Eine "Regierung der Wende" wollen Fünf-Sterne-Bewegung und Sozialdemokraten (PD) in Italien aus der Taufe heben, gar das "Profil der italienischen Politik ändern". So verkündeten es beide Parteien am gestrigen Mittwoch, als sie sich nach langen, zähen Verhandlungen auf die Bildung einer Koalition geeinigt hatten.
Was sie damit - zumindest vorerst - geschafft haben: Schnelle Neuwahlen zu verhindern, die wahrscheinlich den bisherigen Innenminister Matteo Salvini ins höchste Regierungsamt gehoben hätten. Doch der Chef der rechtspopulistischen Lega, der die Koalition mit den Fünf Sternen aufgekündigt hatte, könnte doch noch der lachende Dritte sein. Denn auf die neue Regierung warten nun die Mühen der Ebene - und die haben es in sich.
Italiens immense Staatsverschuldung, der Budget-Streit mit Brüssel, die hohe Jugendarbeitslosigkeit, nicht zuletzt der Umgang mit den Flüchtlingen: Das sind nur einige der Themen, die die Regierung bewältigen muss. Leicht wird das nicht. Zumal die Zusammenarbeit zwischen Fünf Sternen und sozialdemokratischer PD alles andere als einfach wird.
Zwei Parteien, die sich bisher gegenseitig übel beschimpft haben, wollen zusammen regieren - weil sie einen gemeinsamen Gegner haben. Reicht das für eine stabile Koalition? Da ist Skepsis angebracht. Sie benötigen ein gemeinsames Ziel und eine Idee, wie Italien aus der Krise geführt werden kann. Bisher fehlt beides. Zumal sich beide Seiten zwar auf eine Koalition und einen Premier - den parteilosen, bisherigen Amtsinhaber Giuseppe Conte - geeinigt haben, doch inhaltliche Fragen ungeklärt sind.
Auch die EU ist gefordert
Schon bei der Zusammenstellung der Regierungsmannschaft könnte es neuen Streit geben. Und auch die geplante Abstimmung der Sterne-Parteibasis über das neue Bündnis steht noch aus, mit unsicherem Ausgang. Die Bewegung hat sich in der bisherigen Koalition mit der Lega wenig hervorgetan. Ob sich das mit dem neuen Regierungspartner ändert? Die Befähigung, konstruktiv zu regieren, muss die populistische Bürgerbewegung noch unter Beweis stellen.
Dazu gehört auch, mit der EU zusammenzuarbeiten. Denn dieser stehen die Sterne bisher skeptisch gegenüber. Immerhin: Die Verhandlungen mit Brüssel dürften leichter werden, wenn der Ton gemäßigter wird. "Beenden wir die Zeit des Hasses, des Grolls, der Durchtriebenheit, des Egoismus", sagte PD-Chef Nicola Zingaretti mit Blick auf die populistischen Ausfälle Salvinis, der ungehemmt gegen Brüssel und Berlin, Flüchtlinge und politische Gegner polterte. Eine zurückhaltende italienische Regierung könnte bei der EU auf mehr Entgegenkommen hoffen.
Aber auch die Staaten der Europäischen Union sind gefordert, Italien mit seinen Problemen nicht alleinzulassen, von der Aufnahme von Flüchtlingen bis zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Denn scheitert diese Regierung in den ersten Monaten, kommt es doch noch zu Neuwahlen. Dann könnte Salvini der große Gewinner sein. Zwar sackte seine Lega in den Umfragen zuletzt ab. Doch in der Opposition kann der Parteichef ungehemmt drauflospoltern. Die neue, wacklige Koalition dürfte sein bevorzugtes Ziel sein.
Quelle: n-tv.de
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