"Das Paket trägt die Handschrift der Vernunft", hat Markus Söder, bayerischer Ministerpräsident, am Freitag auf der Pressekonferenz zum "Klimapaket" der Bundesregierung gesagt. Der Mann hat Recht. Es ist vernünftig, ein Maßnahmenbündel zu beschließen, das die Industrie nicht zwingt, nachhaltiger zu produzieren. Das Autofahrern keinen Anlass gibt, weniger Auto zu fahren. Und das Vielfliegern nicht das Vielfliegen madig macht. Das ist vernünftig, wenn es das einzige eigene Ziel ist, dass man in vier Jahren wieder bayerischer Ministerpräsident wird.
Das ist ein Ziel, das man mit einer Bepreisung von 10 Euro pro Tonne CO2 erreichen kann, die von Klimaforschern folgendermaßen beurteilt wird:
"lächerlich niedrig" (Ottmar Edenhofer, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung)
"viel zu zaghaft" (Georg Teutsch, Helmholtz-Zentrum Leipzig)
"okay, wenn man 200 Jahre Zeit hätte" (Volker Quaschning, HTW Berlin)
Ja, Moment. Aber das sind natürlich Meinungen von Experten, die das Problem aus rein wissenschaftlicher Sicht betrachten. Es gibt auch die politische Sichtweise. Kanzlerin Angela Merkel hat am Freitag erklärt, Politik sei das, was möglicht ist. Auch das stimmt sicher. Man muss bedenken, dass die Maßnahmen auch machbar und vermittelbar sein müssen. Menschen, die das Klimapaket eher unter dem Aspekt der Machbarkeit beurteilen, nennen eine Bepreisung von 10 Euro pro Tonne CO2:
"zu gering" (Carl Martin Welcker, Industrieverband VDMA)
"zu gering" (Karen Pittel, Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung)
"viel zu zögerlich" (Marie-Luise Wolff, Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft)
Gerne würde ich hier noch eine Reaktion des Verbands der Mineralölwirtschaft (MWV) einfügen. Der vertritt unter anderem die Konzerne Esso, Shell und Total, hat sich aber noch nicht geäußert. Beim Klick auf die Website des MWV erscheint auf der Startseite das Statement "MWV fordert: CO2-Preis richtig machen". In der Stellungnahme dazu heißt es dann "Die Mineralölwirtschaft unterstützt ausdrücklich die Einführung einer CO2-Bepreisung". Ja gut, aber dann müsste so ein spürbarer Preis für den CO2-Ausstoß auch noch der Bevölkerung vermittelt werden. Und was sagt die?
"Save our planet!" (1,4 Millionen Menschen am Freitag)
"Politik ist das, was möglich ist", sagte Merkel, inmitten ihrer Kolleginnen und Kollegen aus dem Koalitionsausschuss auf dem Podium sitzend. Tragisch ist, dass der Koalitionsausschuss am Freitag alles Mögliche gemacht hat, aber ganz bestimmt keine Politik. Denn möglich war viel, viel mehr. Und es macht geradezu Angst sich vorzustellen, wie instinktlos diese Entscheiderriege gewesen sein muss, um an diesem Tag in Berlin-Mitte, eingekreist von 270.000 Menschen, die von ihnen Mut und Verantwortung fordern, das nicht zu spüren.
Es ist frustrierend und leider auch beängstigend zu erkennen, dass Deutschland zurzeit von Politikern regiert wird, die offensichtlich weder den Mut noch das Ziel haben, den Kindern dieser Erde und auch deren Kindern und Enkeln ein Weiterleben auf diesem Planeten zu sichern. Denn darum geht es. Es geht um die Frage: Hat die moderne Zivilisation, wie wir sie heute kennen, noch eine Zukunft? Oder werden wir in 50 Jahren miteinander um knappe Nahrungsmittel streiten, um den Zugang zu Trinkwasser kämpfen und um ein Leben in den noch bewohnbaren Regionen der Erde?
Weil es um diese Frage geht, müssen wir die Riege von Ignoranten, die gerade unsere Zukunft gegen die Wand fährt, leider dazu zwingen, dass sie handelt. Wir haben schon "Fridays for Future", "Scientists for Future" und "Entrepreneurs for Future", das ist toll. Jetzt brauchen wir noch "Teachers for Future", "Hipster for Future", "Doctors for Future", "Spielerfrauen for Future", anders gesagt: Wir brauchen jede und jeden, und der Freitag ist bitteschön geblockt. Das wird anstrengend und verlangt einen langen Atem. Aber nochmal: Wollen wir uns von einer Riege von Ignoranten unsere Zukunft zerstören lassen? Also.
Quelle: n-tv.de
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