Polizisten fanden die Leiche spätabends in einem abgelegenen Waldstück. Die Mörder hatten den Mann einen Abhang hinuntergeworfen, neben ihm lag sein Dienstgewehr. Sein Oberkörper wies mehrere Schusswunden und zahlreiche Hämatome auf, ein Fuß war zerschmettert, später stellten Gerichtsmediziner noch mehrere Rippenbrüche fest. Ermittler sprachen von "extremer Gewalttätigkeit", mit der das Verbrechen verübt worden sei.
Der Tote hieß Liviu Pop. Er war Förster im nordrumänischen Kreis Maramuresch. Der Familienvater wohnte mit seiner Frau und seinen drei kleinen Töchtern im Dorf Borcut nahe der Kleinstadt Targu Lapus. Am Nachmittag des 16. Oktober patrouillierte er in einem bergigen Waldstück im Rogoz-Tal, etwa zehn Kilometer nordöstlich seines Heimatdorfes. Um 18:41 Uhr rief er seine Frau an und sagte ihr, er habe Holzdiebe erwischt. Es war sein letztes Lebenszeichen. Liviu Pop wurde 37 Jahre alt.
Erschlagen mit einer Axt
Wenige Wochen zuvor war im nordostrumänischen Kreis Iasi bereits ein anderer Förster ermordet worden: Raducu Gorcioia. Der 50-Jährige wurde am 13. September mit einer Axt erschlagen - von Holzdieben, die er auf frischer Tat ertappt hatte.
Die grausamen Morde an den beiden Förstern erschüttern derzeit die rumänische Öffentlichkeit. Medien berichten fast täglich von der "Holzmafia" und deren Verbrechen. Zum wiederholten Male in den vergangenen Wochen demonstrierten am Dienstag in der rumänischen Hauptstadt Bukarest Hunderte Forstangestellte mit Kreuzen und Särgen, die die Namen toter Kollegen trugen, und forderten einen besseren Schutz.
Förster leben gefährlich in Rumänien: Nach Angaben des Dachverbandes der rumänischen Waldarbeitergewerkschaften (Consilva) wurden in den vergangenen Jahren sechs Förster ermordet. In etwa 650 Fällen seien Forstangestellte während ihrer Berufsausübung Opfer von gewalttätigen Übergriffen geworden und hätten Körperverletzungen erlitten.
Dabei geht es nicht nur um Taten von Kleinkriminellen oder armen Dorfbewohnern, die die Wälder plündern, weil sie kein Geld haben, um Brennholz zu kaufen. Seit Jahren holzt Rumänien seine einst ausgedehnten Wälder systematisch ab. Der Holzhandel ist ein Milliardengeschäft. Die Verästelungen reichen bis in höchste politische Kreise. Millionen Kubikmeter Holz werden illegal geschlagen. Wer dieses Geschäft stört, riskiert unter Umständen auch sein Leben.
Angetrieben wird der systematische Kahlschlag vor allem durch die große Nachfrage aus dem Ausland: Rumänien ist einer der größten Holzexporteure in Europa. Die österreichischen Holzkonzerne Schweighofer, Kronospan und Egger haben in Rumänien Werke mit großen Verarbeitungskapazitäten errichtet, auch Deutschland zählt zu den Abnehmern ihrer Produkte. Aber auch für den Möbelgiganten Ikea ist Rumänien ein wichtiger Rohstoffgeber. Zahlreiche einheimische Firmen fertigen Billigprodukte für den schwedischen Konzern, das Unternehmen selbst besitzt in Rumänien rund 50.000 Hektar Wald.
Nachdem Umweltschützer im Frühjahr 2015 aufgedeckt hatten, dass der Schweighofer-Konzern systematisch illegal geschlagenes Holz aufgekauft hatte, gerieten nicht nur das österreichische Unternehmen und andere Holzverarbeiter unter Druck, sondern auch der rumänische Staat. Denn die massenhafte Waldrückgabe an Alteigentümer, Korruption, lasche Kontrollen und Gesetzeslücken hatten den Raubbau an den Wäldern ermöglicht.
Sowohl Schweighofer als auch die rumänische Regierung versprachen damals Besserung. Unter anderem sollten GPS-basierte Tracking-Systeme dem illegalen Kahlschlag vorbeugen. Doch geändert hat sich seitdem wenig. Im Gegenteil. Das ganze Ausmaß der Waldabholzung in Rumänien wurde vor Kurzem erst deutlich, als das rumänische Investigativportal Recorder bisher geheim gehaltene statistische Daten zum jährlichen Holzeinschlag seit 2010 veröffentlichte.
Erhoben wurden sie von der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe "Nationale Waldinventur" (IFN), die im Auftrag des Ministeriums für Wasser und Wälder (MAP) arbeitet. Den Daten zufolge werden in Rumänien jährlich rund 38 Millionen Kubikmeter Holz geschlagen, offiziell aber nur rund 18 Millionen Kubikmeter deklariert. Der IFN-Direktor Gheorghe Marin bestätigte dem SPIEGEL die Zahlen der Erhebung. Warum das Ministerium für Wasser und Wälder (MAP) die Angaben zum tatsächlichen Holzeinschlag unter Verschluss hielt, wollte Marin nicht kommentieren. Das Ministerium ließ eine Anfrage des SPIEGEL dazu unbeantwortet.
Die polizeilichen Ermittlungen im Fall des ermordeten Försters Liviu Pop verlaufen derweil alles andere als transparent: Am Tag nach dem Mord verhörte die Polizei drei mutmaßliche Täter. Die Männer gaben zu, den Förster am Abend seines Todes im Wald getroffen zu haben. Sie hätten aber nur herumliegendes trockenes Holz gesammelt, sagten sie aus. Der Förster habe sich mit seinem Gewehr versehentlich selbst erschossen. Durch den Knall sei ihr Pferd in Panik geraten und losgeprescht, der Pferdewagen habe den Förster überrollt und seinen Fuß zerschmettert.
Die drei Verdächtigen kamen frei. Ohne weitere Begründung. Bekannt ist nur: Einer der mutmaßlichen Täter ist der Neffe einer leitenden Staatsanwältin im Kreis Maramuresch.
spiegel
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