Jürgen Klopp im feinen Zwirn zu sehen, das ist immer wieder ein ungewohnter Anblick. Der 52-Jährige ist auch als frisch gekürter Welttrainer des Jahres 2019 noch immer eher der Typ, der im Trainingsanzug an der Seitenlinie steht. In Mailand nun nahm Klopp den Preis des Fußball-Weltverbands entgegen - es ist die höchste persönliche Auszeichnung, die ein Übungsleiter erhalten kann. Sie ist die logische Konsequenz für die Entwicklung, die der FC Liverpool unter seinem ersten deutschen Manager genommen hat.
Als Klopp im Oktober 2015 vorgestellt wurde, waren die "Reds" gerade Zehnter. Mit Tabellenplatz acht am Saisonende stellte Liverpool zwar sein schlechtestes Ergebnis seit Einführung der Premier League im Jahr 1992 ein, doch schon in seiner ersten Saison bewies Klopp, dass die deutschen Meistertitel mit Borussia Dortmund 2011 und 2012 keine Zufallsprodukte waren. In der Europa League führte er Liverpool ins erste europäische Endspiel seit 2007, auch wenn dieses mit 1:3 gegen den FC Sevilla verloren ging.
In seiner ersten kompletten Spielzeit führte er die Reds 2017/18 dann auf Platz vier in der Liga und in das Endspiel der Champions League. Es war das dritte große europäische Finale für Klopp - und die dritte Niederlage für den bedingungslosen und mitreißenden Pressing-Fußball, den Klopp-Teams spielen. Nach dem FC Bayern München 2013 und Sevilla ein Jahr zuvor beendete diesmal Real Madrid die Titelträume. Auch, weil der deutsche Torwart Loris Karius zweimal folgenreich patzte.
Die richtigen Schlüsse aus der Niederlage
Klopp aber zog aus dieser schmerzhaften Niederlage die richtigen Schlüsse: Er verstärkte seine Mannschaft mit dem sehr teuren, neuen Welttorhüter Alisson Becker, mit den Mittelfeldspielern Fabinho und Naby Keita. Das großzügige Transferbudget Liverpools wusste Klopp erneut gewinnbringend einzusetzen. In der Premier League spielte der Traditionsklub die beste Saison seiner Vereinsgeschichte, holte 97 von 114 möglichen Punkten. Dass es trotzdem nicht zur ersten Meisterschaft seit 1990 reichte, lag an Manchester City, das mit 98 Punkten minimal besser war und den Reds die einzige Niederlage in 38 Ligaspielen beibrachte. Klopps Punkteschnitt pro Spiel liegt in Liverpool bei 1,98 - es ist der höchste in den 18 Coaching-Jahren, auf die der Ex-Profi inzwischen zurückblickt.
Über den FC Bayern und den FC Porto zog Liverpool ins Halbfinale der Champions League ein - und ging im Hinspiel beim FC Barcelona mit 0:3 unter. Der Knockout schien unvermeidbar. Nur nicht für Klopp, der seine Mannschaft antrieb. Und die dann die heimische Anfield Road eskalieren ließ, als Divock Origi in der 79. Minute spektakulär das 4:0 erzielte. Barça schlief, der von Klopp zum englischen Nationalspieler geformte Trent Alexander-Arnold zeigte sich bei einer Ecke hellwach und Origi vollstreckte frei stehend. Ein Tor, das den Gegner überrumpelte und sinnbildlich für Klopp-Fußball steht.
Klopp macht seine Spieler besser
Der 52-Jährige steht aber nicht nur für Pressing und für niemals aufgeben. Klopp steht auch dafür, seine Spieler besser zu machen. Aus dem einst fahrigen Joel Matip formte er einen Innenverteidiger von internationalem Format, Andy Robertson und Jordan Henderson stellen ihre Klasse bisweilen wöchentlich unter Beweis. Die Sturmreihe Roberto Firmino, Sadio Mané und Mohamed Salah zählt zu den besten der Welt, selbst 84-Millionen-Euro-Einkauf Virgil van Dijk machte einen weiteren Schritt nach vorn.
Das Meisterstück des Trainers folgte dann aber im Finale in Madrid. Das 2:0 über Tottenham Hotspur war die Krönung einer herausragenden Saison. Und die Krönung der Entwicklung des FC Liverpool, die maßgeblich auf Jürgen Klopp zurückzuführen ist. Ein Titel aber fehlt dem ehemaligen Trainer von Mainz 05 und Borussia Dortmund noch. Zwar sind die Reds mit 18 Meisterschaften die Nummer zwei der ewigen Rangliste, seit Einführung der Premier League aber jubelten immer die anderen. Stillt Klopp auch diese Sehnsucht, reiht er sich in die Riege der größten Manager ein, die der FC Liverpool je hatte. Dann ist er endgültig eine Klublegende.
Nach sechs Siegen aus den ersten sechs Spielen scheint das eine Frage der Zeit zu sein.
Quelle: n-tv.de
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