Der polnische Chefdiplomat beklagte einen „Mangel an grundsätzlicher Fairness“ bei der Entschädigung der von Deutschland überfallenen Länder. Als „minimal“ bezeichnete er den Anteil an den Entschädigungszahlungen an Polen, obwohl sein Land besonders stark unter dem Nazi-Regime gelitten habe.
„Es gibt Länder, die ein Vielfaches weniger verloren haben, aber mehr Kompensation bekommen haben. Ist das in Ordnung?“, fragte Czaputowicz. „Die zentrale Frage ist, ob Polen im Vergleich zu anderen Staaten fair behandelt wurde.“ Ausdrücklich nannte er Frankreich und die Niederlande.
Thema für Berlin schon abgeschlossen
Im Zweiten Weltkrieg kamen in Polen fünf bis sechs Millionen Menschen ums Leben – und damit etwa jeder Sechste. Damit ist Polen eines der Länder, die die meisten Toten durch das Hitler-Regime zu beklagen haben. Die Hauptstadt Warschau wurde zudem vor dem Rückzug der Wehrmacht fast komplett dem Erdboden gleichgemacht.
Die rechtskonservative PiS-Partei hatte das Thema Entschädigung nach der Regierungsübernahme 2015 wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Nach polnischen Berechnungen belaufen sich die von Deutschland verursachten Kriegsschäden auf etwa 800 Milliarden Euro.
Deutschland hält das Thema mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990 über die außenpolitischen Folgen der deutschen Einheit für abgeschlossen. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass Polen keine Entschädigung mehr zustehen. Auch Bundesaußenminister Heiko Maas betonte Anfang August gegenüber einem polnischen Nachrichtenportal, das Thema sei für Deutschland juristisch abgeschlossen.
Die Bundesregierung hatte ihrerseits die Reparationsforderungen Polens schon zuvor mit Verweis auf einen mehrfach bestätigten polnischen Verzicht auf Zahlungen solcher Artzurückgewiesen. Polnische Regierungsmitglieder argumentieren jedoch, die entsprechende Erklärung aus dem Jahr 1953 sei verfassungswidrig gewesen und nur auf Druck der Sowjetunion erfolgt. Außerdem habe sie nur die DDR betroffen.
Gedenkfeier in Danzig: Keine Einladung für Russland
Zum 80. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges am 1. September hat Polen ausgerechnet Deutschland und nicht Russland eingeladen. Neben der deutschen Bundeskanzlerin werden auch US-Präsident Donald Trump und der ukrainische Präsident Wladimir Selenski erwartet. Dass Russland bei der Gedenkfeier fehlen wird, erklärt Warschau mit der Verletzung des Völkerrechts im Jahr 1939, als das Territorium des Landes nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges aufgeteilt wurde.
Damals ging ein Teil des Landes an Deutschland, der andere an die Sowjetunion. Am 17. September 1939 marschierten sowjetische Truppen in der Westukraine und in Westweißrussland ein. Diese Territorien hatte Polen während des sowjetisch-polnischen Krieges von 1919 bis 1920 erobert. Als die Sowjetunion mit Truppen einrückte, hatte die polnische Regierung Warschau bereits verlassen. Die Sowjetregierung erklärte, sie könne die brüderlichen Völker, die Ukrainer und die Weißrussen nicht ungeschützt lassen.
Kremlsprecher Dmitri Peskow hatte früher betont, dass jegliche Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg ohne Russland nicht als vollwertig betrachtet werden könnten.
Polens Vize-Premier Jacek Sasin erklärte die Nicht-Einladung Russlands mit dem bewaffneten Konflikt im Osten der Ukraine. „Es wäre unpassend, den Jahrestag der bewaffneten Aggression gegen Polen zusammen mit einem Staatsoberhaupt zu begehen, der heute genauso gegen seinen Nachbar vorgeht.“
ta/sb/dpa
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