt: eine große Offenheit, sehr konstruktive Workshops und sehr gut vorbereitete Teilnehmer." Selbst die Betreuung durch die Arbeiterpartei sei "viel entspannter" gewesen. Taaks führt das darauf zurück, dass die Stiftungsarbeit auf einer konstruktiv-humanitären Ebene ablaufe, die nicht von Sanktionen betroffen sei. Außerdem arbeite die Naumann-Stiftung seit 2003 in Nordkorea. "Da entsteht ein gewisses Vertrauensverhältnis", sagt er. Dieses Vertrauensverhältnis fehlt bisher in den Gesprächen zwischen Trump und Kim.

Quelle: n-tv.de


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