Vom 11. bis zum 13. November waren Teams auf den Inseln Chios und Samos unterwegs sowie an der griechischen Landgrenze zur Türkei. Ihr Auftrag: Sie sollten prüfen, ob sich Griechenland in der Flüchtlingskrise an europäische Regeln hält.
Das Ergebnis des "Berichts zur Umsetzung des Schengen Abkommens im Bereich des Außengrenzschutzes in Griechenland", so der offizielle Titel, ist besorgniserregend: "Griechenland vernachlässigt seine Pflicht, an den Außengrenzen Kontrollen durchzuführen, in gravierender Weise", lautet das Fazit der EU-Beamten.
Vor allem auf See gehe es allein um die Rettung der Flüchtlinge. Von einer effektiven Sicherung der See- und Landgrenzen zur Türkei könne keine Rede sein. Die Registrierung klappe nicht, Geräte wie Scanner für Fingerabdrücke fehlen entweder komplett oder streiken, und vor allem reicht die Zahl der griechischen Beamten nicht, um mit den Flüchtlingszahlen fertig zu werden.
Am Dienstag Nachmittag will die EU-Kommission die Mängelliste beschließen. Das Dokument, über das die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" zuerst berichtete, liegt SPIEGEL ONLINE vor. Erste Ergebnisse hatte die EU-Kommission bereits am vergangenen Mittwoch bekannt gegeben, auch um den Druck auf Griechenland zu erhöhen. Bei der genauen Lektüre des kompletten Dokuments zeigen sich jedoch die zum Teil haarsträubenden Zustände auf den griechischen Inseln und an der Landgrenze.
Fehlendes Personal
"Die Zahl der Beamten, die sich auf den besuchten Inseln mit dem Grenzschutz und der Registrierung beschäftigen, reicht nicht aus, um illegale Migranten effektiv zu identifizieren und registrieren", schreiben die Beamten. Oft können die Griechen offenbar nicht einmal die Minimalvoraussetzungen für eine regelgerechte Einreise der Flüchtlinge erfüllen. Dies ist auch ein Sicherheitsrisiko, wie die EU-Beamten unumwunden zugeben. Die Registrierung müsse dringend ergänzt werden, um die "Überprüfung, dass der jeweilige Migrant die Sicherheit in den Mitgliedsländern nicht gefährdet".
Registrierung klappt nicht
Auf den Inseln nähmen die griechischen Behörden Fingerabdrücke in offenen Aufnahmezentren ab, heißt es in dem Bericht. "So ist nicht sichergestellt, das alle illegalen Migranten registriert und ihre Fingerabdrücke abgenommen werden." Die Überprüfung der Identität geschehe, wenn überhaupt, anhand der Papiere, die die Flüchtlinge bei sich führen. Doch diese würden nicht mit dem Schengen-Informationssystem oder den Datenbanken von Interpol oder nationaler Behörden abgeglichen, berichten die EU-Beamten. Auch dies ein Verstoß gegen die Schengenregeln.
Fingerabdrücke per Hand
"Weil Scanner fehlen, werden Fingerabdrücke am Tabakika Registrierungszentrum per Hand mit Hilfe von Tinte und Papier genommen und dann erst eingescannt und in die Polizeidatenbank hochgeladen." Konsterniert stellen die EU-Beamten fest, dass nicht nur die Qualität der Fingerabdrücke nicht ausreiche, um die Identität des Flüchtlings zu klären. Vor allem haben es die Griechen mit der Prozedur auch nicht besonders eilig. "Bei seinem Besuch konnte das Vor-Ort-Team feststellen, dass zwischen dem Abnehmen der Fingerabdrücke und dem Hochladen zehn Tage vergehen könnten." Eine zweite Chance, die Flüchtlinge zu registrieren, gebe es oft nicht, melden die EU-Beamten. "Wenn festgestellt ist, dass die Qualität nicht ausreicht und die Fingerabdrücke nochmal genommen werden müssen, steht der Migrant oft nicht mehr zur Verfügung." Zu einer Rückführung illegaler Migranten kommt es ebenfalls nicht. "Von den Inseln aus wird keinerlei Rückführung illegaler Migranten ausgeführt", heißt es in dem Bericht.
Probleme auch an Land
An der Landgrenze zwischen Griechenland und der Türkei ist die Lage offenbar kaum besser. Am türkisch-griechischen Checkpoint Kastanies etwa überwachten während des EU-Besuchs pro Schicht ganze zwei griechische Beamte den Grenzverkehr. "In der Regel verlässt nur der Fahrer das Fahrzeug", um die Dokumente vorzuzeigen, heißt es. Die anderen Passagiere blieben im Fahrzeug, niemand kontrolliere sie. Das Lesen des Berichts lässt den Schluss zu, dass der Personalengpass auch schon egal ist: Da der Checkpoint nicht genügend abgeriegelt sei, so die EU-Beamten, könnten Grenzgänger den Kontrollen komplett entgehen und einfach unentdeckt über die Grenze gehen. "Das ist gerade in Zeiten großen Verkehrsaufkommens möglich."
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