„Untätigkeit“ und „Versagen“ – Merkel „muss weg“?

  30 Oktober 2019    Gelesen: 827
  „Untätigkeit“ und „Versagen“ – Merkel „muss weg“?

Nach der für die CDU miserablen Wahl in Thüringen regt sich immer mehr Widerstand gegen Angela Merkel auch in der eigenen Partei. Um die Kanzlerin ist es auffällig ruhig geworden. Plant die CDU bereits einen vorzeitigen Machtwechsel. Auch einstige Weggefährten fallen Merkel mit harschen Worten in den Rücken.

Nachdem die CDU in Thüringen bei der Wahl einen zweistelligen Verlust erlitten hat und auf Platz drei noch hinter die AfD zurückgefallen ist, rumort es in der Partei massiv. Wie immer wird ein Schuldiger gesucht. Für immer mehr Unionspolitiker scheint dies Angela Merkel zu sein.

Wo ist Merkel?
Im Thüringer Wahlkampf tauchte die Kanzlerin gar nicht erst groß in Erscheinung, zu unbeliebt ist die einstige Parteivorsitzende im Osten des Landes. Aber auch generell scheint die Regierungschefin in letzter Zeit nicht mehr so häufig das Licht der Öffentlichkeit zu suchen. Zur Thüringenwahl hat sich Merkel bis jetzt nicht vor Journalisten geäußert.

Fast zeitgleich melden sich nun ehemalige Weggefährten Merkels zu Wort, die mit der Kanzlerin noch die eine oder andere Rechnung offen haben. Besonders laut wettert in diesen Tagen der ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz. Die historisch schlechten Wahlergebnisse für CDU und SPD bei der Landtagswahl in Thüringen seien nach Einschätzung von Merz „ein großes Misstrauensvotum“ gegen die große Koalition in Berlin. Die „Untätigkeit und die mangelnde Führung“ Merkels hätten sich seit Jahren wie ein Nebelteppich über das Land gelegt, so der 63-Jährige:

„Das kann so nicht weitergehen. Und ich kann mir schlicht nicht vorstellen, dass diese Art des Regierens in Deutschland noch zwei Jahre dauert.“
Das gesamte Erscheinungsbild der Bundesregierung sei einfach „grottenschlecht“. Seine ehemalige Konkurrentin im Kampf um die Parteispitze, Annegret Kramp-Karrenbauer, nimmt Merz dagegen in Schutz. AKK habe laut seiner Aussage mit Blick auf die Thüringenwahl keine so negative Rolle gespielt.

Merz gilt als ein großer Kritiker Merkels, bisher hatte er sich mit scharfen Worten gegen die Kanzlerin aber zuletzt zurückgehalten. Im Februar 2000 war der gebürtige Sauerländer als Nachfolger Wolfgang Schäubles Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und zum damit Oppositionsführer gewählt worden. Die CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel beanspruchte nach der Bundestagswahl 2002 den Fraktionsvorsitz dann für sich, während Merz zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden degradiert wurde. Im Dezember 2004 trat er von diesem Amt zurück. Wegen „parteiinterner Differenzen“ trat Merz schließlich bei der Bundestagswahl 2009 nicht erneut an und wechselte in die Wirtschaft.

Auch ein weiterer „alter Bekannter“ Merkels traut sich aktuell aus der Deckung. Der ehemalige CDU-Ministerpräsident von Hessen, Roland Koch, fällt im Magazin „Cicero“ ein vernichtendes Urteil über Merkels Regierungszeit. Auch der 61-Jährige sieht den Niedergang von CDU und SPD im „Versagen von politischer Führung begründet.“ Kochs großer Vorwurf:

„Eine permanente Verschleierung legitimer Konflikte durch Formelkompromisse. Damit verengen CDU und SPD die gesellschaftliche Debatte.“
Diese werde laut Koch dann den politischen Rändern überlassen. Merkel wirft er explizit vor, sich Debatten zu entziehen – nicht nur in der Klimadebatte, sondern auch bei dem Thema Zuwanderung:

„Die Verteidigung unserer Grenzen, seien es die europäischen oder die nationalen, ist von der Bundeskanzlerin als nicht mehr realistisch angesehen worden. Die ‚wehrhafte Demokratie‘ hat ihre Anwälte der Mitte verloren.“
Koch beklagt laut der „Bild“ auch die von Merkel praktizierte Ausrichtung der Politik an Meinungsumfragen. Der ehemalige Ministerpräsident warnt zudem seine Partei davor, Grünen und Linken in der „Apokalypse-Theorie der Fridays-for-Future-Bewegung“ zu folgen.

Schon Anfang der 2000er Jahre tobte zwischen Koch und Merkel ein erbitterter Machtkampf. Dem Hessischen Landesvater wurden, nachdem er in dem Bundesland für die CDU sogar die absolute Mehrheit erreicht hatte, beste Chancen auf eine Kanzlerkandidatur zugeschrieben. Doch Koch bekam keine Chance auf einen höheren Posten und machte auch nicht den Fehler anderer Ministerpräsidenten, sich in Merkels Kabinett locken zu lassen. 2010 gab Koch schließlich bekannt, von seinem Amt als Ministerpräsident zurückzutreten. Wie Merz wechselte auch er in die Wirtschaft.

Und es kommt noch dicker: Ex-Verfassungsschutzpräsident und Mitglied der „Werteunion“, Hans-Georg Maaßen, fordert nun klar den Rücktritt der Kanzlerin. Als Reaktion auf die Thüringenwahl überschlug sich der 56-Jährige regelrecht mit seinen Kommentaren auf Twitter. Seine Kernaussage:

„Es ist die 13. Wahl seit 2016, bei der die #Union wegen ihrer Politik erheblich verloren hat. Das reicht, Frau #Merkel! Zeigen Sie Verantwortungsbewusstsein und ziehen Sie die Konsequenzen. #Amtsübergabe #Politikwende“
Das Ergebnis der jüngsten Landtagswahl wertet Maaßen als Abwahl des alten Establishments von CDU, SPD, FDP und Grünen. Die Wähler wollen nach Aussage des ehemaligen Staatsbeamten einen personellen Neuanfang.

Es ist also ein Desaster für Angela Merkel. Doch die Kanzlerin selbst bleibt gewohnt stumm. Zwar gibt es noch öffentliche Auftritte, wie zuletzt beim Festakt der Europäischen Zentralbank zum Abschied von dessen Präsident Mario Draghi. Oder am Montag, als Merkel in München der Theodor-Herzl-Preis des Jüdischen Weltkongresses verliehen wurde. Zu innenpolitischem Tagesgeschäft, oder gar zu innerparteilicher Kritik äußerte sie sich dabei nicht. Währenddessen wird der Gedanke „Merkel muss weg“ in den Köpfen vieler CDU-Funktionäre immer lauter. Kann sich die Kanzlerin bis zum Ende ihrer Legislaturperiode halten? Experten bezweifeln das. Ende November 2019 hat die CDU ihren Bundesparteitag in Leipzig, die Zukunft Merkels wird dort sehr sicher ganz oben auf der Agenda stehen.

* Die Meinung des Autors muss nicht der der Redaktion entsprechen.

sputniknews


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