Mitten in Berlin wird am helllichten Tag ein Mann erschossen. Er stirbt noch am Tatort im Stadtteil Moabit. Nur wenige Stunden später nehmen die Ermittler einen Verdächtigen fest. Der Mann schweigt bislang zu den Vorwürfen. Noch immer liegen die Hintergründe der Tat im Dunkeln. Beim Zusammensetzen der einzelnen Puzzlestücke ergibt sich indes ein zunehmend komplexes Bild. Es geht um Tschetschenien, Georgien, die Ukraine und Russland. Zusammen mit den Erkenntnissen wächst die Schar der Ermittler. Inzwischen sind laut "Spiegel" neben der Berliner Polizei auch Geheimdienste mehrerer Länder, die Bundesanwaltschaft, das Innenministerium und das Kanzleramt beteiligt.
Im Kern geht es um die Frage, ob ein ausländischer Staat in der deutschen Hauptstadt einen Mord ausführen ließ. Dabei führen die Indizien nach Moskau und Grosny. Bewahrheitete sich dies, löste der Fall eine diplomatische Krise aus. Doch auch tschetschenische Islamisten und das organisierte Verbrechen sind als Täter denkbar.
Als Gefährder eingestuft
Beim Opfer handelt es sich um den 40-jährigen ethnischen Tschetschenen Zelimkhan Khanoshvili, der in Georgien geboren wurde. Laut "Spiegel" kämpfte er ab 2001 im Zweiten Tschetschenienkrieg gegen Russland und war Kommandeur und Vertrauter eines Separatistenführers. Es gebe Bilder von ihm mit einem islamistischen Terroristen. Beide wurden von russischen Einheiten getötet. Khanoshvili verdingte sich für georgische Behörden und offenbar auch für US-Dienste. Seine Aktivitäten richteten sich gegen Russland und Diktator Ramsan Kadyrow, wie seine Ex-Frau dem Magazin erzählt haben soll. Kadyrow führe "Todeslisten", zitiert der "Tagesspiegel" Sicherheitskreise.
2015 überlebte er in Georgiens Hauptstadt Tiflis schwer verletzt einen Mordanschlag. Er floh in die Ukraine und setzte von dort seine Arbeit wahrscheinlich fort. Der "Tagesspiegel" berichtete vor einigen Tagen, dass er Berater des früheren antirussischen Ex-Staatspräsidenten Georgiens, Micheil Saakaschwili, gewesen sei. Dieser war kurz zuvor zum Gouverneur der südukrainischen Region Odessa ernannt worden, nachdem er die Regierung des ukrainischen Staatschefs Petro Poroschenko beraten hatte.
Über Polen gelangten Khanoshvili und seine Familie 2017 nach Deutschland. Zwei Jahre wurde er dem Bericht zufolge in Brandenburg als islamistischer Gefährder geführt, denn Moskau bezeichnete ihn als Mitglied des "Kaukasischen Emirats". Die Gruppe ist in den USA und Russland als terroristische Vereinigung eingestuft. Nach zwei Jahren ohne Vorkommnisse nahmen die deutschen Behörden ihn von der Gefährderliste. Laut "WDR" war er ausreisepflichtig und sollte abgeschoben werden. Dagegen hatte er geklagt. Am 23. August wurde er in Berlin erschossen.
Passnummer führt zum Militärgeheimdienst
Knapp vier Wochen zuvor bemühte sich der mutmaßliche Mörder in der französischen Botschaft in Moskau um eine Einreise in die EU. Seine Angaben waren fehlerhaft, seine Spuren in der Hauptstadt nicht nachzuverfolgen. In russischen Datenbanken ist er nicht zu finden. Seine Passnummer legt eine Spur zu der Stelle im russischen Innenministerium, die für gewöhnlich Dokumente für Angehörige des Militärgeheimdienstes ausstellt, wie der "Spiegel" weiter schreibt. Über Paris reiste er nach Berlin. Er ist er den bisherigen Erkenntnissen zufolge dem Opfer mit einem Fahrrad gefolgt und hat ihm dann in den Rücken und in den Kopf geschossen. Gegen ihn wurde Haftbefehl erlassen. Die Waffe ist sichergestellt, das Fahrrad aus der Spree gezogen. Ermittler fanden zudem ein Rückflugticket für den Tag nach der Tat.
Moskau weist derweil eine Beteiligung erwartungsgemäß zurück. "Dieser Fall hat natürlich nichts mit dem russischen Staat und seinen Behörden zu tun", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Die russische Botschaft in Berlin stehe in Kontakt mit den deutschen Ermittlern, heißt es vom Außenministerium.
Quelle: n-tv.de
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