Finger am Auslöser: Preis für Fotoreporter in Krisengebieten - Interview

  06 Auqust 2019    Gelesen: 667
 Finger am Auslöser: Preis für Fotoreporter in Krisengebieten -  Interview

Nachrichten aus Krisengebieten beschaffen Reporter oft unter lebensbedrohlichen Umständen. Um die Arbeit von jungen Fotojournalisten zu fördern, gibt es den Andrej-Stenin-Wettbewerb. Sputnik sprach mit Preisträger Jonas Wresch über seine Arbeit in Kolumbien – vor Ort herrscht ein verschärftes Klima der Gewalt gegen Medienschaffende.

Namensgeber für den Internationalen Stenin-Fotowettbewerb, der jährlich für junge Fotoreporter zwischen 18 und 33 Jahren ausgelobt wird, ist Andrej Stenin. Der russische Bildkorrespondent kam  bei der Ausübung seiner Arbeit im August 2014 im Südosten der Ukraine ums Leben. Der Preis wurde einerseits ins Leben gerufen, um seiner zu gedenken, aber auch, um junge Fotojournalisten zu fördern und ihnen eine Plattform zu geben, um ihre Arbeiten einer hochkarätigen internationalen Jury aus Fotografen großer Fotoagenturen zu präsentieren.

Der gebürtige Bad Dürckheimer Jonas Wresch hat den Preis im Jahr 2015 in der Rubrik „Top-News: Serie“ gewonnen: Mit einer Bildstrecke zum Friedensprozess in Kolumbien.

Noch im vergangenen Monat berichtete die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) zum verschärften Klima der Gewalt und Einschüchterung gegen Journalisten in Kolumbien. Danach habe der konservative Präsident Iván Duque seit seinem Amtsantritt im August 2018 das Friedensabkommen mit der linken FARC-Guerilla in Frage gestellt, was den internen Konflikt im Land wieder zugespitzt habe, so ROG. Zwei Journalisten wurden dort dieses Jahr bereits ermordet, zwei kritische Berichterstatter sahen sich gezwungen, das Land zu verlassen. Auch knapp drei Jahre nach Abschluss des Friedensabkommens würden Medienschaffende, die im Kreuzfeuer zwischen linken Splittergruppen, rechten Paramilitärs und dem Staat berichteten, von allen Konfliktparteien gezielt angegriffen und verfolgt, so die Organisation.

Die Arbeiten des in Hamburg und Kolumbien lebenden und arbeitenden Fotoreporters und Stenin-Preisträgers Jonas Wresch kamen ebenfalls unter besonderen Umständen zustande: Über einen Zeitraum von etwa sieben Wochen begleitete der Fotograf in Kolumbien eine Schutztruppe der Ureinwohner:

„Zu dem Zeitpunkt war der Friedensprozess in Kolumbien noch am Anfang. Er war gerade erst in der Medienlandschaft  ‚aufgetaucht‘ und die Berichterstattung darüber war noch sehr frisch“, erzählt Wresch. „In meiner Arbeit ging es um die ‚Guardia Indigena‘ – das ist eine indigene Schutztruppe Kolumbiens. Sie beschützen die Zivilbevölkerung vor Konflikten. Das tun sie bis heute – der Konflikt hat sich jedoch verändert nach der Demoblisierung der FARC-Guerilla. Die Truppe ist vor allem dazu da, die Zivilbevölkerung vor den Kriegsinteressen, vor den politischen Interessen der verschiedenen Parteien, die dort seit Jahrzehnten Krieg führen, zu schützen. Diese unbewaffnete Gruppe steht der Zivilbevölkerung zur Seite und schreitet ein, wenn etwas passiert: Sie gehen immer an den Ort des Geschehens und versuchen, zu deeskalieren. Es gibt in Kolumbien viele Drogen-Anbaugebiete, internationale und nationale Interessen, die eine Rolle spielen, und die Leidtragenden sind meist die normalen Menschen, die dort ihr Leben führen möchten.“

Die Herausforderung gewesen, das Vertrauen zu dieser Gruppe zu gewinnen, erinnert sich der junge Fotograf. „Später stellte sich sogar heraus, dass meine Protagonisten gleichzeitig auch meine Beschützer waren, weil sie natürlich auch die Situationen, in die wir gerieten, einschätzen konnten: Mir sagen konnten, was zu welchen Zeitpunkten zu gefährlich sein würde, wohin ich nicht gehen sollte. Nichtsdestotrotz gab es Situationen, die für meine Protagonisten und damit natürlich auch für mich gefährlich waren.“ Die Ureinwohner würden sich öfter auf den Feldern mit der Polizei auseinandersetzen. Und wenn dort keine Beobachter wie Journalisten seien, ginge es ziemlich heftig zu: „Es gibt auch hin und wieder Tote“. Bei einer von diesen Demonstrationen war Wresch live dabei und sah einen Polizisten auf dem Feld mit einer Machete herumschwingen. „In dem Moment habe ich meine Kamera mit dem größten Objektiv hochgerissen und wild Bilder gemacht, so dass er mich schnell sieht. Daraufhin hat der Polizist seine Machete eingesteckt und hat dann nur noch Tränengas geschossen.“ Laut Wresch habe er dadurch, dass er als Beobachter vor Ort war, mitgeholfen, die Situation zu deeskalieren und dem Polizisten das Gefühl gegeben, dass er später für sein Verhalten zur Rechenschaft gezogen werden würde.

Reporter aus Krisengebieten oder politisch instabilen Regionen würden auch seiner Erfahrung nach immer stärker selbst zur Zielscheibe: „Kriege werden heutzutage immer mehr über Meinungen geführt. Und Informationen spielen da eine ganz große Rolle. Und wir sind als Fotojournalisten oder Journalisten diejenigen, die die Informationen bringen und werden dadurch viel stärker und immer mehr direktes Ziel.“ Man müsse sich extrem gut informieren, weil von Ort zu Ort die Umstände sehr unterschiedlich seien und sollte vermeiden, blauäugig in eine Situation reinzugeraten, die man nicht verstehe. Es sei wichtig, sich selbst zu informieren: Gute lokale Quellen zu haben, Menschen vor Ort, denen man vertraue - Protagonisten, lokale Journalisten oder Freunde. Sich mit der Situation vor Ort immer besser auszukennen, sei sehr wichtig geworden. Die internationale Arbeit würde generell schwieriger, schildert Wresch seine Beobachtungen, aber auch für lokale Journalisten, die die internationale Plattform und den damit verbundenen Schutz nicht genießen würden: Lokale Radios, lokale kleine Zeitungen, die immer mehr in Bedrängnis kämen und ihre Arbeit nur unter größten Schwierigkeiten und Gefahren verrichten könnten.

Wresch arbeitet auch aktuell viel in Kolumbien an Langzeitprojekten zum Friedensprozess, hat Fotoprojekte in Deutschland und Afrika. „Im Kontakt und im Zugang zu den Menschen liegt der Schlüssel zu meinen Motiven. Damit diese authentisch wirken und etwas erzählen aus dem Leben, beanspruchen die Projekte sehr viel Zeit, in der man vor Ort sein muss – mit den Menschen teilen muss, beobachten muss, verstehen muss und eben auch fotografieren.“

sputniknews


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