Das Gerät, das emissionsfreier Mobilität zum Durchbruch verhelfen soll, ist groß wie ein Kühlschrank und verwandelt die heimische Garage in eine Öko-Zapfanlage. Die Mini-Tankstelle für Wasserstoff wurde von Wissenschaftlern der Polytechnischen Hochschule im schweizerischen Lausanne (EPFL) entwickelt und soll eines Tages Hausbesitzern ermöglichen, das energiereiche Gas nicht nur zu speichern, sondern gleich auch selbst zu produzieren.
Wasserstoff hat viele Voraussetzungen für ein Traumgemisch der Energiewende: Gewonnen wird er in einem Elektrolyseur, der Wasser (H2O) unter Strom setzt, sodass sich Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O) voneinander trennen. In einem zweiten Schritt lässt sich der Wasserstoff zu synthetischem Erdgas, Benzin, Diesel oder Kerosin verarbeiten und ist damit vielseitig einsetzbar. Brennstoffzellen-Fahrzeuge fahren mit reinem Wasserstoff völlig schadstofffrei und klimaneutral, wenn er per Elektrolyse mit Wind- oder Solarstrom erzeugt wird. Bezogen auf das Gewicht, enthält er fast drei Mal mehr Energie als Benzin, Autos trägt eine Tankfüllung daher mehrere hundert Kilometer weit. Und Wind- und Solarstrom lässt sich in ihm fast unbegrenzt lange speichern, ohne dass Energie verloren geht.
Wenn da nur nicht seine extrem geringe Dichte wäre. Gasförmiger Wasserstoff nimmt viel Raum ein - ein Kilogramm hat ein Volumen von etwa zwölf Kubikmetern. Um ihn speichern, transportieren und tanken zu können, muss er stark komprimiert oder verflüssigt werden. Das ist sehr aufwendig und verbraucht eine Menge Strom.
Mit ihrer Neuentwicklung wollen die Forscher aus der Schweiz nun ein Problem lösen, das derzeit auch die Elektromobilität ausbremst: Die fehlende Ladeinfrastruktur. Derzeit gibt es deutschlandweit gerade einmal rund 90 Wasserstoff-Tankstellen. Damit sich die Technologie durchsetzt, sind nach Schätzungen des Beratungsunternehmens Ernst & Young bundesweit jedoch mindestens 1000 Tankstellen nötig. Schon wenige hundert private Keller-Tankstellen können da schnell einen großen Unterschied machen. "Unser System hat die Größe eines Kühlschranks", sagt Professor Andreas Züttel vom EPFL-Materiallabor für erneuerbare Energien. "Privatpersonen können sich damit eine eigene, kleine Tankstelle bauen."
Herzstück des neu entwickelten Systems ist ein Metallhydrid, das die Wasserstoffmoleküle wie ein Schwamm aufnimmt. "Wenn man Wärme zuführt, erhöht sich der Gasdruck im Speicher. Damit komprimieren wir den Wasserstoff", erklärt Züttel.
Auf diese Weise lässt sich genau das Druckniveau herstellen, das für das Betanken der Fahrzeuge nötig ist. Dabei nimmt der Druck mit steigender Temperatur - zugeführt durch einen Heizkessel - exponentiell zu. Strom ist für das Speichern und Verdichten nicht notwendig. Ein Elektrolyseur sorgt für steten Wasserstoff-Nachschub. Die Anlagen benötigen lediglich Strom und Wasser. Den Strom für die Elektrolyse können die Bewohner mit einer Photovoltaik-Anlage auf ihrem Dach erzeugen.
Bis das System auf den Markt kommt, wird es aber noch ein wenig dauern. Das Forscherteam hat zusammen mit Partnern Prototypen erstellt, die jetzt in der Praxis getestet werden.
Der Wasserstoff-Speicher ist nicht nur interessant für den Verkehr, meinen die EPFL-Experten. Er könnte auch als Langzeitspeicher für Solar- und Windenergie dienen.
So wollen die Schweizer Wissenschaftler ihren Speicher auch mit Brennstoffzellen-Heizungen koppeln, wie sie etwa Viessmann oder die Bosch-Tochter Buderus anbieten. Solche Anlagen gewinnen den nötigen Wasserstoff heute aus Erdgas. Klimafreundlich ist das nicht.
Das ändert sich, wenn den Wasserstoff ein Elektrolyseur liefert, der mit Strom aus einer Photovoltaik-Anlage auf dem Hausdach betrieben wird. Hausbesitzer könnten mit der Sommersonne Wasserstoff auf Vorrat produzieren und ihn dann so lange im Speicher lagern, bis die Tage kälter werden.
"Im Gegensatz zu Batteriespeichern kommt es dabei im Laufe der Zeit zu keinerlei Selbstentladung. Das System ist geschlossen, kein Wasserstoff geht verloren", sagt EPFL-Forscher Züttel.
Zugleich vermeidet die Elektrolyse mögliche Engpässe in den Netzen, die entstehen, wenn bei viel Sonnenschein große Mengen an Solarstrom in die Leitungen strömen.
Michael Sterner, Professor für Energiespeicher und -systeme an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH), ist von diesem Konzept allerdings weniger überzeugt. "Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, brauchen wir eine Wasserstoffwirtschaft im industriellen Maßstab, beispielsweise in Raffinerien oder in der Stahlindustrie. Haushalte sind da leider nur 'Liebhaberei' und bringen nicht die Masse", sagt der Wissenschaftler.
Zudem seien Elektrolyseure für den privaten Gebrauch enorm teuer. "Das ist nur etwas für Menschen, die bereit sind, dafür mehrere zehntausend Euro auf den Tisch zu legen", erklärt Sterner. Auch die Kosten für die Speicher werden hoch sein, da sie, zumindest anfangs, weitgehend per Hand hergestellt werden müssen.
spiegel
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