In der Flüchtlingspolitik kündigt sich auf europäischer Ebene ein neuer Streit über die Verteilung von Migranten an. Italien verweigert 135 Menschen auf einem Schiff der eigenen Küstenwache die Einreise. Die "Gregoretti" legte in der Nacht zum Sonntag im Hafen der sizilianischen Stadt Augusta an. Jedoch durften nach Angaben des Innenministeriums bislang nur eine Schwangere mit ihrem Mann und zwei Kindern an Land gehen.
Die übrigen Geretteten will Italien erst einreisen lassen, wenn andere EU-Staaten ihre Aufnahme zusichern. Die EU-Kommission wurde eingeschaltet. "Die EU muss jetzt antworten, denn die Migrationsfrage geht den ganzen Kontinent etwas an", sagte der italienische Transportminister Danilo Toninelli.
Die Küstenwache hatte die Menschen in der Nacht zum Freitag an Bord genommen. Zuvor hatte ein italienisches Fischerboot ihnen geholfen. Der Fall der "Gregoretti" erinnert an den des Küstenwachenschiffs "Diciotti" im vergangenen Sommer. An Bord waren damals 177 Migranten - einem Großteil der Geflüchteten hatte Innenminister Matteo Salvini fast eine Woche lang verboten, an Land zu gehen. Der Chef der rechten Lega ist für seine rigorose Migrationspolitik bekannt.
Streit über Flüchtlingsverteilung
Seit Wochen herrscht Streit in Europa über die Aufnahme von Flüchtlingen, die aus Seenot gerettet werden. Im Fokus der Auseinandersetzungen stehen unter anderen die Schiffe der deutschen Hilfsorganisationen Sea-Watch und Sea-Eye, denen jeweils das Einlaufen in die Häfen Italiens oder Maltas untersagt wurde. Bei einem EU-Sondertreffen auf Malta in der ersten Septemberwoche wollen die Staaten eine Lösung finden.
Zuletzt kam es zum Konflikt zwischen Innenminister Salvini und der deutschen Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete. Sie war Ende Juni unerlaubt mit Dutzenden Migranten an Bord in den Hafen von Lampedusa gefahren. Danach wurde die 31-Jährige festgenommen und unter Hausarrest gestellt. Gegen dessen Aufhebung hat die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt.
Rackete hat jüngst Klage gegen Salvini erhoben, weil er aus ihrer Sicht Hassbotschaften gegen sie gesendet und andere Menschen aufgestachelt habe. Sie beantragte auch die Beschlagnahmung seiner Social-Media-Kanäle.
Papst Franziskus: Tragödien im Mittelmeer verhindern
Papst Franziskus rief die internationale Gemeinschaft vor Gläubigen auf dem Petersplatz auf, schnell und entschieden zu handeln, um Tragödien im Mittelmeer zu verhindern. Er reagierte bestürzt auf das wohl schwerste Bootsunglück im laufenden Jahr, das sich vergangene Woche etwa fünf Kilometer vor der libyschen Küste ereignet hatte.
67 Leichen seien bislang geborgen worden, sagte Osama al-Fadhili, Leiter des Roten Halbmonds in der Hafenstadt Al-Chums. 160 der Insassen seien gerettet worden, 138 würden noch vermisst. Al-Fadhili zufolge waren 360 Menschen an Bord des Bootes, das bei dem Versuch, nach Europa zu fahren, in zwei Teile zerbrochen sei. Die genaue Zahl der Todesopfer lasse sich womöglich erst feststellen, wenn Leichen an die Küste gespült werden.
Hinsichtlich der Zahl der Menschen gab es widersprüchliche Angaben. Der libyschen Küstenwache zufolge wurden nach dem Unglück 115 Migranten vermisst. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) und das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) sprachen von rund 150 Vermissten. Laut libyscher Küstenwache waren nur 250 Menschen an Bord.
Im Mittelmeer starben dieses Jahr der IOM zufolge bereits 686 Menschen, mehr als 400 davon im zentralen Mittelmeer zwischen Libyen und Italien. Die Fluchtroute gilt als gefährlichste der Welt.
spiegel
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